The Cure: The Cure – Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me
„Wir sind die Pink Floyd der 90er-Jahre“, tönten The Cure vor drei Jahren noch vollmundig. Hört man das neue Doppel-Album der britischen Querdenker, so gibt es selbst für den Nicht-Fan kaum Zweifel mehr: Die Band ist auf dem besten Wege zu einem Massenpublikum und das sogar ohne den Pink Floyd’schen Wohlklang.
Fast zehn Jahre sind vergangen, seil Sänger Robert Smith, Michael Dempsey (Baß) und Lol Tolhurst (Schlagzeug) mit Esprit und viel atmosphärischem Gefühl ihre Hits „Killing An Arab“ und „10.15 Saturday Night“ zündeten. Für die Cure ging es danach musikalisch und optisch ab in die finstere Ecke des monoton-dröhnenden Gruft-Rocks: Das Album PORNOGRAPHY (1982) verstrahlte so viel Endzeitstimmung, daß man sich um Robert Smiths Überlebensmut ernsthaft Sorgen machen mußte. Doch dann kam alles ganz anders: Die Gruppe überraschte die Popwelt mit den lustigen, verspielten Pop-Walzern „Let’s Go To Bed“, „The Love Cats“ und „Caterpillar“ und Robert Smith hatte als Sänger und Songschreiber die Leichtigkeit der frühen Cure-Tage zurückgewonnen.
Mit KISS ME, KISS ME, KISS ME wagt sich die Band nun an ein Doppelalbum heran: 18 neue Cure-Kompositionen bieten ein schillerndes, komplexes und exotisches Spektrum, wie man es in dieser Vielseitigkeit noch nicht von Cure gehört hat. Schwere Wah-Wah-Gitarren-Wellen eröffnen das Werk und drücken „Kiss“ den buntcolorierten Stempel der Psychedelia auf. Sanftklopfende Bongos, liebliche Flöten und verträumte Sitarklänge bestimmen dagegen das romantische Klangbild von „If Only Tonight We Could Sleep“. Überhaupt sind die Cure dann besonders überzeugend, wenn sich Robert Smith mit leichten, schwebenden Balladen präsentiert wie bei „Catch“ etwa, wo spanische Gitarren auf ein psychedelisches Streichquartett treffen und Smith so entspannt dahersingt, als wäre er gerade aufgewacht. Herrlich!
Ein reißerischer Rock-Rhythmus, den die Cure bei Iggy Pops »Lust For Life“ abgehört haben, verbindet sich geschickt mit funk-verwandten Bläserpassagen zum hellen Swing-Opus „Why Can’t I Be You“, das die zweite Seite des ersten Albums vielversprechend eröffnet. Weiter geht’s mit „Snakepit“, einem fast siebenminütigen Trance-Rocker, in dem die ganze Schwere und Finsternis der PORNOGRAPHY-Phase wieder hörbar wird – doch hier, in der illustren KISS ME, KISS ME, KISS ME-Gesellschaft, wirkt selbst ein gruftiger Rocker frisch und inspirierend. Und dann tauchen wieder diese zischenden Wah-Wah-Gitarren auf, die diesmal aber im Song „Hey You“ durch kreischende Saxophon-Eskapaden aufgefangen und geläutert werden. In „Hot Hot Hot“ schließlich imitieren die Cure gar die Funk-Rhythmik des Queen-Klassikers „Another One Bites The Dust“.
Fazit: Die Cure haben mit KISS ME, KISS ME, KISS ME einen multicolorierten Sound geschaffen, der es in seiner Vielfalt mit dem Prince-Werk AROUND THE WORLD IN A DAY aufnehmen kann.