Television Berlin, Volksbühne
Tom Verlaine rubs it. Wer nicht da war, kann sich ja ein Loch ins Knie bohren.
Berthold Seliger, idealistisch veranlagter Konzertveranstalter, der sich mit dem Projekt, die Avant-Punk-Legende Television mit ihrer Reunion-Tour nach Deutschland zu holen, finanziell ziemlich weit aus dem Fenster gelehnt hat, sieht ein wenig so aus, als kämen ihm heute Abend Zweifel am Guten in der Welt. Television sind im Haus, in Originalbesetzung, DIE Television, die enigmatische Kultband, die mit marquee moon 1977 eines der epochalsten Gitarrenalben aller Zeiten aufnahm. Television sind im Haus, und das Haus ist zur Hälfte leer. Es ist nichts weniger als ein Skandal, und man könnte ewig lamentieren. Aber da kommen sie schon auf die Bühne, vier ziemlich unansehnliche Männer, und jetzt wird sich erstmal nur noch gefreut. Tom Verlaine und Richard Lloyd stellen sich vor ihre Vox-Verstärkerund beim ersten Stück reißt Verlaine gleich mal eine Saite: „Thot shoutd be a goodsign. „Was folgt, schraubt sich immer dann zu Momenten von erhabener, begeisternder Größe empor, wenn Verlaine und Lloyd ihre Gitarrenstränge zu gleißenden Crescendi verzurren oder sie zu abenteuerlichen Soli ausbrechen: Lloyd zwischen eckigen Vertracktheiten und orientalisch anmutigem Mäandern, Verlaine zwischen berückender Melodiosität und drahtigem Avant-Noise. Höhepunkte? „See No Evil“ „Little Johnny Jewel mit seinem monumentalen Intro und die zu einer epischen tourde force verquickten Songs „The Rocket“ und „Rhyme“ vom 1992er-Reunion-Album television. Einzige Wermutstropfen: Verlaines notorischer GieflkannenGesang versumpft komplett im ansonsten glasklar gemischten Sound. Und dann steht man beim abschließenden „Marquee Moon“ vor einer Frage von ethischer Tragweite: Darf ein Gitarrist ein Solo, das eigentlich eine Komposition und also integraler Bestandteil eines Songs ist. einfach mal so völlig abändern?Äh. schon gut: Selbstverständlich darf er. Aber ein bisschen schade ist es schon. Ansonsten: tiefste Verneigung.