The Cure
Fuck Rock’n’Roll!“, zürnte der junge Herr Smith Anfang der Achtziger bei einem Konzert in Werchter. Er fuhr sich mit seinen Fingern noch ein weiteres Mal durch die ohnehin schon heillos zerfurchte Frisur, um dann ein paar hundert maulenden Spät-Punks eine endlos träge, schnarchlangsame 15-Minuten-Version von ‚A Forest‘ zu servieren ein Wave-Tanzbodenstampfer, seinen Launen geopfert. Als Robert Smith & Co. 1992 Deutschland zuletzt live bespielten, war der Ansagen-Wortschatz des Nölhannes des Pop schon lange auf ein Maulvoll genuschelter „Hello’s“ und „Thank You’s“ zusammengeschrumpft. Vor den Launen von Diva Smith ist zwar auch heute noch niemand sicher, doch 1992 rockten und rollten The Cure – nebelumwabert, schmerzend-dröhnend zwar – aber sie rockten.
1996: The Cure gibt es wieder und immer noch, wenn auch wieder mal fast vollständig umbesetzt. Das neue Album heißt ‚Wild Mood Swings‘ und klingt wie das ausgereifte Werk eines stilsicher stilmixenden Poporchesters, das das Selbstmitleid zum einzigen festen Bandmitglied neben Smith gemacht hat-schmissige Popsong-Standards inklusive. Das macht The Cure auch 1996 niemand nach. Und vermutlich will das auch kaum jemand. Smith hat sicherlich recht, wenn er rückblickend feststellt: Je weiter wir voranschreiten, desto weniger Ähnlichkeit gibt es zwischen dem, was wir tun, und dem, was alle anderen jemals so gemacht haben.“
Ausgerechnet der kauzige und als depressiv verschrieene Robert Smith ist in der seltenen, glücklichen Lage, unter eigenen Bedingungen und nach eigenem Gutdünken tun und lassen zu können was er will. Dabei musizieren die Mannen mit Lidstrich und den explodierten Frisuren unter seiner Anleitung freilich nicht mehr nur für ins Kerzenlicht starrende Teenies mit mehr oder weniger festen Suizidabsichten. Smith macht – orchestral und üppig – Musik für die Stadien. Daß diese dann auch tatsächlich immer wieder gefüllt sind, ist ein Phänomen. Es ist wirklich schon 1996, und noch immer verrät der weitläufig verschmierte knallrote Lippenstift nicht eindeutig, wo man in Robert Smiths käsigem Gesicht seinen Mund zu suchen hat. Noch immer detonieren die Haartrachten und ein blasser, runder Mann schlenkert selbstverloren und selbstverliebt mit den kurzen Armen. Dieser Mann ist 37 Jahre alt und dennoch pflegt er sein pubertäres Pathos wie Gleichaltrige ihren Vorgarten. The Cure sind weder cool noch groovy. Doch soviel ist klar: diese Band wird nie eine Greatest Hits-dudelnde Rentnercombo-Peinlichkeit mit zauseligen Perücken werden. Man kann sich in diesem Herbst ein weiteres Mal davon überzeugen.