Sting, Frankfurt, Festhalle
Besonders reich an wirklichen Höhepunkten war die Konzertsaison ’85/ ’86 nun wirklich nicht. So blieb es Sting vorbehalten, mit seiner Mini-Deutschlandtournee noch ein vorweihnachtliches Glanzlicht zu setzen. Wären da nicht die immens hohen Eintrittspreise gewesen (ich weiß, ich weiß: Produktionen sind heutzutage teuer, und gute Musiker haben auch ihren Preis), man könnte guten Gewissens schreiben, daß der Police-Kopf jeden Pfennig wert war.
Schon nüchterne Zahlen belegen die Anstrengungen des Künstlers, den Hunger seines Publikums zu befriedigen. Auch ohne (ohnehin meist nur quälendes) Vorprogramm dauerte das Frankfurter Sting-Konzert von 20.15 Uhr bis 22.55 Uhr. 22 Songs packte er in die gute 2 1/2 Stunden, sieben Zugaben ließ er sich entlocken. Und bis auf eine kleine Durststrecke nach „Fortress Around Your Heart“ zur Halbzeit des Gigs mit einem noch unveröffentlichten neuen, leisen Song, gab es absolut keine Langeweile in diesem Set. Eigentlich waren es nur Stings unerwartete Soloambitionen auf der E-Gitarre, die dem Klischee eines „normalen“ Rockkonzertes nahekamen. Ansonsten hob sich alles wohltuend von all der Langeweile und Routine ab, die man üblicherweise über sich ergehen lassen muß.
Das mag zum einen daran liegen, daß Sting keine satte Rock ’n‘ Roller-Truppe um sich geschart hat, sondern frische, wenn auch nicht weniger ausgebuffte Leute. Und wer im Vorfeld der Tournee gemunkelt haben mag, die armen jungen schwarzen New Yorker Jazzer könnten durch Stings doch eher einfache Songstrukturen nicht wirklich ausgelastet sein, der mußte hinterher eingestehen: Allen Musikern, auch Darryl Jones am Baß und den beiden nicht überbeschäftigten Sängerinnen Dolette McDonald und Janice Pendarvis bereitete das Unternehmen hör- und spürbar Freude, so ausgelassen, wie sie mit dem „Chef“ über die Bühne groovten und wirbelten und oft genug Party-Feeling aufkommen ließen.
Ausnahme-Bläser Branford Marsalis hatte ohnehin Freiraum genug, sein Können unter Beweis zu stellen, ist doch sein Sopransaxophon wie schon auf Platte die zweitwichtigste Komponente neben Stings Stimme im momentanen Soundkonzept. Und das ist stilistisch offen wie nie zuvof.
Manchmal kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, als wolle Sting nach Jahren der Trio-Musik beweisen, was alles in ihm steckt. Da wurden neben fast allen BLUE TURTLES-Songs (besonders schön auch live „Children’s Crusade“ und „We Work The Black Seam“) nicht nur unglaublich energiestrotzende Police-Standards („Driven To Tears“, „Bring On The Night“ und ein „Demolition Man“ an der Schmerzgrenze) zu Gehör gebracht, sondern gar ein Rock ’n‘ Roll-Standard und ein klassischer Slow Blues interpretiert, um klarzustellen: das ist ein Repertoire ohne Sach- und Imagezwänge.