Gib dir Faust beim Rap, geh‘ auf den Ball mit Taylor Swift: Die Popwoche im Überblick
In unserer Popkolumne präsentiert Linus Volkmann im Wechsel mit Julia Lorenz die High- und Lowlights der Woche. Welche Künstler, welche Songs, welche Skandale lohnen sich (nicht) – und was war sonst noch so los? Die neue Folge zur KW 34 setzt auf Taylor Swift, Fußballgolf und Prügeleien. Dazu gibt's noch aufs Maul beim Battle Rap. Wer mehr von der aktuellen Popwoche verlangt, muss wahnsinnig sein!
LOGBUCH: KALENDERWOCHE 34/2019
Kennt Ihr Golf? Kennt Ihr Fußball? Ich habe diese Woche etwas gespielt, das nennt sich Fußballgolf und ist exakt so, wie man es sich vorstellt: Bälle auf einem flächigen Minigolf-Kurs in Löcher schießen. Sehr schön, allerdings verbunden mit der Selbsterkenntnis, dass man doch gar nicht gleichzeitig hart UND präzise gegen einen Ball treten kann. Viel Zeit verbrachten meine Freunde und ich daher in den Büschen, wo wir die Bälle suchten. Die dritte Halbzeit wurde so auch nicht die normale Schlägerei, sondern wir haben uns nackt gegenseitig nach Zecken abgesucht. Muss man machen!
AUFS MAUL DER WOCHE: Mars B vs. Seva
Battle Rap, ja, was ist Battle Rap, liebe Musikexpress-Studienräte? Also: Das bedeutet, dass sich zwei Leute auf der Bühne abwechselnd beleidigen. Am populärsten sind die A-capella-Battles, da geschieht das ohne Beat und mitunter verschwimmt hier die Grenze zu Poetry Slam oder gar zu Comedy. Gemeinhin ist das Battle aber ein Ort pulsierenden Testosterons (fast keine Frauen in dem Game, klar), in dem ein Gegner verbal ausgeknockt werden soll. Alles ist dabei erlaubt, je verletzender die Worte, desto besser. Okay, das N-Wort fällt nicht, aber ansonsten funktioniert die Abwertung hauptsächlich dadurch, den Opponenten als schwul, weiblich, behindert etc. zu „diffamieren“ und in endlosen Lines Vergewaltigungsphantasien hinsichtlich dessen Mutter aufzusagen. Zweifelhafter „Sport“, aber in den bestehenden Ligen (in Deutschland sind mir drei bekannt) hält man sich immer gern an dem Kunstbegriff, dem Lyrischen Ich und der uneigentlichen Sprache fest. Ist doch nur Rap! Also alles nicht so gemeint – obwohl „Real Talk“ (also wenn wirkliche Dinge über den anderen Rapper geoutet werden) eine der schärfsten Waffen darstellt.
Zuletzt bricht in Hamburg beim DLTLLY (Don’t let the label label you) dieser Konsens. Der Rapper Mars B sieht sich bei seinem Battle gegen Tobi High provoziert durch einen unliebsamen anderen Musiker, der im Publikum stand. Dann fliegen die Fäuste. Nach diesem Eklat wird die Veranstaltung nicht abgebrochen, sondern einfach weiter durchgezogen. Dass Worte sehr wohl auch zu Taten werden – nicht nur auf die Akteure, sondern auch auf die Crowd bezogen – ist ein Tabu im Battle Rap. Dementsprechend leise und passiv verhalten sich aktuell auch die in Deutschland ohnehin übertrieben affirmativen HipHop-Medien. Lieber aussitzen als reflektieren. Schade. Wenn das Eure Mütter wüssten!
SENDUNG DER WOCHE: DLTLLY-RapBattle
Friends, ich habe gar nichts Aufregendes gesehen aktuell, verzeiht mir. Darf ich Euch daher einfach für das Battle-Rap-Video aus dem Abschnitt vor diesem hier interessieren? Ja? Dachte ich mir!
MEME DER WOCHE
PLATTE DER WOCHE: Taylor Swifts „LOVER“
Liebe Indie-Supernerds, die Ihr Euch die Tage möglicherweise auf die bandcamp-only Instrumental-Solo-Platte des dritten Live-Geigers von Arcade Fire auf dem Mini-Label seines Cousins gefreut habt: Diese Woche müssen wir alle etwas größer denken! Taylor Swift ist back im Honigtopf – und bietet mit LOVER ein Album an, das hörbar abrückt von der vorherigen Veröffentlichung. REPUTATION hatte sich etwas spezieller und damit auch etwas weniger kommerziell ausgemacht, nun aber wird wieder der eigene Markenkern abgeleckt. Und das bedeutet: leicht darker Pop in Großbuchstaben und mit Rufzeichen, also quasi P!O!P!
Wer Radio oder Pop-Playlists die nächsten Wochen und Monate hört, wird diesen Songs ohnehin begegnen, deshalb stattdessen hier ein Auszug aus der „Family Guy“-Folge, die sich um sie dreht. Wobei Taylor Swift im amerikanischen Original ihrem Comic-Alter-Ego allerdings nicht die Stimme lieh.
VIDEO DER WOCHE: „Frustration“ von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen
Diese Woche erscheint auch das neue Album von Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen mit dem Titel „Fuck Dance, Let’s Art!“, der bereits geil klingt, selbst wenn man nicht weiß, dass es mal eine Band beim Label Audiolith gab, die hieß: Fuck Art, Let’s Dance!
Anyway, es existieren schon weitere Clips zu dieser Platte, aber mein Favorit ist dieser hier: „Frustration“. Genialisch einfacher Text, hohes Identifikationspotenzial und dann noch Bernd Begemann mit einem Cameo-Auftritt an der Schwelle zu Pan Tau. Besser wird’s nicht in der Post-Hamburger-Schule.
DER VERHASSTE KLASSIKER: Quentin Tarantino
„Hast Du den neuen Quentin Tarantino schon gesehen?“ Auf diese von den Goldenen Zitronen in einem Song ironisch und gekünstelt gestellte Frage, kannte auch ich über lange Jahre nur eine Antwort: „Ja, natürlich!“
Heute allerdings quittiere ich derartige Auskunftsbitten mit dem genauen Gegenteil.
Lebenszeit wächst nicht auf Bäumen und ich empfinde es allgemein von Regisseuren ziemlich anmaßend, wenn ihre Werke per se über zwei Stunden gehen müssen. Ist halt alles so episch – nun, aber meist eben ausschließlich von der Laufzeit her. Versteht mich nicht falsch, wenn es geil ist, dann soll es meinetwegen ewig gehen, aber bitte, so Sachen wie Sachen „Django Unchained“… Sorry, diese Erzählung hätte auch auf dem Sandmännchen-Sendeplatz noch Längen gehabt.
Die fortschreitende Ödnis von Tarantino-Filmen will man als abgehängter 90er-Jahre Cineast natürlich kompensieren. Dazu wird eine stumpfe Waffe unterm Bett rausgekramt. Nämlich die völlig abwegige Behauptung, Tarantino-Filme seien immer noch der Maßstab von cool: Wow, seine Bildersprache! Hey, die ganze Referenz-Huberei! Hallo na, diese Schauspieler, die er immer wieder aus dem Hut zaubert!
Okay, ich sag Euch jetzt mal was: Es ist einfach vorbei. Und nicht erst seit eben. Tarantino-Filme sind Selbstzitate mit mehr Längen als die jährliche Überlandfahrt zum Melt. Der einst gefeierte, bewunderte und gebitete Style ist mittlerweile so schematisch, dass er jede emotionale Bindung an die ohnehin ewig gleichen abgewichst kauzigen Figuren verstellt. Ganz ehrlich, wenn bei „Inglorious Basterds“ nicht Nazis gekillt worden wären, ich hätte mich im Kinosaal geritzt, ob dieses selbstverliebten Quark-Patchworks.
Oops, sehe gerade, beim Musikexpress gab es zuletzt eine Titelstory zu ihm? Und jetzt ganz frisch noch einen Artikel in Überlänge (klar) dazu, dass sein neuer Film (nicht gesehen, eher schieß ich mir ins Knie) der Film des Jahres sei… Ok, Tarantino ist scheinbar doch noch der Größte! Muss mich wohl geirrt haben. Ach, überhaupt könnt Ihr Euch noch erinnern an „Pulp Fiction“ mit John Travolta und diese Referenzen und die Bildersprache und alles andere? So wow!
– Linus Volkmann („Filmjournalist“)
Was bisher geschah? Hier alle Popkolumnentexte von Julia Lorenz und Linus Volkmann im Überblick.