„Tausend geile Sachen“


Durch einen nassen Herbsttag watet Jens Friebe in die ME-Büros. Immerhin wohnt der gern als Deutschlands einziger Popstar Bezeichnete gleich ums Eck. Nach einem Pfefferminztee zum Aufwärmen beginnt das heitere Liederraten.

Erdmöbel

„Auf und ab“

Jens Friebe: Ist das die Erdmöbel-Version von „Up & Down“ von den Vengaboys? Das höre ich zum ersten Mal.

Der Titelsong deines neuen Albums ABÄNDERN basiert auch auf „Up & Down“.

Ich habe von der Erdmöbel-Version erst erfahren, als meine Platte schon draußen war. Darüber bin ich ganz froh, denn hätte ich gewusst, dass das vor mir schon jemand gecovert hat, hätte ich den Song bestimmt nicht aufgenommen.

Terry Jacks

„Seasons In The Sun“

Das spielst du mir vor, weil es eine übersetzte Zeile aus dem Lied auf meiner Platte gibt?

Genau. „Bye, bye Michelle, es ist so schwer zu sterben, wenn die Vögel wiederkehren“ in „Charles de Gaulle“.

Ursprünglich wollte ich das ganze Lied übersetzen, aber dann erfuhr ich, dass das bereits Klaus Hoffmann gemacht hat. „Adieu Emile“ hieß das, eine weinselige Macker-Liedermacher-Nummer. Dann habe ich meine Pläne angeekelt ruhen lassen. Das Original ist zwar so abgenutzt wie „It’s Raining Men“, aber ich höre es immer komplett durch, wenn es im Radio läuft.

Modern Talking

„Atlantis Is Calling (SOS For Love)“

Auch davon gibt es eine Anspielung auf meinem Album: Die Zeile „Atlantis Is Calling: SS Alarm“ in „Verbotene Liebe“. Da habe ich mich vielleicht etwas verrechnet; ich glaubte, das Original sei so ein Lied, das jeder auf dem Schirm hat. Dass also jeder die Anspielung sofort kapieren würde. Aber von Modern Talking erinnert man sich nur an die Riesenhits, sodass mein Gag wohl nur bedingt kompatibel ist.

Was hat es denn mit diesem Gag auf sich?

„Verbotene Liebe“ behandelt schwule Nazimode. Viele Schwule bedienen sich ja rechter Dresscodes. „Atlantis Is Calling“ ist, von seiner Anmutung her, auch ein echt schwules Lied. Dazu dieser Null-Kunstanspruch, dieser unschuldige Ansatz, Kommerz machen zu wollen, dieser expressive Dadaismus – „Atlantis Is Calling“, da würde ich nie drauf kommen.

Gab es negative Reaktionen der Schwulenszene auf dein Lied?

Nee, die kennen mich ja. Ich bin deren Verbündeter (grinst schief).

Christiane Rösinger

„Berlin“

Wunderschön. Viele glauben, das sei ein Hasslied. Aber wer so denkt, der weiß nicht, wie es klingt, wenn Christiane hasst. Ich empfinde das Lied eher als Ode. Das Lied trifft zwar nicht ins Schwarze meines Berlin-Gefühls, aber ich mache mir auch nur selten Gedanken über Berlin als Gesamtkonzept.

Sonic Youth

„Youth Against Fascism“

Diese Band habe ich mit 15, 16 Jahren viel gehört. Meine Klassenkameraden standen auf Metal und Grunge und hänselten mich wegen meines Geschmacks. Sonic Youth haben mich als Künstler allerdings nicht übermäßig beeinflusst, da waren Bands wie The Wedding Present und They Might Be Giants wichtiger.

Die Ärzte

„Claudia hat ’nen Schäferhund“

Auch eine Band, von der es heißt, sie habe dich stark beeinflusst.

Ja, wobei dieser Song im Speziellen jetzt nicht unbedingt. Aber ich finde die Band natürlich extrem originell. Gerade diese Sachen aus ihren Anfangstagen, diese Mash-ups von Rockabilly und Punk, gemischt mit Texten wie „Teenagerliebe“, die Mädchen wirklich zum Weinen gebracht haben. Allerdings sind spätere Nummern wie „Rock’n’Roll Übermensch“ auch sehr besonders und sehr cool. Eine supererfolgreiche, in Sachen genereller kritischer Würdigung allerdings unterschätzte Band.

Warum wird niemand mit den Ärzten alt? Warum gewinnt diese Band immer nur die jeweils neue Generation Zwölfjähriger für sich?

Das ist deren Strategie. Die überlegen sich eben immer, was Zwölfjährige heute interessiert. Und das machen sie schon sehr gut.

Blumfeld

„Laß uns nicht von Sex reden“

(Spricht mit) Klassiker der neuen deutschen Rockgeschichte, wobei sie mir mit ihrer Schlagerplatte am nächsten waren.

Wie stehen deiner Meinung nach die Chancen für eine Blumfeld-Reunion?

Distelmeyer schätze ich nicht als jemanden ein, der auf Tour geht, nur um die alten Knaller zu spielen. Ich bin gespannt, wie er seine Solokarriere fortsetzt, aber ich brauche kein Blumfeld-Comeback.

David Bowie

„The Laughing Gnome“

Was ist das denn?

Eine ganz frühe Bowie-Single im Stil von „Das Lied der Schlümpfe“.

Erinnert mich an Divine Comedy. Ich steh‘ auf so hochgepitchte Stimmen, so albernen Schrott. Mit Bowie habe ich mich nie so umfassend wie mit den Beatles oder Elvis Costello beschäftigt, ich weiß aber gar nicht, warum. Der hat tausend geile Sachen gemacht. Allein HEROES. Auch vieles von den späteren Sachen, wie HEATHEN, ist großartig.

Hurts

„Confide In Me“

Hurts covern Kylie Minogue …

Viel besser als dieses „Wonderful Life“. Ich sollte für die „Intro“ über Hurts schreiben, aber mir sind die zu aufgeblasen. Grundsätzlich finde ich nichts verkehrt daran, wieder auf so schicke, kalte Wave-Ästhetik zu machen, aber diese Typen finde ich einfach uninteressant.

CD im ME 10/2010

Albumkritik ME 11/2010

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