South Park
Der kranke Humor der Cartoon-Serie "South Park" ist die Pop-Sensation in den USA und England. Doch ist Deutschland bereit für sprechende Hundekacke?
ES WEIHNACHTET SEHR. VIER KINDER STEHEN im Schnee und singen Weihnachtslieder – bis sich der eine von ihnen daran erinnert, daß er ja Jude ist und anfängt, den „Dreidel Song“ zu trällern. „Hanukkah ist für’n Arsch“, kommt die herbe Kritik und die Kids brechen in wüste Beschimpfungen gegeneinander aus. Plötzlich steht der leibhaftige Jesus vor der kreischenden Meute („Don’t say pigfucker in front of Jesus!“ warnt noch jemand), und liefert sich in der Folge mit Santa Claus einen Kung Fu-Fight in bester Mortal Kombat-Manier um die Urheberrechte des Weihnachtsfestes, im Zuge dessen einer der zusehenden Jungs von einem von Santa abgeschossenen Projektil aufgespießt wird. Erst der ebenfalls auftauchende Eiskunstläufer Brian Boitano kann die Gemüter beruhigen, und während eine Horde Mäuse den toten lungen verspeist, einigt man sich darauf, daß – ganz gleich, welcher Religion man angehört – Weihnachten sich doch um diese eine zentrale, so wichtige Sache dreht: Geschenke!
Ein Hoch auf den feinsinnigen Humor! Und willkommen bei „South Park“, dem TV-Cartoon, der die Simpsons wie eine gutbürgerliche Durchschnittsfamilie in einer rosig-heilen Welt und Beavis and Butthead wie zwei freundliche Teenager wirken läßt. Die krude animierte Zeichentrick-Groteske um die Abenteuer von vier versauten Drittklässlern in einer bizarren Umwelt voller schräger Gestalten (siehe Kasten) ist das amerikanische Pop-Phänomen der letzten Jahre. Und hat seine Schöpfer Trey Parker und Matt Stone ebenfalls zu Popstars gemacht.
Parker und Stone lernten sich auf der Universität von Colorado in Boulder kennen und sonderten sich früh von ihren ernsthaften Komilitonen im Studiengang Film ab. „Wir taten uns zusammen, weil wir die einzigen waren, die keine Schwarzweiß-Filme über Lesben drehen wollten“, ätzt der heute 28jährige Parker. Statt dessen fabrizierten die beiden schon früh Kurzfilme mit ihrer sehr eigenen, nicht eben subtilen Art von Humor. Trey Parkers erstes abendfüllendes Werk (fragt sich nur, wie ein Abend geartet sein muß, den man sich damit füllen möchte) „Cannibal – The Musical“ behandelte 1994 dann auch die Geschichte des irren Killers Alfred Packer, der sich im Colorado des 19. Jahrhunderts an einer Handvoll Bergleuten gütlich tat, in Form eines fröhlichen Singspiels.
„Cannibal“ beindruckte Brian Graden, einen Verantwortlichen beim Filmmulti Fox, der den beiden fortan kleine Budgets zu Verfugung stellte. Sie sollten eine TV-Serie entwickeln, doch was sie ablieferten darunter der Entwurf für eine Sitcom um zwei singende Affen – strotzte nicht gerade vor kommerziellem Potential. Zu Weihnachten 1995 gab Graden einen witzigen Kurzfilm bei ihnen in Auftrag, den er als elektronische Grußkarte per E-mail an Geschäftsfreunde zu verschicken gedachte Parker und Stone lieferten Graden einen fünfminütigen Cartoon namens „The Spirit Of Christmas“ – die eingangs geschilderte Prototyp-Folge von „South Park“, die bereits alles enthielt, was die spätere Serie ausmachen sollte: Sadismus, Sakrilege und non-stop Dialoge unter der Gürtellinie. Dann ging alles sehr schnell: „The Spirit Of Christmas“ wurde zum Geheimlip, verbreitete sich – tausendfach kopiert über die Festplatten der Nation. Parker und Stone wurden mit Angeboten überhäuft, und im Sommer ’97 schickte der New Yorker Sender „Comedy Central“ die erste reguläre Folge von „South Park“ auf den Äther – und landete sofort den größten Quoten-Hit in seiner Firmengeschichte Seitdem – die knapp 100 Folgen der „Peanuts on acid“, die es derzeit gibt, werden unablässig wiederholt – ist eine wahre „South Park“-Mania in den USA ausgebrochen. Von einer nie gesehenen Merchandising-Offensive („Die Firmen stehen bei uns um den Block rum Schlange“, freut sich ein Sprecher von Comedy Central) über die einschlägigen Internet-Websites, auf denen sich etwa Diskussionsforen finden, deren Besucher sich einzig damit beschäftigen, das Gebrummel des ständig unverständlich nuschelnden Kenny zu entschlüsseln bis zum organisierten Bestreben von Fans, den dicken Cartman beim „Man of the Century“-Poll auf der Homepage des Time Magazine auf Platz 1 zu hieven geht die allgemeine Begeisterung. „South Park muß irgendwelche tiefen Bedürfnisse in uns ansprechen, einige grundlegende Wahrheiten über die Menschheit bestätigen. Das, oder wir sind wahrhaftig ein Volk von Zurückgebliebenen“, sinniert das US-Magazin „Spin“. Die Amerikaner und seit letztem lahr die Engländer gieren nach dem subversiv/primitiven Humor, in dem sich Parker und Stone nach Herzenslust suhlen und mit dem sie den Verfechtern der political correctness Tränen der Verzweiflung in die Augen treiben. Denn obwohl „South Park“ im Spätabendprogramm läuft, kennt jeder US-Teenager, der etwas auf sich hält, seine „South Park“-Standardsprüche und arbeitet täglich daran, seine Cartman-Stimmen-Imitation zu perfektionieren.
Das ruft natürlich Menschen auf den Plan, denen die geschmacksfreie Zone „South Park“ ein rotes Tuch ist, wo Kinder von Außerirdischen Analsonden verpaßt bekommen, es Sex-Szenen zwischen Elefanten und Schweinen zu bestaunen gibt, Achtjährige an Flalloween im Hitler-Kostüm herumlaufen, kein noch so übelriechender Witz über Sex, Schwule, Fettleibige oder ethnische Minderheiten ausgelassen wird, wo gekotzt, gefurzt und geprügelt wird, „Mr. Hankey“, ein sprechender Hundehaufen, zu Wort kommt und generell Kinder das Heiligtum der um family values besorgten Moralhüter – in einem fort die abgefucktesten Sachen sagen und tun („Das einzige was man uns nicht erlaubt hat, waren Witze über den Islam. Sie hatten wohl Angst, wir könnten umgebracht werden“, grinst Trey Parker). Konservative Familienverbände in den USA laufen Sturm gegen den „billigen, unverantwortlichen und gewalttätigen“ Humor von „South Park“. Parker und Stone die mittlerweile eine Villa mit Blick auf Los Angeles bewohnen und eifrig von Hollywood umworben werden (es hagelt Filmangebote, letztes Jahr spielten sie in Jerry Zuckers Komödie „Basketball“, und auch auf erste Veröffentlichungen ihrer Countryband DVDA muß man sich wohl langsam gefaßt machen; im Frühjahr soll ein „South Park“-Kinofilm anlaufen) sehen’s entspannt: „Wenn die Gesellschaft in der Evolution einmal soweit fortgeschritten ist, daß man ungeniert über Fürze, Rülpser und Ärsche reden kann“, erklärt Parker entwaffnend, „wird das, was wir machen, nicht mehr lustig sein und wir werden uns niveauvollerem zuwenden. Bis dahin schlagen wir einfach Kapital aus der Verklemmtheit Amerikas.“ Und freuen sich über den Run auf ihre Kultserie. Auf dem jüngst erschienenen „South Park Album“ tummeln sich Gaststars wie Joe Strummer, Meat Loaf, Elton lohn, Puff Daddy und Ozzy Osbourne, Show-Größen stehen Schlange für Synchronrollen in der Serie. So etwa Emergency Room-Doc George Clooney, der Stans homosexuellen Hund Sparkey zum Bellen brachte. Neulich kam sogar ein Anruf von Sitcom-Titan leny Seinfeld. „Wir boten ihm die Rolle von Truthahn Nr. 2 im Thanksgiving-Special an“, freut sich Trey Parker. „Sein Manager meinte nur: ‚Ist euch eigentlich klar, wer Jerry Seinfeld ist?‘ Wir sagten ‚Klar, das ist doch der Punkt! Es ist cool, gerade Leuten wie ihm so bescheuerte kleine Rollen zu geben!'“ Seinfeld lehnte ab. Nicht jeder kann mit Parkers und Stones Anarcho-Humor. Süchwort Synchronisation: Sie dürfte das einzige sein, woran die flächendeckende Infizierung mit dem „South Park“-Virus hierzulande scheitern könnte. Gossen-Englisch in all seinen Schattierungen stimmig zu übersetzen ist ein schwierig Ding, wie die kläglich gescheiterte Eindeutschung von Beavis & Butthead vor Jahren zeigte. RTL ist das Wagnis eingegangen, die erste South Park-Staffel soll im Juni laufen. Mit Sprechern wie Heiner Lauterbach, Jenny Elvers, Ingolf Lück und Wigald Boning. Wer von denen wohl für den schwulen Köter und den Truthahn ran mußte? Wir sind gespannt.