The Crack-Up – Die Droge und ihre Szene
Rock’n’Roll ist ganz ohne Drogen nicht zu haben, das hat die öffentliche Selbstzerstörung von Pete Doherty deutlicher ins Gedächtnis gerufen, als uns (und ihm) lieb sein kann. Daß Pete ein schillernder Einzelfall sein könnte, ist Wunschdenken: Was Acid für Psychedelic, Heroin für Grunge, Cannabis für aufrechte Hippies, Ecstasy für House, Koks für Britpop, Speed für Punk war, ist Crack (und eine Mischung weiterer chemischer Suchtstoffe, vor allem Heroin, das von denselben Dealern angeboten wird) für die neue Londoner Musikszene. Sogar etwas mehr: Das rauchbare Kokainderivat, das Experten zufolge selbst jene Konsumenten körperlich und geistig ruiniert, die mit allen anderen Drogen „umgehen‘ können, war einer der Initialzünder. In Whitechapel im Londoner East End, wo sich der Handel mit Crack Ende der 80er Jahre einbürgerte [um die Shacklewell Lane in Dalston herum), fand sich vor vier Jahren eine Party- und Musikclique, um die sich bald ein Nebel von Crackdämpfen bildete. Epizentrum war die Clubnacht „Bring Your Own Poison“ (!) in der Rhythm Factory, wo auch die Libertines des öfteren auftraten, und Doherty (der damals mit Peter Perrett zusammenwohnte, Ex-Junkie und Ex-Sänger der New-Wave-Band The Only Ones) wurde Mittelpunkt und Identifikationsfigur der Szene. Seine mehrtägigen Abstürze mit Peter „Wolfman“ Wolfe brachten die Umtriebe in die Schlagzeilen, und während die Libertines letzten Sommer öffentlich implodierten, zog die Crack-Gemeinde ins „Flophouse“ um, eine Wohnung über einem Imbißladen in der Hackney Road. 26 Tage lang rauschte dort eine einzige Party, zu der The Paddingtons auch mal nach einem Gig ihr ganzes Publikum einluden – 300 Leute rückten in Taxis an. „Es war eine Riesenausschweifung“, sagte der 19jährige Ben Bailey, Thee-Unstrung-Gitarrist und einer der Hauptmieter, dem Magazin Q, „eine wilde Atmosphäre von Sex, Drogen und Rock’n’Roll.“ Inzwischen haben sich die Wege des „inneren Kreises“ der Whitechapel-Szene getrennt. Doherty ist (angeblich) endlich clean, viele der beteiligten Bands (The Others, Rakes, Cribs, Paddingtons, Unstrung) stehen an der Schwelle zum Erfolg. Zurück bleiben „einfache“ Fans, die sich immer öfter verzweifelt an die Hilfsorganisationen Release und DrugScope wenden. Vielleicht hilft ihnen der unverbrüchliche Optimismus von Dominic Masters (The Others): „Mag sein, daß manche Leute kaputtgehen, aber ich nicht. Jeder von uns hat die Wahl.“