Schwein Bier & Gesang


Den Alkohol hat er im Griff, die Schweine im Stall. Und endlich hat Joe Cocker auch jemanden, der ihm die richtigen Songs besorgt

Meine Schweine machen’s auch nicht mehr lange“, sagt er ganz geknickt. „Sechs Jahre haben wir sie jetzt schon. Doch nun werden sie alt. Die Hufe gehen auseinander, die Tiere können nicht mehr lange stehen. Neulich habe ich gesehen, wie eins von ihnen im Liegen gegrast hat. Oh Gott!“ Der 47jährige Hobbyzüchter braucht die Ruhe in seinem idyllischen Tal bei Santa Barbara in Kalifornien. Und obwohl wir eigentlich über seine neue Platte reden wollten, schwärmt Cocker erstmal von dem Vogelhaus, das er bauen will. Für Hühner und Tauben.

Mit „Night Calls“ ist ihm ein großer Wurf gelungen. Und die Weichen in die Zukunft sind gestellt: Zu allseitiger Überraschung trennte sich Cocker von seinem langjährigen Manager, dem Woodstock-Veranstalter Michael Lang, um sich umgehend unter die Fittiche von Roger Davies zu begeben. Der Tina Turner-Manager bietet das.

was Cocker am dringendsten braucht: beste Kontakte zu den profiliertesten Songschreibern der Welt.

Cocker seufzt zufrieden. „Material ßr eine neue Platte zusammen zu bekommen, ist immer ein ungeheuer schmerzhafter Prozeß“, sagt er dann und runzelt die Stirn. „Prince hat mir diesmal ein Stück geschickt. Von Bob Dylan und Mark Knopfler habe ich leider nichts gehört. Viele Autoren meinen, ihre Songs wären ihre ,Babies‘; sie haben Angst, daß jemand wie Janet Jackson einen Dancehit draus macht. „

Das brauchen sie bei Joe Cocker nicht zu befürchten. Und die meisten sind von dem. was er aus ihren Stücken macht, durchaus angetan. Zumindest Stevie Winwood, dem Cocker bei ihrer gemeinsamen Tournee im Frühjahr ganz schüchtern seine Version des „Blind FaitrT-Klassikers „I Can’t Find My Way Home“ vorspielte. „Diesen Song habe ich seit vielen Jahren geliebt. Für mich ist es ein Stück, das ich nach einer langen Nacht an der Bar singen würde — nur von einer akustischen Gitarre oder einem Klavier begleitet. Und genau so hat sich das dann auch ergeben. Im Anschluß an eine unserer Aufnahmesessions hat jemand die Akkorde angeschlagen — und ich sang los. Dann haben wir’s gleich aufgenommen.“

Da Cocker selbst kaum schreibt, ist er umso penibler bei der Auswahl seiner Lieder: „lam a lyrics man! Die Musik isi zwar wichtig, doch vor allem die Worte müssen stimmen. Denn als Sänger arbeite ich ja mit Texten. Da muß ich im Konzert das letzte bißchen Saß aits den Worten rausquetschen, damit so ein Song jedesmal anders klingt.“Der von Prince beigesteuerte Song, „Five Women“, hat ihn gleich angesprochen, obwohl ihm der Text ganz schön lang vorkam: „Puh, ich halte das Gefühl, ein ganzes Lexikon auswendig zu lernen …“ Berechnung und Raffinesse sind dem ehemaligen Klempner fremd. In den rauhen Gewässern des Musikgeschäfts wurde er mehr als einmal zum Opfer geldgieriger Business-Haie. Und gegen Ende der Siebziger Jahre fühlte sich Cocker völlig ausgebrannt. „Ich war fertig, in jeder Beziehung. Schwer zu sagen, was einem dann den Lebenswillen wiedergibt. Was bringt einen wieder ins Gleis? Bei mir war das ein sehr langwieriger Prozeß. Um wieder Licht am Ende des Tunnels zu sehen, mußte ich mich ganz schön ändern.“ Das betrifft vor allem den Alkoholkonsum, sein Hauptproblem. Wie jeder weiß, Cocker inklusive: „Das ist der einzige Stoff, mit dem ich je Schwierigkeiten hatte. Heute komme ich aber gut damit zurecht. So wie jeder andere auch. Da passiert es zwar mal. daß ich mit meiner Band bis vier Uhr morgens in der Hotelbar versacke. Aber dann muß ich morgens wieder früh raus, wenn ich um elf einen Fernsehtermin habe oder so. Oh Gott! Wenn man in den Zwanzigern ist, steckt man so etwas ja locker weg. Doch jetzt passe ich ganz schön auf. „

Ob er sich manchmal nach seiner englischen Heimat sehnt? „Es ist natürlich toll, eine Tüte Chips in der einen Hand zu hallen und in der anderen einen Krug mit richtigem englischen Bier“, sagt Cocker mit leuchtendem Blick.., Und wie das wird, wenn man älter ist, kann man nie wissen. Wie zum Beispiel Rod Stewart, der wegen seines Vaters wieder nach England gegangen ist. Wegen meines Vaters würd ich’s jedenfalls nie machen. Der hat sich noch nie in einem meiner Konzerte blicken lassen. „

Selbst Kinder zu haben, dazu ist Cocker in seinem turbulenten Leben irgendwie nie gekommen. Seine Frau hat aus erster Ehe eine 22jährige Tochter und wollte keine weiteren Kinder mehr. „Dieser Zug ist irgendwie an mir vorbeigefahren“, sagt er nachdenklich. Doch dann hellt sich sein Gesicht auf. „Aber weißt du — hey, Man! — wenn ich da oben auf der Bühne stehe und die I6jährigen Kids im Publikum sehe, dann habe ich wirklich das Gefühl, daß diese Fans meine Kinder sind. Daß diese jungen Leute in meine Konzerte kommen, bewegt mich immer wieder.“