Supertramp – Tanz auf dem Hochseil


Mit ein paar Jahren Verspätung – das Meisterwerk „Crime Of The Century“ erschien immerhin schon 1974 – ist Supertramp im Sommer dieses Jahres aufgerückt in den Kreis der in Deutschland erfolgreichsten Rockgruppen. Die Plattenumsätze der britischen Band, deren Werdegang der Musik Express im September-Heft ausführlich beschrieben hatte, steigen hierzulande seit einigen Monaten rapide an; die erste Gold-LP aus der Bundesrepublik können die Supertramp-Musiker vielleicht schon Anfang 1978 kassieren. Eine runde Sache war auch die jüngste Tournee der fünfköpfigen Gruppe: Zu neun Gastspielen zwischen Hamburg und München kamen insgesamt 50000 Leute, also im Schnitt fast 6000 zu jedem Auftritt!

Supertramps Konzerte gleichen einem gewagten Tanz auf dem Hochseil. Die komplexen Klangbilder und collageartigen Songs der drei Alben „Crime Of The Century“, „Crisis? What Crisis?“ und „Even In The Quietest Moments“ können nur Rockmusiker live präsentieren, die handwerklich perfekt sind und es verstehen, mit äußerster Konzentration zu spielen. Dieser Zwang zur Perfektion kann die Musik aber immer leicht kippen lassen – hin zum sterilen, kalten, kalkulierten Technokraten-Rock. Gefeit gegen diese Gefahr ist Supertramp nicht: die pathetische „Fool’s Ouvertüre“ schien beim Konzert der Band in Hamburg in eine keimfreie Plastikhülle verpackt zu sein. Ähnlich sah es bei einigen anderen Titeln aus, die schlicht den Eindruck hinterließen, daß man Supertramp trotz der exzellenten, aber zumindest in Hamburg nicht immer sauber ausgesteuerten Bühnen-Anlage zu Hause als Plattenkonserve besser genießen kann.

Verallgemeinern darf man solche Eindrücke allerdings nicht. Denn da gab es in der Mitte des Auftritts auch jenes lange Stück, in dem Keyboard-Mann Rick Davies sich in einen wahren Spielrausch hineinsteigerte und am Piano improvisierte, bis seine Finger qualmten. Da gab es die intelligenten, wärmenden Saxophon-Phrasen von John Helliwell und hin und wieder anheizende Passagen von Drummer Bob C. Benberg: Supertramp setzte gegen den schleichenden Trend zur emotionslosen Perfektion häufig Spielfreude, und auf diesem Weg wird die Gruppe hoffentlich in Zukunft weiter vordringen.

Ein wenig zwielichtig wirkten auch die optischen Aspekte des Auftritts. Baßmann Doug Thompson mühte sich ab, Action zu verbreiten, war mit seinen Hampelbewegungen zwischen seinen meist ruhig ihr Instrument bedienenden Kollegen indes fehl am Platze. Der Trumpf am Ende des Konzertes – die Diafolgen zur Musik von „Fool’s Ouvertüre“ – stach nicht, weil die Bilder nur aufgesetzte und stellenweise banale Assoziationen wecken konnten. Meisterhaft war allein der Film, der zur Zugabe „Crime Of The Century“ lief: Szenen aus dem Weltall, treibende Sonnen, und am Ende ein kleiner Punkt im Hintergrund, der immer weiter nach vorne driftet, sich als das von Händen umklammerte Gitter vom Cover der dritten Supertramp-LP entpuppt, immer größer wird und am Ende die riesige Leinwand ganz beherrscht – parallel zum monumentalen Schluß des Musikstücks. Ein guter Show-Effekt, ohne Zweifel; nur war er auch schon der Höhepunkt der Supertramp-Konzerte vor knapp zwei Jahren.