SWF 3 New Pop Festival


Janis Joplin wußte schon vor einem Vierteljahrhundert ganz genau, worauf es ankommt: „Oh Lord, won’t you buy me a Mercedes-Benz“, besang sie augenzwinkernd ihre kühnsten Träume, jetzt, am Ende des 20. Jahrhunderts, ist der Stuttgarter Autobauer mit dem Popsender aus Baden-Baden eine umsatzfördernde Liaison eingegangen. ‚SWF 3 New Pop Festival‘ heißt das gemeinsame Projekt, das nun zum dritten Mal in Baden-Baden, erstmals aber auch in der Rastatter Montagehalle und unter dem Zeichen des „guten Sterns“ stattgefunden hat. Den wiederum pappt sich SWF 3-Chefplauderer Elmar Hörig auch schon mal respektlos auf die Stirn, wenn er in der „Festival Lounge“ des Mittags acht der zehn Bands aus England und den USA, die an drei Tagen vor insgesamt über 16.000 Besuchern auftreten, auf gewohnt forsche Art interviewt. Nur Kula Shaker und die Fugees wollen sich Dialoge vom Typ „Bist Du verheiratet?“, „Nein“ lieber ersparen. Viel ist möglich, lachtechnisch gesehen. „Alles ist möglich“, beantwortet SWF 3-Programmchef Peter Stockinger die Frage nach dem musikalischen Trend salomonisch. Recht hat er, wurde doch die Brit-Pop-Fraktion durch die kurzfristige Absage von Ocean Colour Scene (Gitarrist erkrankt) daran gehindert, das stimmungsvolle Fest zum „Beatles Sound-A-Like Contest“ umzufunktionieren: Allein die Bluetones und Kula Shaker vertraten den Brit-Pop in Baden-Baden. Erstere haben das heimliche Abhören von Papas Beatles-Platten offenbar als eine sehr ruchlose Angelegenheit empfunden, wenn man die mürrischen Blicke ihres Sängers Mark Morris richtig interpretiert. Ihre hübsch harmonierenden Liedchen im Gitarrengewand sprechen dann aber doch eine eher harmlose Sprache.

Und Kula Shaker sind scheinbar nicht allzugut aufgelegt. Mit einer lärmenden Gitarrenwolke beginnt ihr Auftritt, und fortan versucht Bandchef Crispian eine knappe Stunde lang mit muffig aufgesetzter Rotzbubenattitüde und abschweifenden Gitarrensoli über die musikalischen Wurzeln seiner Truppe hinwegzutäuschen. Erfolglos. Denn Kula Shaker sind kurioserweise immer dann am besten, wenn die Beatles durchklingen. Weil aber Pilzkopf-Frisur, aufmüpfiges Stargehabe und schlampig geschrubbte Lärmpassagen allein noch keine gute Liveband auszeichnen, will gar kein Funke ins erwartungsfrohe Publikum überspringen. Deshalb ist es auch nicht weiter tragisch, daß Kula Shaker als einzige Band ihre Stunde Spielzeit nicht voll ausnutzen. Die Zuschauer hätten ohnehin lieber mehr von den bis dato unbekannten Elektropoppern Olive gehört. Die als Notnagel für Ocean Colour Scene eingesprungene Band um Ex-Simply-Red-Keyboarder Tim Kellet fesselt mit luftigleichter Musik auf dem neuesten Stand der Elektro-Technik, und Sängerin Ruth Anne haucht den transzendentalen Klängen Seele ein. Eine echte Entdeckung. Zwei weitere Vertreter der Elektro-Innung überzeugen ebenfalls mit einer von Keyboardschwaden umnebelten Frauenstimme: Moloko bringen mit viel Baß Nasenflügel und Mauern zum Beben. Frontfrau Rosin Murphy bezieht wie kaum eine Zweite den Ort des Geschehens in ihre avantgardistisch-laszive Soloshow ein — Theater-Trip-Hop, bei dem man gar ins Surreale entschweben möchte, würden nicht die Bässe für eine unüberwindbare Bodenhaftung sorgen. Dreadzone hingegen setzen auf Rhythmus pur und degradieren in ihrer Bühnenshow den „Gegenstand Musikinstrument“ vollends zum dekorativen aber jederzeit entbehrlichen Accessoire. Daß aber schlichter, folkig-verzierter Pop-Rock noch längst nicht ausgedient hat, beweisen Deep Blue Something (denen aber ein zweites Ohrwurm-Stück der Art ‚Breakfast At Tiffany’s‘ fehlt) und vor allem Patti Rothberg. Die 24jährige New Yorkerin paart lyrische Direktheit mit musikalischer Lebendigkeit. Schlaufüchse wie Rollo, der Mann hinter Faithless, verfolgen eine ganz andere Erfolgsstrategie. Er will’s allen recht machen und schüttelt deshalb alle möglichen Stile munter durcheinander: Ein schmachtender Hippie-Barde trifft auf einen gestandenen Rapper und glockenheller Soulgesang trifft auf fetten HipHop-Beat.

Und daß die Fugees ihr Rentenfinanzierungskonzept für alternde Popstars auch beim SWF 3-Festival vorgestellt haben, muß der Vollständigkeit halber wohl erwähnt werden. Schön, daß die Fugees Song-Klassiker wieder ausgegraben haben, schön, daß die Tantiemen sprudeln. Noch schöner wäre es allerdings, wenn sie mit den Nummern mehr anzufangen wüßten, als sie mit saftigen HipHop-Beats zu unterlegen.