Sturm & Drang & Rock’n’Roll
Perfektionist mit gebrochener Stimme: Moneybrother entdeckt die Geigen und tritt wahre Gefühlslawinen los.
Beethoven hat mal gesagt: „Die Musik, die ich spiele, ist nichts im Vergleich mit der Musik, die ich in meinem Kopf höre.“ Pflichtgemäß hebt Anders Wendin die Hände: „Ich will mich nicht mit ihm vergleichen, aber ich kenne das Problem.“ Wendin, Künstlername Moneybrother, weiß um die leiden des Perfektionisten. „Nachts träume ich von Musik, die perfekt ist. Wenn ich aufwache, versuche ich, sie in die Tat umzusetzen. Mit dem Computer ist das vielleicht einfach, aber ich spiele Rock’n ‚Roll, das ist viel schwerer. Immerhin gibt es ein paar perfekte Sekunden auf dem neuen Album“, untertreibt er mit versonnenem Lächeln. „Ich versuche, Harmonien und Texte zu schreiben, die größer sind als das Lehen. Vielleicht gelingt mir das nicht, aber du kannst in jedem Song den Kampf hören, viel zu wollen und leicht danebenzuliegen. Manchmal entsteht so große Schönheit.“
Anders (gesprochen: „Andersch“) ist ein Besessener, der sich einen Dreck um Trends, Moden und Coolness schert. Mit seinem Debüt BLOOD PANIC (2003) hat der Schwede ein eigenwilliges Soul-Reggae-Album abgeliefert, das in einschlägigen Zirkeln begrüßt wurde wie Wasser in der Wüste. Mit dem zweiten Album geht er volles Risiko: TO DIE ALONE setzt auf wahre Streicherfluten. „Während BLOOD PANIC sich an Bob Marleys NATTY DREAD orientierte, lasse ich mich diesmal vom Roy Orbison der späten 60er leiten „, verrät er. „Dieses Mal hatten wir genug Geld. Wir wollten ein volles Orchester- und bekamen es.“ Moneybrother folgt nur seinen eigenen musikalischen Visionen. Sagt er „wir“, meint er den finnischstämmigen Produzenten/Gitarristen Jari Haapalainen, der ihm hilft, seine Träume wahr werden zu lassen. „Mir war klar, daß viele Streicher in einem Lied Völlegefühl verursachen können. Deshalb haben wir einige Rocksongs ohne Geigen eingefügt, so konnten wir bei den Balladen wirklich voll loslegen.“ Im Gegensatz zu den um Vollkommenheit ringenden Arrangements klingt Moneybrothers Organ ziemlich unvollkommen und zerzaust. „Ich mag gebrochene Stimmen wie Ray Charles und Wilson Pickett. Heutegibt es nicht mehr viele Stimmen wie die von Lemmy, nicht einmal im Heavy Metal“, bedauert er.
Für das Leben in einer Gruppe ist ein egomanischer Mensch wie Wendin nicht geeignet. Mit 13 hatte er seine erste Band (Superwed), seine letzte (Monster) verließ er mit 24. „Was willst du in einer Band, wenn du weißt, wie deine Musik klingen soll?“, fragt er heute, mit 29, rhetorisch. „Der Bassist glaubt, er habe einen guten Song, aber du weißt es besser. Ich umgebe mich mit Freunden, aber ich möchte entscheiden, was sie spielen sollen.“
Um seine geigenschwangeren Gefühlslawinen loszutreten, brauchte der lange Schlaks Inhalte auf Augenhöhe. So geht es textlich vielfach um eine Verflossene namens Joanna, von der bereits auf BLOOD PANIC die Rede war. Liebeskummer allein war ihm jedoch nicht dramatisch genug. Leicht ironisch sagt er: „Dieses Mal kreisen die Texte vor allem um die Idee, allein zu sterben.“
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