Sting


Ursprünglich hätte Stings Tournee hier in der finnischen Hafenstadt Turku beginnen sollen. Doch als die russische Alfa-Bank den Engländer eine Woche vorher zum ersten Mal nach Moskau holte, war Turku nur noch die Nummer 2. Trotzdem reservierte Sting die Elysee Arena für drei Tage, um mit seiner Band proben zu können.

Die gleiche Besetzung, die schon auf Stings aktuellem Album ‚Mercury Falling‘ mitgewirkt hat, ist nun auch live dabei: Kenny Kirkland an den Keyboards, Dominic Miller an der Gitarre und Vinnie Colaiuta am Schlagzeug. Einzig die Memphis Horns mußten durch zwei andere Musiker ersetzt werden. Überraschenderweise feilt diese Band aus altgedienten Profis noch am Vorabend des Konzerts geschlagene anderthalb Stunden am Set herum — mit Kenny Kirkland am Mikrophon. Er übernimmt bei der Probe fast sämtliche Gesangsparts, damit Sting im Hintergrund den Gesamteindruck auf sich wirken lassen kann.

Dann die Show: Pünktlich um halb neun eröffnet Sting seinen Set mit ‚If I Ever Lose My Faith In You‘ und ‚If You Love Somebody‘. Diese beiden Songs bilden den Auftakt zu einem hundertminütigen, insgesamt ruhigen Konzert mit vielen neuen Nummern, wenig Police-Pop, mit ungewohnt seltenen Jazzmomenten und spärlich eingestreuten alten Hits. Die Akustik stimmt auf Anhieb, der Sound ist glasklar. Vor allem Stings Stimme hebt sich vom Rest ab und unterstreicht die einzigartige Präsenz dieses Künstlers. Optisch jedoch passiert wenig. Die Kulisse besteht aus ein paar Leinwänden mit aufprojizierten Farben und Fotos. Ähnlich statisch wirkt das Geschehen auf der Bühne. Da steht eine Band, die sehr konzentriert und mit sich selbst beschäftigt zu sein scheint. Auch Sting sucht den Kontakt zu den 10.000 Zuschauern nur selten. „It’s nice to be back in Finland“, bleibt denn auch eine der wenigen Floskeln, die er während des Auftritts von sich gibt. Im Anschluß an die beiden Eröffnungssongs steht die erste Hälfte von ‚Mercury Falling‘ auf dem Programm — und zwar in derselben Reihenfolge wie auf Platte. Erst jetzt fällt auf, daß die Bläser zu sehr in den Hintergrund gemischt sind und schon allein deswegen den warmen Sound der Memphis Horns nicht ganz erreichen. Insgesamt aber bringt Sting auch die neuen Songs kompakt über die Bühne.

Das Publikum hört sich das ihm noch weitgehend unbekannte Material eher unbeteiligt an, überrascht nach jedem einzelnen Song dann aber doch mit frenetischem Beifall. Als nach einer Stunde fast sämtliche Songs von ‚Mercury Falling‘ vorgetragen sind und nach Tm So Happy I Can’t Stop Crying‘ noch immer kein Police-Knüller mit Wiedererkennungswert den Weg von der Bühne in die Arena gefunden hat, wird’s dem Publikum dann doch etwas zu gemütlich — ein Hauch von Müdigkeit macht sich breit.

Genau an dieser Stelle aber stellt sich heraus, daß Stings Timing durchaus stimmt. Denn nun wird den Zuschauern exakt das geboten, worauf sie die ganze Zeit geduldig gewartet haben. Auf ‚Synchronicity‘ folgt ‚Roxanne‘, auf ‚The Bed’s Too Big Without You‘ der ‚Englishman In New York‘ und ‚This Cowboy Song‘. Bei ‚When The World Is Running Down‘, dem letzten Song vor den Zugaben, kommen Kenny Kirkland und Dominic Miller zu ihren einzigen längeren Sololeistungen. Und plötzlich bemerkt man einen wesentlichen Unterschied zu Stings früheren Konzerten. Während sich seine Musiker in den 80ern in unendlichen Soli ergingen, halten sie sich heute zurück und tun damit Stings schönen Songs einen großen Gefallen.

Als das Konzert nach der zweiten Zugabe (‚Fragile‘) zu Ende geht, tritt das finnische Publikum sichtlich zufrieden den Heimweg an. Den obligaten Satz „Die alten Sachen sind eben doch besser“ hört man nur selten. Was wohl daran liegt, daß er einfach nicht der Wahrheit entspricht.