Schwarzmarkt virtuell?


Online-Ticketbörsen bieten Leuten ein Forum, die eine überschüssige Konzertkarte verkaufen wollen. Oder aber auch 30. Wem nützt dieser Ticket-Zweitmarkt? Gierigen kommerziellen Trittbrettfahrern oder dem Fan?

Vor diese Frage gestellt, votiert die Marek Lieberberg Konzertagentur (MLK) klar für „Trittbrettfahrer“. Denn obwohl ihre (auf den Tickets abgedruckten) allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) den gewerblichen Weiterverkauf untersagen, wurden dieses Jahr etwa Karten für das bereits ausverkaufte „Rock am Ring“-Festival auf den Websites von Ticketbörsen wie Viagogo und Seatwave (seit Januar 2007 bzw. 2008 in Deutschland aktiv) angeboten. Eine anwaltliche Unterlassungsverfügung von Seiten der MLK ließ nicht lange auf sich warten. „Wie kann ein Konzert- oder Festivalveranstalter den Handel mit Tickets aus zweiter Hand verbieten?“, kontert Seatwave-Chef Veit Spiegelberg. „Jedes Ticket, das gekauft worden ist, soll auch weiterverkauft werden können!‘ Gegen einen Weiterverkauf aus privaten Gründen hat auch Marek Lieberberg nichts, wohl aber gegen den gewerblichen Zweithandel: „Der Sekundärmarkt ist aus unserer Sicht der Versuch von Dritten, die nichts mit dem Musikgeschäft zu tun haben und nichts hierzu beisteuern, gewerblich Tickets zu weit überhöhten Preisen zu handeln“

Damit spricht Lieberberg das Hauptargument gegen den Zweitmarkt an: die Abzocke mit überteuerten Karten. Davon will Daniel Nathrath, Deutschland-, Österreich- und Schweiz-Chef von Viagogo, nichts wissen: „Setzt jemand im Primärmarkt die Preise zu hoch an, kann es sein, dass sie im Sekundärmarkt unter die des Primärmarktes sinken. Dann passen sich Angebot und Nachfrage einander an, wie es z.B. bei Bon Jovi und dem Wacken Festival der Fall war. Da hatte man bestimmte Erwartungen. Die Nachfrage war dann aber nicht so hoch, weswegen Fans bei uns Schnäppchen machen konnten.“

Das Gros der weiterverkauften Tickets erfährt aber wohl doch eine Preissteigerung, zumindest wenn man eine von Februar bis April 2008 gelaufene Studie über den britischen Markt zugrunde legt: Laut dem Marktforschungsinstitut Tixdaq erzielten Weiterverkäufer in diesem Zeitraum Erlöse von durchschnittlich 117 Prozent über dem ursprünglichen Verkaufspreis. Freilich lassen sich diese Daten nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, aber die Tendenz scheint vorgegeben. Daniel Nathrath spricht von einem „Milliardenmarkt“, von dem die Ticket-Portale in der Regel dadurch profitieren, dass sie Gebühren für Kaufund Verkauf erheben. Viagogo etwa kassiert vom Ticketkäufer zehn Prozent des Verkaufspreises und vom Verkäufer 15 Prozent und garantiert im Gegenzug, dass die Viagogo-Kunden rechtzeitig ihr Ticket bzw. auf jeden Fall ihr Geld bekommen. „Transaktionsmanagement“ heißt hier das Zauberwort.

Klar ist: Je höher die Erlöse, die Weiterverkäufer auf den Ticketbörsen erzielen, desto höher auch die Gebühreneinnahmen der Betreiber. Wieso also sollten diese ein Interesse daran haben, die Weiterverkäufer zu reglementieren? Von Obergrenzen – etwa den Weiterverkaufspreis auf maximal 15 Prozent über dem Originalpreis zu beschränken (wie in Dänemark praktiziert) oder die Zahl der Tickets pro Weiterverkäufer zu begrenzen – hält Viagogo erwartungsgemäß wenig: „Wir sind Anhänger einer freien Marktwirtschaft“, so Daniel Nathrath. „Warum Obergrenzen? Man macht ja auch keine Untergrenze. Angebot und Nachfrage regulieren den Preis. Das kann den Leuten zugute kommen. Kann natürlich sein, dass dadurch auch mal was teurer erscheint.“ Bei den Karten für den Ring 2008 etwa wurde dieser „Schein“ doch recht konkret: Die ursprünglich 135 Euro teuren Tickets rangierten bei Viagogo zwischen 199 und 405, bei Seatwave zwischen 130 und 220 Euro.

Derweil wetzt MLK im Kampf gegen „völlig überzogene Preise“ die Säbel. „Wir bereiten derzeit mit weiteren Beteiligten eine Klage vor“, sagte Geschäftsführer Marek Lieberberg am 8. Juni bei der Pressekonferenz zu Rock am Ring/im Park. Wie erfolgreich die sein wird, bleibt abzuwarten. Zwar ist laut eines Urteils des Oberlandesgerichts Hamburg von 2005 ein Verbot des gewerblichen Weiterverkaufs von Eintrittskarten in den AGB, wie es MLK praktiziert, „grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden“. Andererseits hat der Bundesgerichtshof jüngst entschieden, dass der Handel mit von Privatpersonen erworbenen Tickets zulässig ist. Ein insofern schlüssiges Urteil, als die Ticketbörsen ja genau genommen keine Tickets weiterverkaufen, sondern auf ihren Websites lediglich Privatverkäufern ein Forum bieten. Es bleibt spannend.