Supercharge – München, Drehleier
Es gibt nicht immer eine Gelegenheit, sich bei der Redaktion zu revanchieren, wenn sie einen auf eine unbekannte Gruppe ansetzt. Also hier mal ein Kompliment an Tom Hospelt, denn er hat mich animiert, in die Münchener Musikkneipe zu gehen, wo am 13. April vor halbleerem Saal und dann nochmal Ostern vor vollem Haus Supercharge bewies, daß eine Plattenaufnahme ein müder Aufguß sein kann, wenn live alles stimmt. Die Londoner Rhythm’n’Blues-Soul-Formation mit dem glatzköpfigen, vollbärtigen Saxophonisten Albie Donelly an der Spitze ist eine rare Spezies von Band – sie spielt verschwenderisch mit ihrer Energie und bringt mit vierstimmigem Bläsersatz und dem rauhen Gesang von Andrew Parker jedes abgelaschte Publikum ins Schwitzen. Verblüffend dabei: wie gut die meisten Bläser die Emphase schwarzen Soul-Brass-Sound mit eigenen Titeln nachempfinden oder satt die rhythmische Rasanz ihres Blues-Revival-Materials steigern. Die Musik besitzt einen leichten NW-Touch und klingt nicht ganz so elegant wie das Blech aus Muscle Shoals. Aber es trifft den Nerv von Leuten, die in Negermusik vernarrt sind. Überzeugend: Alles, was die Gruppe spielt, bekommt im Arrangement mit Posaune (Steve Crane), Trompete (Mike Crane), zwei Saxophonen (Donelley und Parker), Gitarre (Phil Loughran), Baß (Paul Ambrosius) und Drums (Dave Hormbrey) einen fetzigen, bluesigen Supercharge-Charakter. Fazit: Zur Zeit eine der besten Tanzcombos in Europa.