Sheila E


Geschmack hat er ja, der Mini-Prince aus Minneapolis. Zumindest was die Optik betrifft, hat er in der Wahl seiner weiblichen Proteges ein scharfes Auge bewiesen. SheilasE. aber will nicht nur mit Körpereinsatz glänzen.

Die Tochter des Santana-Percussionisten Pete Escovedo trommelt sich durch Los, verpißt euch hier!“ Bei einem zwei Meter 20 hohen Muskelberg fallen einem da natürlich keine Gegenargumente ein. Unser Vergehen war, daß wir bis auf zwei Meter an Miss Sheila Escovedo herangetanzt waren – und die läßt ihre Privatsphäre inzwischen gerne professionell abschirmen. Dabei war sie uns zunächst gar nicht aufgefallen, denn die zierliche Person ließ ihre Hüften unter einer riesigen schwarzen Hutkrempe kreisen.

Sie macht auch nicht den Eindruck, als könne sie sich nicht selbst wehren. Ihre Augen haben dieses lateinamerikanische Stechen, das selbst Kolosse ins Schwanken bringt. Nichts kann unangenehmer ausgehen, als wenn man einer hispanischen Schönen dumm kommt. Im nicht so prominenten Fall geht das noch mit tiefen Wunden im Selbstbewußtsein oder einer Ohrfeige des herbeigeeilten Bruders glimpflich ab.

Nun, Sheila Escovedo kann es sich, seit sie unter Princes Fittichen als Sheila E. bekannt geworden ist, inzwischen leisten, die Körbe austeilen zu lassen. Sie gehört schon zu der Kategorie Star, die auch im New Yorker In-Club »Area« damit rechnen muß, von Autogrammjägern belästigt zu werden.

Zum Glück hatte ich an diesem Abend weder zwischenmenschliche noch journalistische Ambitionen. Die jorunalistischen wären zu der Zeit auch noch aussichtsloser als alle anderen gewesen. Prince hat nämlich Informationssperre über sich und sein Gefolge verhängt. Aber auch bei seltenen Interviews gibt sich Sheila E. nicht sehr gesprächig. „Ich bin 12“ beantwortete sie die unverschämte Frage eines Schreibers nach ihrem Alter.

Im Gegensatz zu ihren Kolleginnen Vanity und Apollonia begann sie ihre Karriere nicht mit ihrem Luxuskörper, sondern mit solidem, musikalischem Handwerk. Das ist bei ihr schon fast genetisch bedingt: Ihr Vater ist der legendäre West Coast-Percussionist Pete Escovedo, der lange Zeit bei Santana spielte.

Ihren ersten Live-Auftritt hatte Sheila 1962 im zarten Alter von (angeblich) fünf Jahren im Sands Ballroom in ihrem Heimatort Oakland in Kalifornien. Pete Escovedo hob sein Töchterchen auf die Bühne – und die erntete mit einem kurzen Conga-Solo wahre Begeisterungsstürme.

Der ernsthafte Gedanke an ceine Musik-Karriere lag allerdings noch zehn Jahre entfernt: Mit fünfzehn schlug sie drei Stipendien für Geige (auf der sie sich äußerst talentiert erwies) aus und zog es vor, als Conga-Spielerin mit ihrem Vater auf Tour zu gehen.

Der war zunächst überhaupt nicht begeistert von den Ambitionen seiner Tochter, denn sie sollte eigentlich nur seinen erkrankten Schlagzeuger für einen Abend vertreten. “ Wir spielten – und ich bekam stehende Ovationen,“ erinnert sich Sheila. „Mein Dad war richtig geschockt. Nach diesem Gig wußte ich: Das will ich mein Leben lang tun. Dad meinte nur: Du bist verrückt. Aber ich schmiß die Schule – und eine Woche später war ich mit ihm auf Südamerika-Tournee.“

Die nächsten Jahre arbeitete sie hart, doch niemand wollte den Teenager hinter den Congas so recht ernst nehmen. Mit ihrem Vater nahm sie die ersten Platten auf dem Fusion-Label „Fantasy“ auf.

Erst gegen Ende der Siebziger ging es bergauf. Ziemlich steil sogar. Drei Jahre lang spielte sie in der George Duke-Group, was wiederum die kalifornische Studioszene auf sie aufmerksam machte. Sie bekam gut bezahlte Studio- und Live-Jobs bei so illustren Namen wie Diana Ross, Neil Diamond, Herbie Hancock, Marvin Gaye, Spyro Gyro und Lionel Richie (bei dem übrigens auch ihr Bruder Peto engagiert ist).

Während all der Zeit war sie schon eng mit einem Gitarristen aus Minneapolis befreundet, der sich Prince nannte und seinen ersten Millionenhit 1978 noch als Teenager landete. Prince wurde als großer Santana-Fan dem mexikanischen Gitarrero durch den Soundingenieur Tommy Vicari vorgestellt, der auf Santanas Moonflower-Album gearbeitet hatte und Princes Debüt FOR YOU produziert hatte. Prince lernte nicht nur Carlos Santana, sondern auch dessen Percussionisten Pete Escovedo und seine Tochter kennen und besuchte die Familie des öfteren in ihrem Haus in Oakland.

“ Wir waren gute Freunde und arbeiteten am Klavier an Songideen, “ erzählt Sheila vom Beginn der Freundschaft. „Wirhaben uns gegenseitig stark beeinflußt, weil wir im Prinzip die gleiche Musikauffassung haben. „

Zunächst aber war Prince voll und ganz mit seiner Karriere und Freundin Vanity beschäftigt. Doch dann „kühlte sein Verhältnis zu Vanity marklich ab und er suchte wieder den Kontakt mit Sheila, „erinnert sich Pete Escovedo. „Sie haben lange an Songs gefeilt – und irgendwann kam dann die Idee, eine Platte daraus zu machen. Sie wollten allerdings nicht, daß die Zusammenarbeit publik wird. Dann hätte es nämlich so ausgesehen, als wäre es nicht Sheilas Arbeit; darum ist Prince nur mit seinem Pseudonym Jamie Starrauf dem Cover vertreten. Aber man hört natürlich sofort, daß er seine Finger im Spiel hat.“

Sheila verkürzte ihren Nachnahmen: “ Wer kann sich schon Escovedo merken. Sheila E. klingt viel sexier.“ Das Debütalbum The Glamorous Life der neuen Sheila wurde prompt vergoldet, ihre Singles setzten sich ganz oben in den Charts fest.

Für die, die sie vorher kannten, war der abrupte Wechsel von der afromähnigen Jazzrock-Virtuosin zum schillernden Sexsymbol mit Pop-Ambitionen ein Schock. Und für die Klatschpresse war ihre Zusammenarbeit mit Prince natürlich ein gefundenes Fressen. Aber all die deftig erotischen Gerüchte wurden dementiert: „Wir sind gute Freunde und sonst nichts.“ So gute Freunde immerhin, daß ihr Prince während ihrer letzten Lionel Richie-Tour jeden Tag einen Strauß Rosen zukommen ließ.

Wegen dieser Tour konnte sie auch nicht in „Purple Rain“ mitspielen, war allerdings am Soundtrack beteiligt und ist auch auf den B-Seiten der Singles „When Doves Cry“ und „Let’s Go Crazy“ zu hören. Auf der Prince-Tour dieses Jahr bestritt sie mit ihrer eigenen Band das Vorprogramm (und wurde nicht minder bejubelt als ihr Meister).

Klatsch und Tratsch rissen nicht ab. Dabei ist ihr Sex-Appeal bei weitem nicht so plakativ und aggressiv wie der von Vanity und Apollonia. Auch in ihren Texten hält sie sich, im Gegensatz zum übrigen Prince-Clan, äußerst zurück. Während Vanity unverhohlen fordert: „/ want 7 inches and more“, hat Sheila mit der Rolle der heißen Sexkatze nichts am Hut: „All I ‚m asking for is a little decency and class and just to be treated right. „

Solche Texte klingen fast keusch und stehen deutlich im Gegensatz zu ihren prickelnden „Glamour G/’rf“-Auftritten in hautengen Bodystockings. „Natürlich bin ich nicht prüde“, meint sie, „aber warum soll auch ich mich in meinen Texten mit nichts anderem als Sex beschäftigen? Vanity bringt das außerdem wesentlich überzeugender. Ich finde die Texte von Prince und Morris Day wirklich gut und spaßig. Sie passen halt nicht zu mir.“ So lange ihre Musik weiter so knallt, wird ihr das auch keiner übel nehmen.

Ihr zweites Album Romance 1600 entstand teilweise während der Prince-Tour: „Ich schrieb die Songs unterwegs und als sie fertig waren, sind wir in jeder Stadt ins Studio gegangen und haben so lange aufgenommen, bis wir wieder auf die Bühne mußten. Nach den Konzerten ging ’s oft zurück ins Studio – und die Sessions dauerten dann von zwei Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags. Hat ganz schön geschlaucht, aber es war auch eine der aufregensten Zeiten meines Lebens.“

Auf Romance 1600 singt sie nicht nur, sondern spielt auch Timbales, Congas, Percussion, Schlagzeug, Baß und Keyboards. Trotzdem muß sie sich gegen Vorwürfe, sie betreibe musikalischen Ausverkauf und sei nur eine Prince-Marionette, immer noch wehren. Sheila haßt diese Angriffe auf ihr künstlerisches Ego, aber so lange ihre Platten stark nach Prince klingen, wird sie sich mit ihrer Verteidigung schwer tun. Dafür hat sich ihr Traum von Glanz und Glamour erfüllt.

Ihre erste Filmrolle (wenn man ihren kurzen Auftritt im Hip Hop-Epos „Wild Style“ nicht mitzählt) bekam sie gerade in „Krush Groove“, einem klischeeträchtigen Rap-Schinken mit Kurtis Blow, Run DMC und den Fat Boys.

In Amerika wird sie bereits bejubelt und vergöttert. Sheila E. liebt ihr „Glamorous“ über alles: „Oft überkommt es mich auf der Bühe: Ich sehe all die Leute in der Halle und fühle mich dann größer als das Empire State Building.“