Sprite und Hustensaft


Wie ein toter Rapper die Lust an der Langsamkeit beeinflusst.

Der DJ dreht die Mucke runter, bis sie uuuooonerträäägliiiöööch loooaaangsoooaaam aus den Boxen leiert. Die besten Textzeilen werden zersägt und neu zusammengepuzzelt in eine gefühlte Endlosschleife geschickt, sodass sie zwar keinen Sinn mehr ergeben, sich aber wie morbide Mantras ins morsche Hirn bohren. Dazu gibt es Hustensaft mit Sprite. Zum Abschluss stehen dann alle noch eine Stunde lang auf dem Parkplatz rum. Kein Witz, sondern ein ganz normaler Samstagabend in Houston.

Und seit Kurzem der letzte Schrei der Popwelt.

„Chopped & Screwed“ nennt sich die skurrile Technik, erfunden hat sie in den frühen 90ern der legendäre DJ Screw, daher der Name. Er ist längst verstorben – zu viel Hustensaft mit Sprite, wie man mutmaßt – aber sein Einfluss auf die Nachwelt ist größer denn je. 2005 schon schwappte die C&S-Welle erstmals über die texanischen Grenzen. Damals landeten lokale Rapper wie Mike Jones, Paul Wall und Slim Thug unverhofft eine Reihe von Charts-Hits. Michael „5000“ Watts, ein Schüler und späterer Widersacher Screws, war der führende Mann am Regler; selbst Kanye West outete sich als Fan und experimentierte mit dem schrägen Slow-Mo-Sound aus dem tiefen Süden („Drive Slow“). Die Aufregung versackte allerdings so schnell, wie sie aufgekommen war. Man zog sich wieder zurück auf die örtlichen Parkplätze und tröstete sich mit einem tiefen Schluck Sprite mit Hustensaft.

Nun aber ist Texas plötzlich zurück im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit. Junge Rapper wie Spaceghostpurrp (seit Kurzem beim Vorzeige-Indie-Label 4AD unter Vertrag) und der neue Medienprinz A$AP Rocky machen kein Hehl aus ihrer Begeisterung für den Houston-Sound und spielen ausschweifend mit der Ästhetik der entgrenzten Entschleunigung. Der kanadische Konsenskönig Drake ließ sogar sein Erfolgsalbum Take Care vom C&S-Altmeister OG Ron C bearbeiten. Das Ergebnis namens Chopcare ist schon jetzt ein Klassiker des Internet-Rap. Die neue Lust an der Langsamkeit findet sich in den unterschiedlichsten Spielarten ambitionierten Zeitgeistpops – vom geisterhaften Zeitlupen-House von Balam Acab, oOoOO und Holy Other bis hin zum Regenwetter-Rave von The XX und den Tumblrismen der Generation Del Rey.

Die freilich wird sich schon bald einen neuen Trend zusammengebloggt haben. Aber erst mal heißt es abwarten und Hustensaft trinken. Iiiöööst doooch göööraaadööö sooo schööön.