The Cooper Temple Clause: München, Orange House
Let's kill music? Ganz im Gegenteil. Sechs Sturmfrisuren aus Reading führen mit heftigen Stromstößen hochwirksame Wiederbelebungsmaßnahmen durch.
Eigentlich wollten sie sich das ja abgewöhnen. Man hatte den sechs struppigen Jungs von The Cooper Temple Clause gerade vorgerechnet, dass sie ihre Angewohnheit, auf der Bühne Tamburine zu zerhauen, mittlerweile 150 Pfund pro Woche kostet. Aber hier kniet Sänger Ben Gautry und hackt zuckend mit dem Ding auf den Bühnenboden ein, als wollte ersieh nach Neuseeland durchgraben, jetzt, ganz dringend, ganz schnell. Als er zurück ans Mikro muss, schnappt sich sofort Didz Hammond (Bassist, Gitarrist, Computerfrickler, Sänger, Irrwisch) das gute Stück und macht mit dem gleichen Enthusiasmus weiter. Ja, es passiert so einiges bei The Cooper Temple Clause-Konzerten. Gerade mal Keyboarder Kieran Mahon. Schlagzeuger Jon Harper und die aus dem Backstageraum mitgebrachte Topfpflanze hält es halbwegs auf ihren Plätzen, die anderen Vier (Dan Fisher, Ben Gautrey, Tom Bellamy, Didz Hammond) sind all over the place. Zum einen herrscht ständiger Platzwechsel, Instrumenten- und Mikrotausch, vor allem aber herrscht: Action, Getobe, Luftsprünge. Irgendwie klar, dass diese Chaostruppe, deren Sound sich schon auf Platte wie ein Frontalcrash aus Prog-Spacerock und Xtrmntr-Digitalpunk anhört, live nicht abbremsen würde. Phantastisch ist aber (wie auf Platte), wie viel Struktur das scheinbar Chaotische besitzt, wie sehr das scheinbar Verkopfte in die Beine geht. Die nächsten Verwandten von The Cooper Temple Clause sollte man nicht auf der Insel, sondern dem Kontinent suchen: Belgiens dEUS haben die gleiche Fähigkeit, flippige Ausgefranstheit in umwerfenden Rock zu verwandeln. Genauso setzen sie Effekte und Ideen nie um der Effekte willen, sondern immer im Sinne des Songs ein.
Das kann man auch bei den Coopers beobachten – ein Musterbeispiel: Das stille Zwischenstück in „Digital Observations“. Bei dieser Ballade spielt Dan Fisher eine beinah countryeske Akustikgitarre, an der ruhigsten Stelle nur begleitet von Tom Bellamy, der seine Digitalregler verlassen hat, um dies sanft mit dem Sirren seiner mit Bogen gestrichenen E-Gitarre zu untermalen. Aber irgendwas stört in dieser Idylle der fies blubbernde Synthbass von Kieran, der klingt, als würde Radioheads „OK Computer‘ sich noch einmal mit „Fitter Happier“ aus der Hölle zu Wort melden. So, genau so funktioniert „Team Cooper“. Lauter Ideen, die kein normaler Mensch verbinden würde, werden zusammengeführt und ergeben entgegen aller Wahrscheinlichkeiten was Tolles. Vor allem aber: The Cooper Temple Clause rocken. Nicht auf die klobige, schwere Skischuh-Art. TCTC rocken wie eine Achterbahnfahrt, Augen zu und durch, schretternde Gitarren, flirrende, fiepende Synths, die man im Vorbeirasen noch geradeso mitbekommt. Sie fetzen durch „Panzer Attack“, sie toben durch „Film Maker“, sie erledigen das Biest im triumphalen „Let’s Kill Music“. Wow. Durchatmen. Das Tamburin, ein potthässliches, aber massives Plastikteil, von Plattenfirmenmann Michel eilig noch für den Auftritt besorgt, hat am Ende allen Angriffen standgehalten – Respekt, schließlich gingen alleine beim Videodreh für ..Let’s Kill Music‘ der Legende nach sieben Stück zu Bruch. Die Topfpflanze hingegen wird sich vom Sturzins Drumkitwohl nicht mehr erholen.
www.thecoopertempleclause.com