Suede
Es steht schlecht um britische Bands. Als hätte es noch eines letzten Belegs dafür bedurft, baten Suede (und zuvor die Manie Street Preachers) in einen Berliner Saal von der Größe eines durchschnittlichen Schuhkartons – auf der Insel füllen beide Bands große Hallen.
Immerhin: Huxley’s Hinterstübchen ist an diesem Abend restlos ausverkauft. Drinnen gibt’s (Grunge kann schließlich jeder) waschechten Brit-Rock. Zunächst von Ober-Preacher James Dean Bradfield. Aber eigentlich sind alle gekommen, um Suede zu sehen. Ober besser: deren Frontmann. Als Brett Anderson endlich die Bühne betritt, wird sein Erscheinen von Ohnmachtsanfällen, grellen Schreien des Entzückens und von verzweifelt ausgestreckten Händen begleitet. Angehimmelt und von schwitzigen Händen begrabscht, zelebriert Anderson den Suede-Auftritt als Personality-Show. Hüftwackelnd und mit Wasserbechern werfend inszeniert er Songs wie ‚Heroine‘ und ‚So Young‘, die auf Platte zuweilen steril und überkandidelt wirken, als knallige Rock-Nummern.
Ohne Zuckerglasur und auf die klassische Rock-Besetzung reduziert, sind die in England so heftig gehypten Helden vom Gestus einer normalen Working-Class-Band gar nicht so weit entfernt. Dennoch: Anderson, wie gewohnt im nabelfreien Leibchen, verströmt bei jeder einzelnen Silbe das Pathos einer ganzen Grabrede. Dabei sucht er immer wieder Körperkontakt, kniet sich in das Knäuel der ausgestreckten Arme oder hockt in Griffweite auf einer der Monitorboxen. Ist er unterwegs, stolziert Anderson über die winzige Bühne, als handele es sich dabei mindestens um die Wembley-Arena. Am Ende hinterlassen Suede Ohnmächtige und euphorische Begeisterung. So schlecht, wie immer behauptet wird, kann es um die britischen Bands also gar nicht bestellt sein.