Tangerine Dream – Frankfurt/Main-Hoechst, Jahrhunderthalle
Beethovens Fünfte läuft leise aber unverkennbar über die Gruppen-PA. Als Einstimmung auf ein Kulturprogramm der modernen Klassik? Oder klassischen Moderne? In einer Bühnenlandschaft aus einer großflächigen transparenten Vorhangskonstruktion präsentieren Edgar Froese, Chris Franke und Johannes Schmölling inmitten ihrer Cockpit- und Computer-Elektronik, abgeschirmt vom Publikum durch ein Riesending von Moskitonetz, in einer Lichtdramaturgie á la Faßbinders Alexanderplatz TANGRAM und Ausschnitte aus anderen TD-Werken.
Sie zelebrieren einen gekonnten Einstieg, ziehen die Spannungskurve langsam an/hoch, kommen über Passagen scheinbarer Statik, fast romantischer Klanggebilde hin zu konkreter, harter Rhythmik, der Gegenüberstellung programmierter, akustischer Schlagzeugspuren und synthetischer Sequencerrhythmik, deren kurzfristiger Verschmelzung. Melodiepassagen, oft mehrstimmig, und Soli kommen soft-zart; Klangvorstellung: Oboe-, Fagott-, Flöten-Irnitat… Doch wann immer die Harmonie zu harmonisch zu geraten droht, wird abrupt eine Disharmonie dagegen gestellt, baut sich kurzfristig ein angedeutetes Chaos auf, das jedoch nie zur wirklichen Soundfolter gerät. Zudem es einmal (im ersten Set) eine Auflösung in Schmöllings Pianosolo mit klassischen und impressionistischen Anklängen erfahrt, angereichert mit Soundeffekten, ein anderes Mal in Froeses elegische Oldfield-nahe Melodiegitarre mündet, mit einem allzu krassen Ende in Heavy-Metal-Tradition indes.
Der Piano- und Gitarrenausflug bleiben die einzigen Momente, denen ein Hauch von Improvisation anhaftet. Ansonsten bleibt nichts dem Zufall überlassen, alles ist bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Und das Publikum? Das macht es sich weit einfacher. Die Techno-Freaks z. B. erfreuen sich noch immer an den vielen Knöpfchen und den bunt blinkenden Lämpchen. Die Hobby-Astronomen/Astronauten verstehen die Musik der Tangs noch immer als Space-Opera. Und wieder andere interpretieren die Musik als Soundtrack zum Tütenbasteln! Originalzitat eines Nachbarn: „Reggae und Elektronik eignen sich am besten, um ’nen Joint zu rauchen.“ P.S.: Eine Kommunikation findet nicht statt.