Simply Red, London, Kilburn National Ballroom


Kilburn ist einer jener grauen Londoner Vororte, die zwar innerhalb der Stadtgrenzen, aber schon fernab der schillernden Hipness der City liegen. Die meisten Besucher, die das alte Theater vollrammeln, gehören denn auch zu der Sorte Mensch, die höchstens zweimal im Jahr ein Konzert besuchen. Und wenn, dann muß es schon was Besonderes sein.

Gaststar der Englandtour ist Terence Trent D’Arby. der von der britischen Presse zur „Zukunft des Soul“ geadelt wurde. Bildschön und gerade 25 Jahre alt. ist er Profi genug, das Simply-Red-Publikum von der ersten Sekunde an zu fesseln und eine halbstündige Show hinzulegen, die eisientMan merke sich dieses Gesicht: Terence Trent D’Arby im Vorprogramm lieh einen vollen Abend wert gewesen wäre. Mit todernster Miene kündigt er zu Beginn an. der Bassist sei krank — man könne nicht spielen. Lautstarkes Murren im Publikum. Terry geht ab. da flammen plötzlich die Spots auf. der Drummer hämmert einen harten Funkbeat, der Bassist kommt grinsend aus dem Dunkel und Terry wirbelt vors Mikrophon.

Normalerweise würde ein derartiger Jux einer Vorgruppe Kopf und Kragen kosten, aber das Publikum rast. D’Arby holt seine Stimme tief aus dem Bauch, schreit mit rauher Inbrunst oder schmeichelt mit ga’nsehautträchtiger Samtstimme. Aber er kann nicht nur singen, er bewegt sich auch, daß es den Mädchen heiß und kalt wird und die Jungs nervös nach ihren Freundinnen greifen. Der Medienjubel war ausnahmsweise nicht übertrieben — Terenee Trent DÄrhy hat Substanz genug, jeden Hype zu überleben.

Mick Hucknall hat es nicht leicht, mit seinem Ochsenfrosch-Sexappeal nach dem Jungstar vor die aufgeheizte Menge zu treten. Terence Trent D’Arby war verdammt gut. aber Simply Red haben die Fans. Die ersten Akkorde von „Come to My Aid“ erstickten im Applaus. Sobald Mick Hucknall den Mund aufmacht, dreht sich alles nur um ihn. Seine Stimme hat eine Fülle und Eindringlichkeit, die alle seine Kritiker zu unverbesserlichen Miesepetern degradiert.

Die Band steht solide und kompakt. In ihrer gesichtslosen Brillanz erinnern die Musiker an die Jazzrock-Virtuosen der 70er: Sie können alles spielen, aber haben wenig zu sagen.

Dafür ist der Sound bombastisch. Mick Hucknall ist CD-Fan — und das hört man. Gekonnt zieht er den Spannungsbogen nach oben. Doch zu wirklicher Höchstform läuft er erst auf. als

die Band die Bühne verläßt und nur er zum Piano „Even Time We Say Goodbye“ singt. Jenseits aller Stilfragen: Hier geht es um diese Stimme. Da können auch die gekonnten Alibi-Soli der Band nicht darüber hinwegtäuschen.