Skunk Anansie


Sexualität, sagt Sängerin Skin, spiele bei Skunk Anansie eine große Rolle- und singt sodann das Hohelied auf die weibliche Energie und die Bedeutung von Frauen im Rockbusiness.

Morgens halb zehn in Deutschland. Während die Vertreter der Journaille noch verzweifelt versuchen, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben, erscheinen vier muntere Briten lautstark bei jenem Zeitvertreib, derleil ihres glamourösen Berufes ist: Skunk Anansie sind auf Promotiontour, ein nervenaufreibender interviewtag steht bevor. Doch bevor die Aufnahmegeräte angeworfen werden, fallen Skin, Ace, Mark und Cass erst mal über die bereitgestellten Mineralwasser – und Orangensaftflaschen her und sinnieren vergnügt über die Vorteile der Profession namens Popstar. „Die eine Hälfte der Band hat sich gestern nacht in der Hotelbar unglaublich besoffen“, erzählt Sängerin Skin. „Wir haben zu viele Zombies getrunken, was zur Hölle das auch sein mag…“, wirft Gitarrist Ace Kent ein. „Die andere Hälfte der Band darf sich nun köstlich drüber amüsieren!“ lacht Sängerin Skin. Drummer Mark Richardson meint dazu lakonisch und mit blutunterlaufenen Augen: „Als Rockstar ist man wirklich privilegiert. Wenn ich in einem Büro arbeiten würde, könnte ich es mir wahrscheinlich nicht erlauben, mit einem Kater und einer gehörigen Portion Restalkohol im Blut zur Arbeit zu erscheinen.“

Die Befürchtung, lebenslang einem monotonen Bürojob nachgehen zu müssen, braucht dieser junge Herr wahrhaftig nicht mehr zu haben, denn nach den beiden platinveredelten Alben „Paranoid & Sunburnt“ (1994) und „Stoosh“ (1996) gehören Skunk Anansie unbestritten zur Upper Class des Rockbusiness. Eine Tatsache, die die Mitglieder der Band auf unterschiedliche Art und Weise in ihrem Privatleben beeinflußt. Denn Fakt ist nun mal, daß sich der Großteil des Publikums und der Medienöffentlichkeit ausschließlich für die charismatische Frontfrau Skin interessiert. Der männliche Rest des Quartetts reagiert daraufgelassen, ein bißchen erleichtert, und gespielt zynisch. „Für uns ist das eine völlig andere Erfahrung als für Skin. Denn wenn sie in einem Club erscheint, wird sie sofort zum besten Platz des Lokals geleitet, während wir noch draußen vor der Tür stehen und natürlich nicht erkannt werden“, schmunzelt Bassist Cass Lewis. „Ja, genau, wir sind so was wie die Klempner. Wir kommen, um die Toilette zu reparieren. Wo? Im Keller? Gut, sind schon unterwegs… also, für uns ist es viel schwieriger, selbstgefällig zu werden, denn Klempner ist nicht unbedingt ein egozentrischer Beruf.“ Ja, das sind also die schwer zu verkraftenden Nachteile des Rockstarlebens. Erfreulicher Vorteil: Wenn man zwei erfolgreiche Alben abgeliefert hat, kann man es sich schon mal leisten, ein 22köpfiges Streichorchester ins Studio einzuladen, um den gitarrenlastigen Sound elegant und vollmundig abzurunden. „Post Orgasmic Chili“, so der zu schlüpfrigen Spekulationen einladende Titel des dritten Werks der Band, ist ihr bislang abwechslungsreichstes, eklektischstes Album. Immer noch stehen Skunk Anansie für druckvollen Rock der durch Skins Stimme seine unverwechselbare Note erhält.

Skunk Anansie präsentieren sich als genre-übergreifendes Bandkollektiv, das seine vielseitigen Einflüsse – „von Drum’n’Bass über HipHop bis Calypso“, wie Skin scherzhaft meint – auf zwölf Songs beweisen möchte. So darf es denn nicht überraschen, wenn das Intro zu einem einminütigen Drum’n’Bass-Kracher im Stile Goldies gerät. Drum’n’ßass mögen halt alle gern. Abgesehen von den für ein Rockalbum eher unüblichen Interludien (von Anrufbeantwortersprüchen bis hin zu Werbejingles), die laut Skin eingebaut wurden, damit die doch sehr verschiedenen Stücke besser ineinanderfließen, bleiben sich die vier Anansies im Grunde treu. „Wir sind noch immer eine politische Band. Die Texte auf dem neuen Album sind viel prägnanter und eigentlich auch brutaler“, meint Skin, „das Ganze ist nur nicht mehr so offensichtlich wie früher, denn wir brauchen nicht mehr zu sagen:

Yes, it s fuckin political‘. Wir haben dieses Statement längst gemacht.“ Man merkt der Platte an, daß Skunk Anansie diesmal viel Zeit hatten, um die Lieder zu schreiben. „Das ist das erste Album, bei dem wir die Zeit hatten, Fehler vor der Veröffentlichung auszubügeln“, erzählt Skin. „Und zum ersten Mal konnten wir die Stücke, die wir geschrieben hatten, auch lange genug auf uns wirken lassen“, merkt Bassist Cass an. „Der Titel des Albums, ‚Post Orgasmic Chili‘, beschreibt die Stimmung, in der wir uns befanden, als wir mit dem Songwriting angefangen haben“, berichtet Skin. „Wir waren fast drei Jahre lang ununterbrochen auf Tour und waren dementsprechend ausgelaugt. Wir mußten ganz einfach mal abschalten und zur Ruhe kommen. Alles war so hektisch, so aufregend und so packend in diesen letzten vier Jahren.“ Grinsend fügt sie hinzu: „Natürlich spielt auch Sexualität in dieser Band eine große Rolle!“ – und zum wiederholten Mal bricht die Band in lautes Gelächter aus. Eigentlich unglaublich, wie man zu dieser für Musiker nachtschlafenen Zeit so gut gelaunt sein kann.

Bei Skunk Anansie wirkt diese durchdringende Fröhlichkeit keine Sekunde aufgesetzt, und wenn man die überaus zierliche Skin dabei beobachtet, wie sie beinahe in diesem monströsen Ledersofa versinkt, kann man sich kaum vorstellen, daß dieses Persönchen auf der Bühne zu einer energiegeladenen Powerfrau wird, die – wie’s scheint – vor allem das weibliche Publikum in ihren Bann zieht. „Ich glaube, daß sehr viele Mädels total auf heavy Rockmusik abfahren. Nur trauen sie sich oft nicht aus ihrer Haut, wenn zu viele Jungs um sie herum sind“, meint Skin, „aber wenn sie dann sehen, daß ich auf der Bühne die Frontfrau einer Rockband bin, die wirklich heavy ist, dann gibt ihnen das Selbstvertrauen. Bei unseren Gigs wirkt die weibliche Energie dem herumfliegenden Testosteron entgegen, und diese weibliche Energie macht unsere Konzerte eindeutig besser!“ Und Drummer Mark fügt lachend hinzu: „Wir lachen mit dem Publikum, wir haben Spaß, wir haben Sex. Gott, es steckt noch so viel mehr in Skunk Anansie als bloß Gitarren und Drums! Ich war selbst Fan dieser Band, bevor ich dazugekommen bin – ehrlich!“