Tanita Tikaram


Von den neuen Frauen, die eine plötzliche Marketing-Eruption aus den Tiefen der Joni Mitchell-Lücke emporschleuderte, ist sie die jüngste. Gerade mal volljährig, darf die sanfte Britin auf ihrer ersten Tour denn auch bei Publikum und Kritik den schützenden Babyspeck-Bonus beanspruchen. Den wird sie auch noch eine Weile brauchen, denn ihr momentan wichtigstes Kapital-eine dunkel-zarte Stimme, verpackt in den naiven Charme der Unprofessionalität – könnte sich schnell verbraucht haben. Das hat auch ihr Entdecker Rod Argem erkannt. Er sorgte dafür, daß Tanita nicht mehr, wie noch im Sommer fetzten Jahres bei einigen Test-Auftritten in britischen Volkshochschulen, alleine mit Gitarre auf der Bühne steht. Eine komplette Band entlastet den etwas fülligen Backfisch nun mit sporadischen Soli von Gitarre und Geige und bringt dringend notwendige Abwechslung in die eher düsteren Stimmungen ihrer Songs.

Aber wie Miet-Musiker nun mal so sind: Sie erledigen ihren Job und nicht mehr. So gehört es offensichtlich auch zu ihrem Job, der Chefin blind zu folgen, auch wenn Tanitas Timing-Probleme den

aktuellen Single-Hit „Good Tradition“ so weit beschleunigen, daß ihn auch die Dead Kennedys nicht schneller hätten spielen können.

Dafür kommt bei den meisten anderen Songs schon vor dem ersten Refrain der Sandmann. Den zähen Klageliedern von „Cathedral Song“ bis „Poor Cow“ merkt man sofort an, wie sie entstanden: auf der Bettkante einer enttäuschten Mädchenliebe, nur wenige Monate nachdem sich der Clearasil-Duft aus dem Jugendzimmer verzogen hat. Entsprechend postpubertär auch die allermeisten Texte. „Hot Pork Sandwiches“ (übersetzt: „Heiße Schinkensemmeln“) kündigt sie als „einen Song über meinen Ex-Freund“ an. Sie spielt und singt voller Inbrunst mit geschlossenen Augen. Schlauer in Sachen Ex-Lover ist man hinterher aber leider auch nicht.

Trotzdem: Irgendwie bleibt es spannend, denn ihr innerer Kampf zwischen zerbrechlicher Gefühligkeit und altkluger Peinlichkeit hält einen bis zum Schluß bei der Stange. Und bekanntlich sind es ja die Narren und Kinder, die uns die Wahrheit sagen.