Talking heads u.a. – 1. Internationale Jazz-Tage Köln, Tanzbrunnen


Die Stadt Köln trat an, ihre verlorene Reputation als .zweite Jazz-Metropole neben Berlin“ zurückzuerobern. .Das Gürzenich -Orchester und die weitbekannten Chöre“, so OB Bürger, habe man ja schon. Wie war’s also mal mit etwas Jazz (oder was darunter verstanden wurde) und dem Bürgermeister als Schirmherrn? Bitte sehr: die 1. Internationalen Jazz-Tage Köln ’82.

Am ersten der beiden Tage vermochte auch ein so beflissener Moderator wie Alfred Biolek nicht das als Jazz zu verkaufen, was nun einmal keiner war: nicht Vollenweider und nicht Jimmy Cliff, nicht die Talking Heads und schon gar nicht der Tom Tom Club. Die Auswahl hatte zwar Niveau, wer jedoch vom Zufall diktiert und hatte mit lazz – wie immer man den Begriff auslegt – wenig zu tun.

Rund 5000 Leute hatten sich am Tanzbrunnen eingefunden, einem großzügigen Areal direkt am Rheinpark. Der Rasta-Mützen zahlte man nur wenige, und die Reggae-Fans hatten allen Grund, nach dem Auftritt Jimmy Cliffs ihre Insigmen endgültig einzumotten. Der einstige Promoter karibischer Lebensfreude bescherte uns einen kraft- und lustlosen Anblick; mit Sprüchen wie „We’re all livin ‚in the ghetto“ bringt man sein Publikum nicht mehr zur Verzückung.

Jene Sympathien, die sich Jimmy Cliff Stück um Stück verspielte, summierten sich am späteren Abend dann zugunsten des Tom Tom Clubs und der Talking Heads. Die Umbaupause geriet etwas lang, und es blieb die Zeit für ein kurzes Gespräch. “ Wir sind derzeit viel glücklicher als noch vor einem Jahr“, erzählte Tina Weymouth und sprach damit gewiß nicht nur für Ehemann Chris Frantz und sich selbst, obwohl die Zwei einer besonderen Freude entgegensehen: Tina ist schwanger. Noch vor wenigen Monaten dachte der Tom Tom Club gar nicht an Auftritte, und nun stand ausgerechnet sie zweimal am Abend auf der Bühne.

Vom ersten Ton an traf der TTC die Wellenlänge des Publikums, hieb genau in die Kerbe, die Jimmy Cliff zuvor verborgen blieb. Und als weiterer Bonus kam der Band die plakative Einfachheit ihrer Songs zugute. Ob man ihr Debütalbum nun kannte oder nicht, blieb bedeutungslos. Die drei Weymouth-Schwestern im Vordergrund, in Strumpfhosen und Miniröcken, schüchtern, lieb und charmant; Tyrone Downie, der Ex-Wailer, neben ihnen – und als weiterer Schwarzer Steve Scales, der herausragende Percussion-Einlagen zauberte, beim TTC ebenso wie anschließend bei den Talking Heads. Ihr Auftritt jedoch war kurz, sehr kurz sogar, aber durch seine Klasse gleichermaßen eindrucksvoll.

Dann eine erneute Pause, nicht sehr lang. Chris, Tina und Steve kehrten auf die Bühne zurück, dann Jerry Harrison und David Byrne, Dolette McDonald und Raymond Jones (ex-Chic). Die Talking Heads zündeten gleich mit „Psycho Killer“. In Sachen Vitalität und Spielfreude wollten sie dem TTC in nichts nachstehen. Sie boten – wie bei dieser Besetzung zu erwarten – viel Rhythmus und ausgefeilte Arrangements. Die Band funktionierte als Ganzes; die Dominanz einzelner bzw. eine hierarchische Rollenverteilung fanden nicht statt.

Herausragende Stücke zu benennen, fällt schwer. „Houses In Motion“ erklang als vierter oder fünfter Song und gehörte zu meinen Favoriten. Byrne’s Stimme setzte die Zäsuren, an denen man sich orientieren mochte, ließ aber Raum für eine freie musikalische Kontemplation. „Take Me To The River“ geriet zu einem wohl zehnminütigen All-Star-Vergnügen. Während der Zugabe kamen auch Tyrone Downie und die Weymouth-Mädchen zurück auf die Bühne.

Von der einmaligen Harmonie, die unter den beiden Bands herrscht und eingangs von Tina angesprochen wurde, profitierte an diesem Abend auch das Publikum. Lange nicht hat eine Band ihren Applaus so verdient. Und lange nicht hat man so vielen Musikern derselben Provenienz bedenkenlos so viel Respekt zollen dürfen. Mir persönlich fiel an jenem Abend ein kleiner Stein vom Herzen. Solange TTC & TH zu den Gruppen der 80er Jahre gehören, verringert sich meine Sorge um die künftige musikalische Entwicklung.