Supertramp in Amerika


Supertramp in Concert. Das ist nach wie vor kein normales Rock-Konzert mit Laserkanonen, Trockeneis und Fans, die auf den Stühlen stehen. Da schreit keiner „Clap your hands!“ Von den Akteuren auf der Bühne ganz zu schweigen. Zu einem Konzert von Supertramp zu gehen, das ist, wie wenn man seine/n Freund/in in die Oper ausführt. Hier hat alles seine Ordnung, vom Bühnenaufbau bis zum exakt justierten Scheinwerfer. Sogar der Programmablauf ist keinem Zufall überlassen. Die Spontaneität bleibt zu Hause; hinter den Kulissen sitzen die Akteure am Reißbrett mit Zirkel, Lineal und Taschenrechner. Das hört sich schlimm an, ist aber so gut konzipiert, daß selbst die letzte Reihe nach einem Supertramp-Konzert in die Plattenläden eilt. Die Nachfrage scheint keine Grenzen zu kennen. Supertramp -Konzerte und ST-Platten sind mittlerweile weltweit zu Millionenprojekten geworden, sind in Inhalt und Ablauf so ziemlich das Perfekteste, was Rockmusik derzeit zu bieten hat.

Das Fabulous Forum in Los Angeles faßt etwa 15.000 Nasen. Wie so eine Sportarena gebaut ist, dürfte jedem bekannt sein: Kalt, steril und nur Beton. Supertramp hatten Kaliforniens Rockfreunde zum (abendlichen) Frühstück geladen. Und weil ein Tag nicht ausreichte, gab’s am nächsten Tag noch ein zweites Frühstück. Für Supertramp war es ein Heimspiel, den Roger Hodgson, Rick Davies, John Helliwell, Dougie Thomson und Bob C. Benberg sind seit knapp zwei Jahren offizielle Einwohner von Los Angeles.

Beide Shows sind seit vier Wochen total ausverkauft. Es scheint, als ob alle 14-40jährigen ihren schönsten Fummel aus dem Schrank gegraben haben, um wirklich in die Oper zu gehen. Die Bühne ist geschlossen, mit echtem Samtvorhang. Mit den Mundharmonikaklängen von „School“ öffnet sich der Vorhang und gibt Einblick von allen Seiten auf die fast rund angelegte Bühne. Gleich bei den ersten Takten wird klar, daß dies ein Konzertereignis allererster Güte werden wird. Vom Sound bis zum Licht ist alles überperfekt eingestellt. Schon allein der schlichte optische Eindruck ist sein Geld wert. Ein Queen-Konzert würde dagegen wie eine banale Gimmick-Show wirken. Hier sind Klasse und Stil angesagt. Und damit die Amis gleich auf Touren kommen, ist als zweites schon der „Logical Song“ dran, Supertramps derzeitige Hit-Hymne. Roger Hodgson singt wie ein Engelchen, keine Fehler, keine Ausrutscher, eben wie die Platte, bloß mit Publikum. Schöne Musik mit viel Licht.

Auch bei den Showeffekten kommt jeder auf seine Kosten. Effekt Nummer eins ist die liebliche Miss Libby, die auf dem letzten Supertramp-Albumcover das amerikanische Frühstück serviert. „I am Supertramps Covergirl“, jubelt sie. John Helliwell bewegt sich auf der Bühne ständig von einem Instrument zum anderen, mit Lampenfieber und Selbstbewußtsein zugleich. Den Background-Chor stellt er verlegen als seine Freunde Alice Cooper, Peter Frampton, Gene Simmons und Elton John vor. Sind sie’s oder sind sie’s nicht? Die Amis recken die Hälse. Die Frage wird sie noch tagelang beschäftigen. Während Supertramp „Child Of Vision“

spielt, läuft auf der Hinterbühne ein alter Pausenfüllerfilm der BBC von einer Zugfahrt im Zeitraffer. Der Effekt ist atemberaubend. Das Publikum fährt in einem Klangmeer mit. Sogar in den leisesten Momenten kommt der klitzekleinste Ton ganz hinten an. Und von Sterilität merkt man eigentlich nicht viel. Das zweieinhalbstündige Konzert endet mit einem überdimensionalen Close des „Crime Of The Century“-Motivs. 15.000 Leute nehmen viele Eindrücke mit nach Hause. Als ob’s die Oper gewesen wäre… Wolfgang Freund Woher kommt der riesige Erfolg, den Supertramp inzwischenweltweit, am spektakulärsten aber in den USA verbuchen kann? Eine Rolle, spielt sicherlich der unverwechselbare Sound, den die Band in jahrelanger Arbeit herausgebildet hat. „Der Sound kam eigentlich von ganz allein durch die Charaktere der Leute, die mitspielten, wie immer bei Musik,“ meint dazu nach dem kalifornischen Konzert Rick Davies. „Wir haben den Sound aber nicht konstruiert, sondern instinktiv geplant.“

Den entscheidenden Grund zum großen Durchbruch in den USA ortet Rick allerdings woanders: „Unser Erfolg hier in den Staaten kommt hauptsächlich durch Arbeit, pure Knochenarbeit. Wir haben gespielt und gespielt. Irgendwann mußte der Knoten ja platzen. Ja, und dann kam „Breakfast In America“‚. Allerdings gibt Rick zu, daß die Gruppe die neue LP sehr stark auf den US-Markt zugeschnitten habe; die Songs seien unmittelbarer,ein „zupackendes Ding, das die Amerikaner schnell auffassen können.“

Breakfast ist denn auch deutlich die amerikanischste aller ST-Alben. Kein Wunder: seit 2 oder 3 Jahren wohnen alle Musiker schon in L.A., im ehemaligen Hippietal Topanga Canyon und im fashionablen Santa Monica. Ziemlich lange habe es gedauert, bis sie sich in L.A. zurechtgefunden hätten. „Eine seltsame Stadt, aber mit der Zeit lernst Du, sie zu mögen. Und hier sind einfach die Möglichkeiten für die Musik größer.“

Färbt Amerika denn schon deutlich auf die Musiker ab? „Das,“ so Rick, „glaube ich nicht; es würde bestimmt Jahre dauern, bis sich musikalisch Grundlegendes ändert. Die Gruppe besteht seit über 10 Jahren, in der jetzigen Besetzung seit über sechs, und sie ist in sich sehr geschlossen.“

Wie sieht Rick Davies die musikalische Weiterentwicklung? „Ach weißt du, das wissen wir wirklich nicht so genau. Die letzte LP hat uns sehr viel Zeit gekostet – Aufnehmen, Mischen, Überarbeiten und jetzt die Tour. Das nimmt einen doch unheimlich in Anspruch. Aber zum ersten Mal nehme ich dieses Mal ein kleines Piano mit auf Tour, auf dem ich in meiner freien Zeit arbeiten kann. Irgendwann kommt dann hoffentlich eine Idee, wohin es weitergehen soll.“