Die „Skeletal Lamping Collection“
Beim neuen Album von Of Montreal stellt sich die Frage, was eigentlich das größere Kunstwerk ist: die Musik oder die Verpackung? So vielseitig das eine, so ausufernd radikal ist das andere. Die Künstlerin Nina Barnes, Ehefrau von Bandkopf Kevin Barnes und zur Hälfte verantwortlich zeichnend für das Artwork, erläuterte dem ME die wunderbare Welt dieses kleinen Stücks großer Kunst:
„Unsere Idee war, das Zusammenspiel uon Artwork und Musik zu verändern, sagt Nina Barnes. Ihr Schwager David Barnes, der seit The Gay Parade bei sämtlichen Of-Montreal-Platten das Artwork gestaltet hatte, habe den Vorschlag gemacht, eine Laterne zu basteln, die gleichzeitig als Verpackung dienen sollte. Daraus seien diverse Ideen entstanden, wie man die Musik mit „außergewöhnlichen Objekten“ verbinden könnte. Die Kollektion reicht dabei von T-Shirts über Taschen und Buttons bis hin zu einem Poster und Wand-Schiebebildern. Zu jeder Form des Artworks gibt es das Album als Download-oder man hält sich an die „traditionelle“ Verbindungvon Artworkund Musik und besorgt sich die CD-oder Vinylausgabe mit enorm aufwändiger Hülle. „Wir wollten den Käufern, etwa mit den Wand-Schiebebildern, die Möglichkeit geben, selbst etwas zu gestalten, und sie so in den künstlerischen Prozess einbeziehen“, erklärt Nina Barnes. FürdieCDentwarfen die beiden Künstlereineschlichtweg überwältigende Verpackung, die sich scheint’s unendlich ausklappen und zu einerSkulpturzusammenfalten lässt. „Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Artwork ist im Mainstream untergegangen, im Zeitalter der CD hat das Couer fast keine Bedeutung mehr“.
sagt Nina Barnes. Dabei trage das Drumherum wesentlich zum Genuss der Musik bei: „Wir wollten dieses Gefühl der Begeisterung zurückbringen, wenn Musik und Bilder zu einer Einheit uerschmelzen, und gleichzeitig etwas schaffen. das einen höheren Wert hat als ein gewöhnliches Booklet“ Eineinhalb Jahre arbeiteten die beiden an der Gestaltung und hörten dabei stets die sich entwickelnde Musik: „Beides ist parallel entstanden, die Musik hat dieses Kunstwerk unmittelbar inspiriert und geprägt.“
UberallTiere! Ein halber Zoo tummeltsich im Artwork von skeletal lamping: Hase, Tiger, ein zerfleischtes Zebra, Vögel, Schwäne, Giraffen, kopulierende Hirsche ….. Die Tiere symbolisieren den Gegensatz zwischen unserer Kultur und der Natur“, so N i na Barnes. „Ich habe mich von folgenden Fragen leiten lassen: Was trennt die Menschen vom Tierreich? In welchem Verhältnis stehen wir zur Natur? Und uorallem: Was geschieht in unserem Inneren, wenn das Sexuelle ins Spiel kommt? Die Biologie reduziert die Sexualität auf chemische Prozesse im Gehirn. Das macht uns zu Tieren und nimmt dem Menschsein die Menschlichkeit. Aber was ist mit den Geheimnissen der Liebe, den Gefühlen, all den Dingen, auf die wir keine Antworten wissen?“
Die Blumenbestien. Die schiere Vielfalt an Detailserschlägteinen fast. Ein Element dominiert jedoch deutlich: die zähnefletschenden Pflanzen -oder „Blumenbestien“, wie Nina Barnes sie nennt: „Sie symbolisieren unsere dunkle Seite, die wir gewöhnlich nichtzeigen.“ Die Dunkelheitenthalte immer auch etwas sehr Schönes, das uns anziehe, das uns aber auch verletzen könne.
„Ich versuchte, die menschliche Komponente zu betonen, und setzte die Personen mitten in die Welt der Blumenbestien. Da ist diese Reinheit: Sie sind nackt, sie tanzen und feiern das Leben und ihre Sexualität. Ihre Nacktheit symbolisiert die Freiheit, aber auch die Verletzlichkeit. Und obwohl sie sich bewusst sind, dass die Blumenbestien überall lauern und sie verschlingen könnten, haben sie keine Angst vor ihnen.“
Inmitten aller Leichtigkeit kauert ein Mädchen, das sich zu verstecken scheint und nicht in die fröhliche Welt passen will: „Dieses Mädchen schämt sich für seine Nacktheit. Sein Geist ist noch sehr zerbrechlich. Die anderen beschützen es und zeigen ihm, dass es okay ist, seinen Körper zu zeigen und ihn zu erfahren“.
erläutert Barnes. Sie betont aber auch die Botschaft hinter dieser zurückziehenden Stellung: Die allgemeine sexuelle Freiheit berge auch Gefahren, insbesondere für junge Mädchen.
Der Prince-Zwilling.
„Beim Paar, dos dos Baby hält, handelt es
sich um Prince“, sagt Nina Barnes. „Dos sind beide Prince. Ich musste ihn einfach einbauen, weil er einen riesigen E/nf/uss auf Keuin hat. Nicht nur musikalisch, sondern auch optisch. Er war auch meine erste musikalische Liebe. .Purple Rain‘ hat mir damals den Kopfuerdreht Prince ist Sternbild Zwilling, genau wie Keuin. Es gibt eine sehr uielschichtige Verbindung zwischen ihnen, die mich fasziniert.“
„Das Album geht sehr offen mit dem Thema Sexualität um „sagt Nina Barnes. „Ich wollte diese Offenheit porträtieren.“ Nebenden nackten Körpern finden sich auf dem Cover weitere Elemente, die das Thema mehr oder weniger explizit aufgreifen: Ein Totem als Phallussymbol, Blumen mit weiblichen Geschlechtsteilen. „Sex ist eine unglaublich starke Kraft der menschlichen Natur-und so wunderbar geheimnisuoll“, sagt Nina Barnes. Doch in einer „oversexed“ Gesellschaft, in der Sex aus der Intimsphäre in alle Bereiche des Alltags ausgebrochen ist, wird anspruchsvoller künstlerischer Umgang mit dem Thema immer schwieriger, aber auch bedeutender: „Die Sexualität wird überall, uor allem in der Popkultur,ausgenutzt und ist zu etwas Triuialem uerkommen. Ich wollte ihr die magische Kraftzurückgeben. Sexualität muss mystisch sein, um ihre Kraft entfalten zu können. Eine halbnackte Britney Spears ist billig und langweilig.“
www.ofmontreal.net
