The Knack
Ok, der Hurrican "David" hat mehr Staub aufgewirbelt, aber gleich danach kommen die Knack. Denn von Amerika bis Australien, von Nordfriesland bis Bayern halten sie seit Wochen die Rockszene in Atem. Ihr Erfolg übertrifft bereits den der Dire Straits, und womöglich greifen sie schon bald zu den Sternen - dorthin, wo es nur noch die Beatles und sonst gar nichts mehr gibt. Die Knack sind ein unglaubliches Phänomen, aber der Blick auf die internationalen Hitparaden zeigt, daß dieses Phänomen existiert! In Los Angeles hat Wolfgang Freund versucht, den Knack auf die Spur zu kommen. Und wer die Knack-LP(ME 7/79) noch immer nicht kennt,pennt!
Prescott, Berton, Doug und Bruce, oder was? Meet The Knack / Get The Beatles? Hat die New Wave den Höhepunkt erreicht? Geht’s jetzt erst richtig los? Denn was die Fab Four aus Kalifornien im letzten halben Jahr der Menschheit zeigten, war nichts anderes als eine klassische Harke, ein kleines“.Griiss Gott, wir sind The Knack und kommen aus einem anderen Jahrzehnt…“. Das Zeitalter der Songbücher scheint wieder da zu sein; man kann sich wieder an kleinen drei Minuten-Songs erfreuen, an Statements über Mädels, ob sie nun Tara, Sharona oder Lucinda heißen, ob sie’s nun mit einem treiben oder einen nur mit einem großen Herzklopfen und einer neuen Telefonnummer in der Hosentasche entlassen. Die Knack jedenfalls wissen, wo’s langgeht. Und das gilt nicht nur für die Sache mit den Mädchen!
Wer sind sie, die vier uniformierten Beatmusiker aus Kalifornien, die in Amerika über Nacht eine Knackmania auslösten, die mit Mike Chapman den George Martin der siebziger Jahre als Produzenten an Land ziehen konnten? Ging das nicht alles ein bißchen schnell? „Meet The Beatles“ brauchte in den USA, auf dem größten und wichtigsten Plattenmarkt der Welt, 1964 genauso lang (oder kurz), um vergoldet zu werden, nämlich 13 Tage. Aber mit Platin waren The Knack eine Nummer schneller. Denn die erste Million ihres Debut-Albums „Get The Knack“ wechselte schon eine weiter Woche später über die Ladentheke bei Sam Goody’s oder Tower Records oder Liqorice Pizza. Nennen wir das Kind ruhig beim Namen: Amerika hat eine neue Sensation, die Disco kurzfristig und vielleicht auch langfristig auf die Plätze verwiesen hat. Doch ob The Knack dieses Tempo halten können, ist noch offen. Denn der Sprung von der lokalen Los Angeles-Club-Band zu Amerikas Nummer 1 ist eben doch ein gewaltiger.
Dabei gibt es The Knack als Gruppe erst seit Mai 1978. Vorher hatten die einzelnen Musiker kreuz und quer in der L.A.-Bar- und Clubszene gemuckt, für ein paar Dollars, manchmal auch nur für einen Hamburger. Musiker sind sie allesamt schon seit Menschengedenken. Doug Fieger kam 1970 aus Detroit nach Los Angeles, wo er mit einer Band namens Sky einen Vertrag bei RCA hatte. Fieger: „Ich war damals 17 und ein völlig unschuldiger Knabe. Wir waren irgendeine Band und hatten irgendeinen Produzenten. Sie haben uns nach England geschickt und wir machten ein paar Platten. Als wir wieder in Kalifornien waren, sind wir alle ein bißchen durchgedreht, weil das Business so fremdartig und irreal für uns war. Da kam dann auch noch die politische Situation in Amerika dazu. Kein Mensch wollte in jenen Tagen Pop-Musik hören. Immerhin traf ich aber schon damals unseren Schlagzeuger Bruce Gray.“
Bruce hatte seit seiner Kindheit den amerikanischen Traum, in einer Nummer-1-Band zu spielen. Dafür war ihm nichts zu schade; er war ein typischer Hans Dampf in allen Gassen, machte auch mal die Klosetts von Tankstellen sauber, wenn er keine Dollars hatte, stand aber meistens in den Studios mm und wartete auf seine Chance. „Ich sagte damals zu Bruce,“ erzählt Doug, „daß ich sicher bin, daß wir eines Tages mal die größte Band dieser Welt haben werden, und Bruce sagte ok. Dabei schaute er mich ganz komisch an. Vor fünf Jahren traf ich dann Berton Averre, unseren Leadgitarristen. Ich mußte damals als Bassist bei einer Barband aushelfen, die immer nur öffentlich probte. Berton gefiel mir auf Anhieb. Er war so sensibel und ich hatte das Gefühl, daß ich großartige Songs mit ihm schreiben könnte. Ich nahm ihn irgendwann einmal zur Seite und sagte ‚He Berton, ich glaube wir werden mal irgendwann zusammen eine Band haben, und das wird dann die größte Band dieser Welt sein…!‘ Er grinste nur und meinte: ‚Alles klar…!!’Aber ich war wirklich davon überzeugt, nachdem ich Bruce und Berton schon im Rücken hatte.“
Es sollte allerdings nochmals ein halbes Jahrzehnt dauern, bis Doug Fiegers Traum Formen annahm. Zwischendurch machte er noch klassische Erfahrungen in einer deutschen Band, die in Kalifornien eine Platte aufnahm. Diese Erfahrungen waren zwar durchweg negativ, doch sollten sie ihm später in seiner persönlichen Entwicklung weiterhelfen. Ausserdem hatte er damals gar keine andere Wahl: „Ich war am Verhungern, da bekam ich einen Anruf vom Musiker-Kontakt-Service, wo ich meinen Namen als Bassist hinterlassen hatte. Die erzählten mir von einem deutschen Keyboardmann namens Jürgen Fritz, der gerade bei Capitol eine LP aufnahm und einen Bassisten brauchte, weil der alte schon wieder abgehauen war. Ich spielte in meiner Verzweiflung vor, und nach ein paar Songs war ich Mitglied bei Triumvirat. Wir brachten eine ganz ordentliche LP zustande. Sie hieß übrigens ‚Old Lovers Die Hard‘. Ich mußte dann sogar nach Köln, das war Bedingung. Und solange wir noch in Los Angeles waren, hatte mir Jürgen Fritz alle Zugeständnisse gemacht, die ich auf den Tisch brachte. Mir wurde Geld zugesichert, und ich hatte musikalisches Mitspracherecht, weil ich ja auch an den meisten Songs der LP als Autor beteiligt war. Als wir dann in Köln waren, hat mir Fritz die Haltte meiner Gage gestrichen. Einfach so! Und dann haben sie mich in eine kleine Kammer zum Wohnen gesteckt, wo ich nicht mal meinen Hund alleine lassen würde. Da saß ich nun in Köln am Rhein, ohne Geld und mit lauter schlechten Gefühlen. Ich glaube, daß Jürgen Fritz der wirklich intoleranteste Mensch ist, den ich je getroffen habe. Und wenn ich heute so darüber nachdenke, war es schon eine wichtige Erfahrung, die ich zur rechten Zeit gemacht habe…“ Als Doug wieder zurück war, spielte er sich recht und schlecht durch die lokale L.A.-Band- und Clubszene, bis er 1977 bei den Sunset Bombers einstieg, mit denen er sogar eine LP machte. ,,Das war eigentlich mehr aus Freundschaft, weil die so dringend einen Bassisten brauchten. Aber es waren wirklich nette Kerle. Den Sänger mußten wir für jeden Auftritt aus der Klapsmühle freikaufen, weil der psychisch total im Eimer war. Das war vielleicht aufregend! Berton und ich schrieben sogar einen Song für die Bombers. Der hieß „B-F-D“ – Big Fuckin‘ Deal. Rat mal, was das für Harmonien waren…?“ .Im Frühjahr 1978 legten Berton, Bruce und Doug schließlich die Lunte für The Knack.
Hilfestellung gab ihnen damals ein junger New Wave-Enthusiast namens Scott Bergstein, der hauptberuflich bei Casablanca Disco-Scheiben zu promoten hatte, und zwar international. Scott war damals Director Of International Operations und investierte alles Geld, was ihm nach Abzug der McDonaldsund Benzinrechnungen übrigblieb, in seine Freunde, die sich von nun an The Knack nannten. Sogar Buttons ließ er herstellen. Und nachdem sie Prescott Niles als Bassisten gefunden hatten, weil Doug doch schon immer singen und Rhythmusgitarre spielen wollte, klapperten sie mit einem Demo die oberen Etagen der Musikindustrie ab. Doug: „Unser Demo war wirklich gut. doch keiner wollte es haben. Wir hatten da schon über die Hälfte unserer LP drauf und waren völlig überzeugt. Aber die Leute in der Musikindustrie sind sich offensichtlich selten im Klaren, was sie eigentlich wollen, weil die meisten auf verlorenem Posten sitzen. Ich sagte dann zu den anderen: ‚He. laßt uns einfach rausgehen, auf die Straße, für Kids spielen, nicht für die Industrie. Die kaufen sowieso keine Platten, die kriegen sie doch alle umsonst…‘ Und das haben wir dann eben gemacht…“
Als The Knack nach fünf Gigs in kleineren LA-Clubs eine feste Anhängerschaft hatten, standen die Leute von den Plattenfirmen plötzlich alle da. The Knack als kommerzielles Unternehmen nahm langsam Formen an. Der Enthusiast Bergstein wurde gegen einen eiskalten Manager ausgetauscht, der mit Plattenfirmen auf cleverste Art und Weise Millionen-Deals ausdiskutierte. Originalton: „Wenn ihr uns haben wollt, dann müßt ihr mit uns durch die Wand gehen. Dann darf euch auch eine Million Dollar nicht zuviel sein…“ Capitol legte die Dollars schließlich hin und machte das Rennen.
Jetzt ging es um einen Produzenten. 100.000 Dollar hatte Capitol für die Knack-LP freigestellt, was für ein Debut-Album einer neuen Gruppe eine immense Summe ist. Deutsche Gruppen kriegen von Plattenfirmen ein Budget von etwa 20.000-30.000 Mark, Neulinge noch weniger. Doug: ,,Wir hatten viele Produzenten zur Auswahl, doch waren wir ziemlich verunsichert. Mike Chapman hörte von uns durch einen Freund, der in einem Plattenladen arbeitet. Das war so ein typischer Straßenkontakt. Mike ist so ein echtes Rock’n’Roll-Kind, das die Nase immer ganz weit vorn hat, was nicht heißt, daß er sie als einer der erfolgreichsten Produzenten der Welt hochträgt. Er ist eben ein Kind. Und irgendwann tauchte er dann bei uns im Übungsraum auf, hörte sich ein paar Songs an und war Feuer und Flamme. Und nachdem er uns in Starwood live gehört hatte, war es auch für uns klar, daß Mike unser Ideal-Produzent ist. Er kam nach diesem Gig hinter die Bühne, umarmte uns und meinte, daß es für ihn ein absolutes Muß sei, uns zu produzieren…“
In nur neun Tagen waren die 12 Songs eingespielt, mit einem Produktionsaufwand von nur 17.000 Dollar. Keine Frage, wer die restlichen 83.000 Dollar kassierte… Mit diesem Geld kamen die Knack dann im Mai/Juni nach Europa, wo sie in kleineren Läden vorfühlten, was man in der alten Welt von ihnen hält. Der Erfolg hielt sich in Grenzen, doch als sie Mitte Juni wieder in den USA zurückwaren, ging „Get The Knack“ plötzlich nicht nur dort los wie die Feuerwehr.
Jetzt taucht natürlich die Frage auf, ob das Phänomen The Knack womöglich perfekt auf die Beatles-Masche hin konstruiert worden ist. Oder ob alles viel harmloser zu erklären ist, etwa damit, daß die optischen wie musikalischen Parallelen zwischen den Knack und den Beatles von einer unbewußten Beeinflussung der Knack-Musiker durch ihre Idole herrührt. Dazu Doug: „Jeder mittelmässige Fußballspieler möchte gerne so sein wie Pele, George Best oder Beckenbauer. Jede Band hat sich ursprünglich die Beatles zum Vorbild genommen. Wir leben alle unbewußt mit Idolen, und wer möchte nicht gerne so cool sein wie es die Beatles damals waren? Ich werde es nie vergessen, als die Beatles 1964 zum ersten Mal in der Ed Sullivan Show auftraten. Das war für mich das einschneidende Erlebnis in meinem musikalischen Leben. Warum auch nicht! Muß ich mich deshalb schämen? Ich glaube, wir haben ein bißchen von diesem Gefühl der sechziger Jahre in die achtziger Jahre transportiert. Wir sind doch alle Kinder, auf der Suche nach irgendetwas. Kinder wollen ihren Spaß haben. Chapman ist auch noch ein Kind. Deswegen ist unsere Platte wahrscheinlich so gut geworden. Er hat uns einfach spielen lassen. Unsere Platte klingt trotzdem wie eine Platte der achtziger Jahre…“
Und wie kommt es, daß die Knack-Songs so viel von den sechziger Jahren rüberbringen? Doug: „Weil sie kurz und bündig in drei‘ Minuten viel aussagen. Ein Song sollte ein gewisses Charisma haben, sollte in drei Minuten ausdrücken können, was er sagen will. Wenn du das nicht kannst, dann schreib doch einfach ein Buch! Ich bin einfach am meisten von den Leuten aus dieser Zeit beeinflußt: The Who, The Kinks, Small Faces, Goffin & King, Neil Sedaka, Buddy Holly, Lennon/McCartney, Jagger/Richards und und und. Es nimmt kein Ende, und ich liebe sie alle…“
Aus Doug, dem Kumpel aus früheren Tagen, ist inzwischen ein Rockstar geworden.Verändert hat er sich kaum. Er ist jetzt halt ein wenig vorsichtiger geworden, konzentriert sich nur noch auf seine Karriere. Und weil Doug noch ein Kind ist, rufen auch seine Eltern täglich aus Detroit an und können es kaum fassen, daß er jetzt in Amerika die Nummer 1 im Rock-Biz ist. Doug: „Die flippen richtig aus. Mein Vater hat früher immer gesagt, ich soll Versicherungskaufmann werden und den ganzen Rock’n’Roll-Kram hinwerfen. Ich hab mich gut und erfolgreich dagegen gewehrt…“