Session-Album Santana/Mc Laughlin: „…weil Carlos so ein dufter Typ ist..“
In diesem Jahr fangen sie an zu fliegen, die 'Birds of Fire', so jedenfalls scheint es angesichts der ersten grösseren Europa-Toumee des Mahavishnu-Orchestra. Als vor nun beinahe schon zwei Jahren das 'Inner Mounting Flame' Album herauskam, sperrten die ersten Spezies bereits ihre Ohren auf. Im letzten Jahr erschien dann 'My Goal's Beyond', eine LP, die eigentlich schon viel früher produziert worden war. In der Popmusik-Welt wurde McLaughlin Anfang dieses Jahres zu einem Begriff, als sich die Nachricht verbreitete, dass James Taylor auf seinem 'One Man Dog' Album einen Song mit ihm aufgenommen hatte. Nur Wenige achteten darauf, dass bereits schon auf dem Carlos Santana/Buddy Miles Live-Album eine Komposition von John McLaughlin verwendet wurde. Jetzt nach Erscheinen der bislang neuesten Mahavishnu-LP 'Birds of Fire' steht eine neue Überraschung ins Haus: Ein Session-Album mit McLaughlin und Carlos Santana. Wie es dazu kam, erzählt der Superklasse-Gitarrist, der von seinem Guru den Namen Mahavishnu bekam, im nachfolgenden Interview, das ME-Redakteur Lutz Wauligmann vor der Europa-Toumee in Los Angeles mit ihm machte:
NEUES ALBUM: SANTANA/McLAUGHLIN
ME: Was heisst Mahavishnu?
John: Es heisst ‚göttliche Kraft“.
ME: Wie lange besteht das Mahavishnu Orchestra?
John: Wir sind jetzt seit drei Jahren zusammen.
ME: Warum kam ausgerechnet Jerry Goodman ins ‚Orchestra‘?
John: Nun, weil er ganz einfach der grösste Violonist ist, den ich kenne. Damals hörte ich das ‚Flock‘-Album, auf dem er mitspielte. Auf der Plattenhülle war noch nicht einmal sein Name angegeben. Alles was ich von ihm kannte, war die Musik und die Tatsache, dass die Flock-LP auf CBS erschienen war. Also rief ich bei CBS an. Die haben ihn auf einer Farm in Wisconsin ausfindig gemacht. Dort rief ich ihn an und fragte ihn, ob er Lust habe, beim Mahavishnu-Orchestra mitzumachen.
ME: Spielte Jerry zu dem Zeitpunkt noch mit den Flock?
John: ‚Flock‘ hatten sich gerade 2 Monate vorher aufgelöst.
ME: John, Du hast vor emiger Zeit zusammen mit Carlos Santana ein Album aufgenommen. Wie kam es dazu?
John: Carlos war fasziniert vom Mahavishnu-Orchestra. Er besuchte eins unserer Konzerte in Kalifornien. Anschliessend kam er hinter die Bühne und erzählte mir, dass er in letzter Zeit sehr viel über Jesus Christus meditiere. Durch sein Interesse an spirituellen Dingen hätte sich sein Leben vollständig verändert, sagte er, und unsere Musik habe sehr inspirierend auf ihn gewirkt. Nun, ich flog zurück nach New York, wo ich einige Monate später an Carlos dachte, ganz einfach, weil er so ein wahnsinnig dufter Typ ist. Ich rief ihn dann an und sagte ihm, dass ich es gut fände, zusammen mit ihm eine Platte aufzunehmen. Er war darüber sehr glücklich. Das Album wird, wenn dieses Interview im August erscheint, bereits auf dem Markt sein. Carlos ist übrigens inzwischen auch Schüler von meinem Guru Sri Chinmoy geworden.
ME: Wie wird die Santana McLaughlin LP heissen?
John: ‚Love, Devotion and Surrender‘.
MIT LANGEN HAAREN WENIGER DURCHBLICK?
ME: John, Du trägst kurze Haare. Hat diese Frisur etwas mit deiner religiösen Überzeugung zu tun?
John: Nun, vor einigen Jahren hab‘ ich lange Haare und einen Bart gehabt. Als ich Schüler von Sri Chinmoy wurde, bat dieser mich kurze Haare zu tragen und ganz natürlich habe ich mich danach gerichtet, denn ich wollte ihm damit eine Freude machen. Ausserdem wollte ich mich selbst testen; ich wollte herausbekommen, wie abhängig ich von meinen langen Haaren bin, wie abhängig ich von meinem äusseren Image bin.
ME: Hat Sri Chinmoy gesagt, warum er möchte, dass Du dir die Haare schneidest?
John: Nein, mich interessiert auch gar nicht warum. Vielleicht wollte er herausfinden, wie ernst ich es meine – ich weiss es nicht. Mich interessiert es nicht, denn ich wollte ihm damit eine Freude machen, weil ich nur mit ihm ein erleuchetes Leben führen kann. Jetzt finde ich meinen kurzen Haarschnitt selbst auch prima.
ME: Fühlst Du dich jetzt besser als zu der Zeit, in der Du deinen Guru noch nicht kanntest?
John: Ich fühl‘ mich besser, weil ich jetzt ein Leben führe, so wie ich es schon immer hätte führen sollen.
ME: Haben Typen mit langen Haaren weniger Durchblick als Leute wie Du?
John: Das wäre wohl das Dümmste auf der Welt, wenn ich das behaupten würde. Nein, ich weiss, dass wir alle Brüder sind, und dafür arbeite und lebe ich. Ich unterscheide mich insofern, als ich jetzt ohne ‚Image‘ lebe. Die Menschen sollten nicht für ein Image leben, sondern sich durch ihre Gefühle leiten lassen, sie sollten ein gefühlvolles Leben führen. Ohne meine Gefühle ‚könnte ich meine Musik vergessen. Wenn man sich eine Gruppe live anschaut und durch deren Musik nicht bewegt wird, weil sie allzu künstlich ist, dann verlässt man das Konzert total unbefriedigt. Wenn Du bei einem Konzert merkst, dass die Musik dich zum Weinen oder zum Schwitzen oder zum Mitklatschen usw. bringt, dann fühlst Du, dass sich der Abend gelohnt hat.
SCHWEIGEN IST DIE OPTIMALE MUSIK
ME: Du verstehst dich als ein göttliches Werkzeug. Glaubst Du, dass Musik die wichtigste Sprache Gottes ist?
John: Lass‘ es mich so sagen: Die Musik verkörpert die Sprache Gottes. Die faszinierendste Sprache Gottes ist für mich das Schweigen. Das ist für mich die optimale Sprache, die optimale Kommunikation, und Schweigen ist bezeichnenderweise ein wichtiger Teil jeder Art von Meditation. Kein Mensch hört auf, sich mitzuteilen, nur weil er seinen Mund hält. Jeder teilt sich permanent den Menschen in seiner Umgebung mit.
Fortsetzung auf Seite 43.