SM-Literatur: Der Trend des Literaturjahres: die überschaubar spannende Trilogie „50 Shades Of Grey“ und ihre Sadomaso-Muzak.


Biss zum Kabelbinder!

Das Portal gutefrage.net ist eine der Vorhöllen des Internets. Hier fragen junge Menschen, wie sie innerhalb einer Woche 15 Kilogramm abnehmen können und ob es eigentlich strafbar ist, die leere Verpackung ihres neuen iPhone 5 bei Ebay zu verticken.

Brennendes Anliegen einer Userin: Kann man das Buch „50 Shades Of Grey“ auch einem 15-jährigen Mädchen schenken? Eine der Antworten: „Kommt darauf an, wie reif es ist.“ Nun, so reif muss man nicht sein. Die Buchtrilogie der Autorin Erika Leonard, die im ersten Halbjahr 2012 alleine in den USA 20 Millionen Mal über die Ladentheken ging, erzählt folgende Geschichte: Frau lernt Mann kennen. Der führt sie in die Abgründe seiner BDSM-Welt ein, was sexuell interessant sein mag, literarisch aber ohne jede Schönheit auskommt. „50 Shades Of Grey“ liest sich wie das, was es ursprünglich war: Online-Fantasy, die zunächst Stephenie Meyers „Twilight“-Romane flankierte, sich aber irgendwann selbstständig machte und vor allem auf Klischees aufbaut. „Mommy Porn“ nannte es ein US-Kollege. Für die Papis gibt es mittlerweile Gebrauchsanweisungen zu erstehen, in denen ihnen verraten wird, welche Sexualpraktiken aus dem Buch bald auch im heimischen Schlafzimmer aktuell sein könnten.

Auch sonst läuft die Verwertungskette: Es erschien eine Musik-CD, deren Titel angeblich persönlich von der Autorin ausgewählt wurden, ein anderer Verlag warf wieselflink eine Satire namens „60 Shades Of Blood“ auf den Markt. Bei den Buchhändlern gelistet sind des Weiteren „Fessle mich – der SM-Ratgeber für alle Fans von Shades Of Grey“ sowie Romane, die Titel wie „50 Shades Darker“ tragen. Das Hörbuch ist pünktlich zum Weihnachtsgeschäft als Special-Edition mit einer neunschwänzigen Kunststoffpeitsche („erstklassige Haptik“), Augenfessel aus schwarzem Leder und Kabelbindern erhältlich. Wenigstens das. Kabelbinder kann man eigentlich immer gebrauchen.