Stuart Price Über Das Produzieren
Stuart Price ist Bassist von Zoot Woman und Produzent von Prominenz wie Madonna, Seal und den Killers. Wie sich das anfühlt, erfahren wir im Gespräch über schlechte Ideen, Integrität und seinen speziellen Produzententrick: Löschen.
Während du dich zum gefragten Produzenten entwickelt hast, konnte deine eigene Band Zoot Woman sechs Jahre keine Platte machen. Wie gehen die Kollegen damit um? Adam und Johnny haben sich darauf konzentriert, zu touren und nebenbei an neuen Songs zu arbeiten. Sie erhalten die Präsenz der Band. Bei uns gab es nie irgendeine Art von Druck, es war stets klar: Wann immer sich die Gelegenheit bietet, dass sich ein Einzelner weiterentwickelt, muss er das auch tun – weil dies letztendlich dem Wohl der Band dient. Sagen wir so: Ich bin in einer Band, die meine Ansprüche als Produzent zu würdigen versteht. Aber klar ist: Zoot Woman ist mein wichtigstes musikalisches Projekt, daran wird sich auch nichts ändern. Wächst mit der Karriere als Produzent auch der innere Druck, mit Zoot Woman erfolgreich zu sein? Na sicher. Ein Produzent sollte diesen Druck immer spüren.
Viel Einfluss hat man da aber nicht. Ich nähere mich einem neuen Album von Zoot Woman genauso wie einer Platte von Madonna oder den Killers. Wenn man sich vornimmt, einen Hit zu produzieren, wird man in einer Million Jahre keinen zustande bringen. Alles, was man tun kann, ist, darüber nachzudenken, was die jeweilige Band ausmacht um daraus das Bestmögliche zu machen.
Gibt es Situationen im Studio, wo du genau wüsstest, was das Publikum will – aber das Gegenteil tust?
Sehr häufig sogar. Bei der Arbeit mit meiner Band ist es mir unmöglich, etwas zu produzieren, was funktionieren würde, aber nicht nach Zoot Woman klingt. Es kommt vor, dass man vier Wochen an einem Song arbeitet, den man fantastisch findet – bis man merkt, dass er nach den Stereophonics klingt und man von vorne anfangen muss. Das ist verdammt hart, wenn ein Song in den Müll muss, obwohl er wunderbar funktioniert.
Machst du das bei anderen Künstlern auch so?
Um ehrlich zu sein: Als Produzent verbringt man den Großteil seiner Zeit damit, sich von anderen Ideen anzuhören, die man nicht mag. Da werden einem oft Vorschläge gemacht, die man eigentlich für einen Scherz hält. Ein großer Vorteil ist, wenn man lokal getrennt arbeiten kann. Am besten in einem anderen Land. Wenn die Killers mir etwas schickten, von dem ich glaubte, dass es in eine falsche Richtung ging, arbeitete ich daran und schickte einen Gegenvorschlag zurück. Wenn man zusammenarbeitet, muss man die Band als großes Instrument benutzen, sie dazu bringen, das Beste aus sich und dem Material herauszuholen.
Du konntest dich zuletzt vor Anfragen kaum retten. Wo ist deine persönliche Grenze zwischen Lukrativität und Integrität? Natürlich gibt es Anfragen von Bands, die zu peinlich sind, als dass ich sie einem Magazin verraten würde, haha! Grundsätzlich ist es so: Es ist sinnlos, hundert Pfund zu verdienen, wenn das dann die letzten sind, die man je verdienen wird. Man überschreitet die Grenzen der eigenen Integrität nur ein paar Mal ungestraft, dann ist sie dahin. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht dankbar dafür wäre, nicht jeden Mist machen zu müssen.
Welche der Erfahrungen mit Leuten wie Madonna und Seal hatten Einfluss auf das neue Zoot-Woman-Album?
Wenn man mit Menschen arbeitet, die einem nahestehen, ist man sehr entspannt und arbeitet weniger auf den Punkt. Madonna und Seal können sich das nicht erlauben. Dieser Herausforderung haben wir uns diesmal auch gestellt: Wir wollten eine Platte machen, die von der ersten bis zur letzten Note Entertainment bedeutet. Das klingt einfach. Aber nur so lange, bis man es versucht.
Als du mit Madonna gearbeitet hast, warst du gerade 28 Jahre alt. Wie verschafft man sich da Autorität? Mit guten Vorschlägen. Um Autorität kämpfen musste ich nicht, sie hat sich ja für mich entschieden. Ganz abgesehen davon, dass solche Parameter in dieser Konstellation kaum eine Rolle gespielt haben. Madonna definiert sich weder über ihre Erfahrung noch über ihren Erfolg. Von all den Identitäten, die wir im Lauf der Zeit von ihr gesehen haben, ist keine ihre private. Sie hält ihr privates Ich von der Öffentlichkeit fern, indem sie ihr hundert andere zum Fraß vorwirft. Das ist in meinen Augen nicht nur überlebenswichtig, sondern große Kunst. Und relativ komplikationsfrei in der Praxis.
Gilt das – in Abstufungen für alle deine Auftraggeber?
Meine Erfahrung ist: Erfolg verändert nicht die Künstler, sondern die Menschen um sie herum. In diesem Business hat kaum emand alte Freunde, die einen auf dem Teppich halten würden – weil die Zeit dazu einfach fehlt. Was wiederum bedeutet, dass erfolgreiche Menschen meist von Leuten umgeben sind, die etwas von ihnen wollen, und sie nicht mehr so bodenständig sind, weil ständig viel Geld im Spiel ist.
Dir hingegen sagt man nach, sehr zuvorkommend zu sein.
Wirklich? Das freut mich. Ich muss gestehen, dass mich manche Typen aus dem Musikbusiness derartig abturnen, dass ich wahrscheinlich unterbewusst für mich beschlossen habe, ein netter Kerl zu bleiben.
Gibt es eine Seite, die Künstler an deiner Arbeit als Produzent hassen könnten?
Himmel, ist das eine gemeine Frage. Lass mich nachdenken, ich möchte jetzt was Schlaues sagen … Das Dumme ist, dass ich wirklich ein ziemlich netter Typ bin. (überlegt) Anstrengend finden könnte man vielleicht meine Angewohnheit, gute Songs zu löschen.
Pardon?
Man arbeitet mit einer Band monatelang an einem Song, hört ihn am Ende gemeinsam an und merkt, dass alle zufrieden sind mit der Version. Nicht glücklich, sondern zufrieden. In solchen Situationen drücke ich meistens den roten Knopf. Weil ich wissen will, ob sich die Band zwei Wochen später noch daran erinnern kann. Wenn sie es nicht kann, war es die Version nicht wert. Wenn sie sich erinnert, hole ich den Kram zurück, und wir arbeiten weiter daran. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass diese Methode ziemlich effizient ist, um den finalen Punkt eines Songs zu erreichen.
Das neue Album heißt THINGS ARE VPHAT THEY IISED TO BE. Aber ist bei dir nicht einiges sehr viel besser als je zuvor?
Doch, unbedingt. Allein der Umstand, dass wir ]etzt unabhängig und mit eigenem Studio in London arbeiten können, freut mich sehr. Ebenfalls ziemlich prima finde ich, dass ich jetzt nicht mehr zu Hause leben muss und eine eigene Wohnung habe, haha!
Du hast früher auch viel als DJ gearbeitet. Bist du privat ein Tänzer?
Klare Antwort: Ja. Wer Platten macht, privat aber nicht gerne tanzt, hat meines Erachtens seinen Beruf verfehlt.