THE KNIFE
Demaskierung zum Vollplayback: The Knife brechen mit ihrem nebulösen Mythos und zeigen ungeahnte Qualitäten im Choreografietanz auf.
SHAKING THE HABITUAL nennt sich das neue Album von The Knife, und es hat den Anschein, als würden Karin Dreijer Andersson und Bruder Olof dieses Motto auch im Hinblick auf ihr Live-Konzept sehr ernst meinen. Für Uneingeweihte: The Knife, das war jenes mysteriöse Duo, das sich bevorzugt vogelmaskiert auf die Bühne stellte, um dort im Dunkeln vor den Reglern zu verharren. Und heute? Lassen The Knife erst mal eine spärlich bekleidete Aerobic-Truppe los, deren Vortänzer dem Publikum seine Liebe versichert, den Standort der Notausgänge erläutert und schließlich „Licht und Energie“ in Aussicht stellt – man müsse sich lediglich „connecten“.
Als schließlich eine Schar dunkler Gestalten mit weit ausgestellten Kapuzen auf die vernebelte Bühne tritt, um das futuristisch anmutende Interieur -unter anderem eine Art Harfe sowie allerlei seltsames Perkussionsgerät -freizulegen, und bald darauf das subsonische Bassdröhnen des neuen Stücks „A Cherry On Top“ hören zu lassen, ist das noch jene distanzierte Form des Auftritts, die man von The Knife gewohnt war. Dann aber klöppelt das Kollektiv zu „Bird“ plötzlich derart emphatisch herum, dass man sich fast beim Karneval in Rio wähnt. Wobei schnell klar wird: So richtig klöppelt niemand. Vielmehr werden die verhüllenden Gewänder bald abgelegt; zum Vorschein kommen die Geschwister Dreijer und acht weitere glitzergeschminkte Tänzer(innen) in bunter Paillettenkluft, es wird zu Vollplayback choreografiegetanzt und „gesungen“. Lässt man sich auf den ironisch gebrochenen, queeren Showcharakter dieses Konzerts ein, ist es durchaus unterhaltsam, wie mal auf Michael Jacksons Halbstarkentruppe im Video zu „Bad“, mal auf Ringelreihen, mal auf Volkstänze unbekannter Herkunft verwiesen wird. Nur: Soll man jetzt gucken? Tanzen? Sich auf die nicht eben eingängigen Stücke des neuen Albums konzentrieren? Die Antwort geben die Protagonisten am Ende selbst, indem sie zum schwer umjubelten „Silent Shout“ fernab jeder Choreografie durch ein Meer von Spektralfarben tanzen. Ist ja auch eine tolle Anlage dort in der C-Halle.