The Damned
Der Blutegel hat 2 Töchter, die heißen ‚Gib her, gib her!‘ 3 sind nicht zu sättigen und 4 sagen nie: es ist genug!“(
(Der Prediger Salomo/ Heilige Schrift).
Diese Seite der Bibel war aufgeschlagen, in meinem Hotelzimmer. Da muß jemand was geahnt haben. NIE sagen, es sei genug. Genau so fühlte ich. Was den Rock’n’Roll betrifft. Guten Rock. Schneller/ verrückter/gefährlicher Rock’n‘-Roll! Klopfende Töne, die dich bewegen. Die Tiger durch dein Gehirn laufen lassen. Ohne Endstation. Ein Anschlag auf deine Sinne, die gewohnt sind/werden, im leeren Betonbecken zu schwimmen. Die Hölle ist besetzt/voll, also bleiben wir doch hier und haben den Spaß.
Die Damned. Verdammt zu Verdammten. Wußtet ihr, daß sie noch/wieder unter den lebenden Toten sind? Ja! Ich meine die Damned der ersten Stunde. Aus der Zeit, als die heutigen Punks noch beiMummy & Daddy ihre T. Rex/Bowie-Glitter-Poster an die Wand klebten. Die Damned wurden – leider – bei uns/in England völlig unterbewertet. Die Damned – sie waren die ersten Punks (als das Wort noch seinen Sinn hatte), die einen Plattenvertrag unterschrieben, die ersten, die eine Single (‚New Rose‘) und ein Album (‚Damned Damned‘) rausbrachten – zwei bis heute nicht übertroffene Dokumente des ’76er Feelings – die ersten, die Uncle Sam zeigten, vor Ort im Land der verklebten Peanut-Butter, daß Rock’n’Roll und Gehirn immer noch einen Zusammenhang darstellten, und sie waren auch die ersten, die ihren Plattenvertrag verloren (STIFF schuldet den Damned immer noch 400.000 Deutsche Marks). Die Damned waren auch die ersten, die sich (Anfang ’78) auflösten.
Die Sex Pistols standen für/ vertraten die Anarchie, die Clash die Guerilla-Politik und die Damned gaben dem Rock’n‘-Roll den Slapstick wieder. Sie verbanden/verbinden die Dracula-Rolle/Figur mit den Marx Brothers. Hier liegt auch der Grund für ihre Nichtbeachtung, sie gaben den Leuten keinen Hero-Identifikations-Punkt, keine Ideologie. Sie rannten einfach nur rum/Amok – mit Spaß + Witz + Bissigkeit! Dabei kamen dann auch Textzeilen heraus, die vieles andere an die Wand drücken: ,“Ain ‚t no crime if there ain’t no law/ain’t no cops to mess you around. „
„I don’t need politics to make me dance… I just wanna run round!“(‚Politics’/The Damned). Ende ’76 wurden die Damned aus der legendären Anarchy-Tour der Sex Pistols/ Clash/Buzzcocks gefeuert. Der Grund: sie spielten einen Gig, der von allen Bands boykottiert werden sollte, weil die Stadtverwaltung den Pistols ein Auftrittsverbot erteilt hatte. Die Damned aber wollten die zahlreich erschienenen Kids nicht enttäuschen und betraten die Bühne. Die Damned von 76/77: Chris ‚Rat Scabies‘ Miller (Drums), Brian James (Gitarre), Ray ‚Captain Sensible‘ Burns (Baß) und Dave Transyl‘ Vanian (Vocals). Der Captain und Rat hatten zuvor in der Band von Nick Kent (Schreiber des NME), den Subterraneans, gespielt. Brian kam von der London SS, in der auch Clash- und Generation X-Musiker ihren Ausgangspunkt fanden. Ende ’77 erschien die zweite LP ‚Music For Pleasure‘, ein zweiter Gitarrist namens Lu war hinzugekommen. Rat verließ die Band, John Moss nahm seinen Platz ein. Anfang ’78 verließen die Damned uns; das Verrückte daran ist, daß die Damned erst mit ihrer Auflösung bekannter/beliebter wurden.
Die Außer-Damned-Aktivitäten: Rat formierte die Gruppe White Cats, der Captain die King, Dave blieb zu Hause und Brian gründet den Tanz Der Youth, der es zu einer belanglosen Single, „I’m Sorry‘, (Radar) brachte. Brian arbeitet heute allein. Die Damned-Urbesetzung – nur für Brian kam Henry Badowski – traf sich Ende ’78 wieder, mit der Bezeichnung The Doomed. Als der Captain zur Gitarre wechselte und Alastair Ward den Baß übernahm, da waren es wieder The Damned. In dieser Besetzung nahmen sie die Single ‚Love Song‘ (Chiswick), auf einen eindrucksvollen Pop-Song, atemlos und achtlos. ‚Love Song‘ und die Seite 2 ‚Noise/Suicide‘ zeigen, daß der Captain weiß, wie man eine Wut-Gitarre spielt. „Noise is for heroes/music for zeros!“ Für die Statistiker: Der Song verkaufte sich mehr als Rod Stewart/Wings/Costello/Clash; er erschien an einem Freitag und am Mittwoch waren es bereits 45.000 Love-Songs, die gegen Geld eingetauscht waren.
„Hey hey, my my/Rock’n‘-Roll will never die/Theres more to the picture/Than meets the eye.“ Neil Young.
Der Captain im Feder-Pelz-Gewand. Eine Kombination in rosa und mittelblau. Rat mit seinem schwarzen Vorderzahn,Gummihosenträger halten die Hose. Alastair, der Rocker. Und Dave, gespenstisch weiß, als wäre er für ein paar Monate tot gewesen. Die Aufzeichnung. Im TV-Studio. Am Ende der Welt. Es läuft gerade noch der Village People Film, doch die geladenen Teenies schielen schon zur Damned-Bühne rüber, wo Rat seine Drums behämmert und zu ‚In The Navy’mitjodelt. Sie ahnen, daß hier die Action ist. Dann geht’s rein im bm-bmbm-bm-bm-goooooooo love song. Rat zermatscht sein Schlagzeug, der Captain haut die Gitarre kaputt. Die Kids verstehen’s. Sie wollen die Drumstöcke, den abgebrochenen Gitarrenhals und Autogramme. Der Captain erklärt ihnen, daß die Gitarre wieder repariert wird/ also noch gebraucht. Recycling. Auch was das TV betrifft. Als der Bus mit den Damned abfahren will, kommt der Mann vom TV und will die Hosenträger zurück, die Rat sich für den Auftritt im Fernsehen geliehen hat. Verdammte Zwei-Groschen-Stretch-Hosenträger, Woolworth-Ware, doch der Mann besteht darauf. Rat will das nicht in den Kopf. Es gibt fast eine Schlägerei. Eine halbe Stunde hin und her. „Ich kauf dir ’ne Scheißhosenträgerfabrik, damit du genug hast! „Rat. Hosenträger sollen ja Halt geben. Hosenträger müssen beim Fernsehen sehr gefragt sein.
„People dislike rats because they are embarrassed by them. Rats live in our garbage. Well, the point is to hate the garbage, not the rats!“ M.Dansel/Internationale Akademie der Ratten/Paris.
Während die Damned versuchen, im Hotelzimmer mit den Teenies Spaß zu machen/ haben, redet Rat. Das Interview. Rat lebt den Rock’n’Roll aus. Seine gelben Nikotinfinger sind nie ohne Qualm. Wenn du siehst, wie Rat sein Schlagzeug zu Brei trommelt und dabei gelegentlich den Kopf als Stock einsetzt, dann weißt du, daß Keith Moon nur die Who verlassen hat, um in die Reihe der Verdammten zu gehen. Rat ist (vielleicht) der einzige Drummer, der stehend seinen Baß-Drum spielen kann. Seine Drum-Blitze kennzeichnen immer das eine Ende der Damned-Musik. Rat: „Ich gebe alles, um die Kids zu unterhalten! Wenn ich dafür bezahlt werde, alles in Stücke zu hauen, dann mache ich’s. Mit viel Spaß! Ohne Rücksicht auf Schlagzeug, Gitarre, Verstärker. Das Schlagzeug ist doch nur ein Haufen Holz und Metall – und ich haue mit einem anderen Stück Holz zu.
Wenn ich gerade Lust habe, dann zerstöre ich das Scheiß-Ding! Weißt du, wenn die Kids zu uns kommen, um Spaß zu haben, um dem ganzen Druck/Zwang zu entfliehen, und wenn ich dann‘ nichts kaputtmache, würden sie frustriert nach Hause gehen. Ich mach nur das, was ich will – niemand sagt mir, was ich zu tun habe!“ Über die White Cats/die Gründe des Verlassens der Damned/die Wiedervereinigung: „Die White Cats laß uns lieber vergessen. Die waren gut im Wohnzimmer, aber auf der Bühne haben sie alles ruiniert. Die Damned mit Brian James, das war eine Diktatur! Er hat fast alle Songs geschrieben. Ich mußte fünf Tage auf ihn einreden, um meinen Song ‚Stab Your Back‘ auf die Rückseite unserer zweiten Single ‚Neat Neat Neat‘ zu kriegen! Dasselbe, wenn ein Song von mir auf’s Album sollte.“ ‚Music For Pleasure‘ zeigte dann auch nicht mehr die Wildheit/ Dynamik der frühen Brian James Stücke. Es war ein typisches Studioprodukt, sauber, ya know. Nick Löwe war die Umsetzung des Damned-Ausbruchs auf LP 1 exzellent geglückt, während Nick Masons Produktion bei ‚Music‘ in der Sterilität hängen blieb. Dennoch sind die Songs von Rat/ Captain/Dave voller Hitze und Drive. Rat: „Jetzt sind die Damned eine demokratische Gruppe. Wir fragen: „Dave, hast du neue Texte?‘ und wenn er nein sagt, machen wir sie. Unser nächstes Album wird nicht so aggressiv sein, wir beweisen zur Abwechselung mal, daß wir unsere Instrumente spielen können!“ Rat spielt mir das Tape vor, ein erster Take, nur der Captain und er. Du kannst gewiß sein, daß sich dein Fuß auch weiterhin bewegen wird! Rat: „Als der Captain und ich uns entschlossen, die Damned neu zu gründen, da überlegten wir, wer der beste Sänger ist, den wir kennen. Da waren Sid Vicious und Dave Vanian. Ich hatte gerade mit Sid, Glen Matlock und Steve einen Gig gemacht, das war Sids letzter eigener Auftritt. Und der Captain sagte, Sid ist OK! Doch da Sid so ausgeflippt war, immer stoned, konnte er nicht gut arbeiten. Also nahmen wir Dave, weil er der beste Sänger im Scheiß-Musik-Geschäft ist!“
Rat über Politik und Musik, die Clash/Ruts/und Rock against Racism: „Sieh dir die Clash an. Diese Scheiß-Politik!“ Rat immitiert/brüllt: „Yeah! Das Volk! Wir sind die Clash!
Machen wir eine Revolution! Let’s have a white riot! Let’s have Sten Guns in Knightsbridge!‘ Da gab’s ein Benefit-Konzert in San Francisco; Mick Jones (Clash-Gitarrist) hörte das Gerücht, im Publikum seien Gewehre. Daraufhin sagte er den Gig ab. und man brauchte „ne Menge Schweiß und Zeit, um ihn davon zu überzeugen, daß es nur ein Gerücht ist. Hell! Wie kann dieser Mick Jones singen „Sten Guns in Knightsbridge‘ und ‚White Riot‘. wenn er einen Gig platzen läßt, nur weil er das Gerücht mit den Gewehren gehört hat! Die Damned sind keine politische Band. Wenn ich einen RAR (Rock Against Racism)-Gig geben würde, müßte sofort ein National Front-Gig folgen, um die Sache auszubalancieren, nicht politisch, aber für die Damned selbst, weil wir keine politischen Ideen verfolgen! Das einzige, was wir loswerden wollen, ist die Frustration unter den Kids. Ich will Schwarze und Weiße im Publikum! Wir glauben an keine Politik. Wenn du TV siehst, wirst du vollgestopft damit, TV Propaganda. Und Leute wie die Clash verbreiten auch nur Propaganda, sie benutzen die Leute. Die Clash-Idee, das Gesellschaftssystem zu ändern, ist richtig, aber ich sage dir was: Die Clash haben 100.000 US Dollar Vorauszahlung für ihr Album erhalten! Und was haben sie getan, um irgendwas zu ändern? Das System in England muß vollkommen verändert werden, aber von den Leuten und auf ehrliche Weise! Da mufS ein ehrlicher Wille hinterstecken! Ich weiß, was Unterdrückung bedeutet. Man hat mich im Gefängnis zusammengeschlagen und unter Drogen gesetzt. In Frankreich wurden wir eingelocht, weil wir aus dem Hotelzimmer Molotov-Cocktails geworfen haben. Die klagten uns wegen Terrorismus und böswilliger Zerstörung an. Wenn du dann keine 1000 Pfund aufbringen kannst, bleibst du drin. Wenn du diese Erfahrung gemacht hast, wenn du länger als drei Stunden in einer Zelle verbracht hast, dann weiß du, was Unterdrückung ist! Die Damned spielen gute Musik und haben ihren Spaß. Mein Job ist, den besten Krach zu spielen und die besten Töne; und wenn die Leuten sehen wollen, wie ich mein Schlagzeug kaputtmache, dann können sie’s. Wir unterhalten die Leute, und darin helfen wir ihnen!“ „It ’s better to burn out/Than to fade away. “ Neil Young.