Skunk Anansie


Ihre Sängerin ist der schlimmste Alptraum rechtschaffener Reihenhausbewohner. Ihre Texte beziehen Stellung gegen Rassismus, übertriebene „political correctness" und Bigotterie. Skunk Anansie beweisen, daß sich Rock'n'Roll und Hirn nicht ausschließen.

Jedes Jahr das gleiche Spiel. Immer an Silvester steht man vor der Frage: Was soll im nächsten Jahr anders werden? Soll ich mit dem Rauchen aufhören oder den Job wechseln? Für Sängerin Skin (großes Foto) stand vor zwei Jahren die Entscheidung fest. Dieser Gitarrist, der besser bei Bruce Springsteen aufgehoben wäre als in ihrer Band, der mußte weg. Und weil Skin keine Frau der langen Worte ist, flog der Gitarrist – kaum war das neue Jahr ein paar Tage alt – aus ihrer Band. Innerhalb weiterer drei Wochen war mit Ace passender Ersatz und mit Skunk Anansie .ein neuer Bandname gefunden. Mit ihrem alten Kumpel Cass am Bass und Mark an den Drums wurden flugs ein paar neue, wesentlich aggressivere Funk-Rock-Songs eingespielt und schon Ende Januar gab die ‚female-fronted band‘ ihr erstes Konzert. Bei ihrem zweiten Gig in einem Londoner Club sah sie dann der Talent-Scout einer Plattenfirma, der ihnen nach dem nächsten Auftritt auch gleich einen Vertrag anbot. Selbst im schnellebigen englischen Musikbusiness ist solcherlei nicht alltäglich. Heute gehören Skunk Anansie zu den erfolgreichsten Newcomern Großbritanniens. Das von Andy „Nevermind“ Wallace abgemischte Debüt-Album ‚Paranoid And Sunburnt‘ steht hoch in den Charts, mit Therapy? war man unlängst auf Tour und Frauenzeitschriften und Musikmagazine lieben die Gruppe gteichermaßen. Selbst die Band ist von dem rasanten Aufstieg überrascht. „Oft können wir gar nicht richtig fassen, was mit uns geschieht. Aber andererseits ging bei uns auch nicht immer alles so leicht wie zur Zeit“, erinnert sich Skin. Von Vorurteilen kann die 28jährige Ex-Innenarchitekturstudentin ein Lied singen. Viele Menschen haben genug Probleme, schwarz, weiblich oder homosexuell zu sein. Doch Skin ist gleich alles drei – eine Art „Minderheit der Minderheiten der Minderheiten“, wie Bassmann Cass, selbst von afro-karibischer Abstammung, witzelt. „Ich bin einfach ich selbst, ich kann mich nicht auseinanderdividieren“, stellt Skin klar. „Doch gerade im Musikgeschäft trifft man als schwarze Sängerin einer Rockband ständig auf Vorurteile.“ Zum Beispiel wenn einem die Vertreter der amerikanischen Plattenfirma erstmal den Leiter der Black-Music-Abteilung vorstellen wollen. In solchen Situationen platzt Skin, die eigentlich Deborah heißt, auch schon mal der Kragen. „Ich will nicht den Typen sprechen, der für die verfickte Black-Music-Abteilung verantwortlich ist. Ich hab keine Ahnung von Soul. Ich bin in einer Rockband!“, herrschte sie den verblüfften Gesprächspartner an. Doch obwohl Songs wie ‚Intellectualise My Blackness‘ und ‚Little Baby Swastika‘ jede Menge Wut ausdrücken und die kahlköpfige Skin auf Fotos gerne grimmig guckt, kann sie auch anders. „In England sieht man uns gerne als diese ultra-kontroverse und rebellische Band an. Aber wir hassen es, wenn wir als rein politische Band abgetan werden. Uns geht es genauso darum, gute Musik zu machen und Spaß zu haben. Nur kümmern wir uns auch darum, was außerhalb unserer eigenen vier Wände passiert.“ Zur Rockmusik kam Skin über Police. „In Brixton, wo ich aufwuchs, hörten alle eigentlich nur Dub-Reggae. Aber ich mochte auch Popmusik sehr gerne. Police waren für mich die erste Band, die Rock mit Reggae verband. Seit dieser Zeit habe ich mich dann immer stärker für Gitarrenmusik interessiert.“ Für Cass, der früher mal Amateurboxer war und noch heute regelmäßig im Kraftraum schwitzt, waren die Sex-Pistols ein einschneidendes Erlebnis. „Die waren so aggressiv und neu, die mußte ich einfach mögen“, erzählt er. Doch auch wenn Cass schon seit Jahren als Musiker sein Geld verdient, erzählt er seiner Mutter lieber nichts von Skunk Anansie. „Die stammt noch aus einer Generation, die es nicht verstehen kann, warum die heutige Jugend so viele Schimpfwörter benutzt und Marihuana raucht.“ Und auch Skins Familie gewöhnt sich erst jetzt daran, daß sie – erfolgreich – in einer Rockband singt. Eigentlich hätten Skunk Anansie jetzt erstmal Zeit für eine wohlverdienste Ruhepause. Doch Skin schmiedet schon Pläne für das nächste Jahr: „Erst gehen wir als Headliner auf Tour und dann ist auch schon wieder das nächste Album dran.“