Schmuddelkinder
Retten die Queens Of The Stone Age mit den guten, alten Zutaten Sex & Drugs & Amoral am Ende den Rock'n'Roll?
Josh Homme kann es nicht mehr hören. Gerade hat er ein Telefon-Interview mit einem spanischen Fanzine hinter sich gebracht, dessen Mitarbeiter ihn wieder – und mit Nachdruck – mit dem alten Unwort traktiert hat: Die Queens Of The Stone Age seien ja eine dufte Stoner Rock Band. „Stoner Rock! Das klingt nach Leuten, die neben dem Plattenspieler kauern, kiffen und Black Sabbath hören. Nein danke. Ständig hören wir das: ‚lungs, ihr macht Stoner Rock, Deckel zu. Ihr habt ihn erfunden!‘ Wovon zur Hölle reden die?“
Homme (27) und sein symbiotischer Partner Nick Oliveri (28) sitzen in ihrer Umkleide in der Neu-isenburger Hugenottenhalle. Es ist ein Nachmittag Ende November, gerade haben sie ihren Soundcheck absolviert. In ein paar Stunden werden sie mit ihren Kollegen das zweite Konzert ihrer Deutschland-Tournee im Vorprogramm von Monster Magnet spielen, einem Unternehmen, das nicht den üblichen hierarchischen Tour-Gesetzen gehorcht: „Hier in Deutschland sind wir für Monster Magnet Vorgruppe“, so Homme, „dafür Supporten sie in England dann uns. Wir haben eine entspannte Arbeitsatmosphäre. Dieses Getue um Headlining ist mir suspekt – ich würde nie im Leben Festival-Headliner sein wollen. Tolle Aussicht: Alle haben schon 20 Stunden lang Musik gehört, und dann treten wir auf. Lieber nicht. Ein angenehmer Nebeneffekt des Arrangements mit Monster Magnet ist, dass wir einander besser behandeln, weil wir uns auf der gleichen Ebene begegnen und ebenbürtig sind.“ So gehört sich das: losh Homme geht es um die Musik.
Genauer gesagt: den ROCK. Mit Großbuchstaben. Das volle Programm: rumpelnde Drei-Minuten-Kracher, krisp auf den Punkt gegart, stellenweise roh und mit Straßendreck im Mahlwerk, aber immer höchst goutierbar. Angerichtet haben das Ganze Homme und Oliveri, die beiden einzigen festen Mitglieder der Queens Of The Stone Age, im Kollektiv und mit Hilfe ebenso zahlreicher wie namhafter Gastmusikerlnnen. „Rated R“, das jüngste Album der US-Band, will laut losh „den Leuten keine 72 Minuten Musik um die Ohren schlagen – mach‘ es kurz, aber mach‘ es gut. Das ist die Art Band, die wir sein möchten.“ Oliveri scheint dieses Motto heute zum ersten Mal zu hören, wirft die Hände in die Luft und springt auf: „Wie? Was? Ohne mich, lungs, dann gehe ich.“ Souverän lässt losh ihn vor die Tür und ruft hinaus: „Hey, spielt hier noch jemand Bass?“ Die beiden einstigen Mitglieder der kultisch verehrten Kyuss – Oliveri war nur bis zum zweiten Album „Blues ForThe Red Sun“ (1992) dabei, spielte darüber hinaus bei den Dwarves mit und hat sein Solo-Bandprojekt Mondo Generator, deren Album „Cocaine Rodeo“ dieses Jahr erschien – verstehen sich blind und sind ständig dabei, sich gegenseitig aufzuziehen. Sie sind wie siamesische Zwillinge, seit 14 Jahren Rücken an Rücken im Fruchtwasser ihrer Musik.
Möchte man sich den Queens beschreibend nähern und dabei den Begriff Stoner Rock vermeiden, muss schon eine ganze Palette Referenzen her, um den Farbenreichtum ihres rasant-rotzigen Klangs in Worte zu fassen. Wie wäre es mit: Elvis, Roy Orbison, The Stooges, Soundgarden, Ion Spencer und Thee Hypnotics spielen so lange, bis auch der Letzte zu Boden gegangen ist? Oliven ist wieder zurück und patscht sich vergnügt auf den rasierten Schädel: „Thee Hypnotics, yeah – die waren echt übel drauf! Fast so hart wie die Stooges.“ Sagt’s und wendet sich der ausgiebigen Verkostung der Schokoriegel zu, die im Backstage-Raum der Band Rauschdrogen ersetzen sollen. Nein, mit dem Etikett „Stoner Rock“, das ihrer alten Band Kyuss anhaftet, hat es Josh Homme ganz und gar nicht: „Nicht, dass wir allergisch gegen den Begriff wären – er trifft einfach nicht zu. Als wir Kyuss waren, benutzte ihn niemand. Die Bezeichnung gab es noch gar nicht, und als Queens entsprechen wir dem weniger denn je.“ Dass die Musikpresse damit gerne rückwirkende Ordnung in den Orbit der Queens Of The Stone Age, des fruchtbaren Umfelds von Kyuss, Nebula, Unida und Fu Manchu bringt, „ist nicht unser Ding“, schmatzt Nick. „Das kann sich jemand anders auf die Fahnen schreiben. Wir wollten einfach eine gute Party mit unseren Freunden feiern; früher passierte das am Pool, heute feiern wir im Studio. Wir haben das Glück, viele talentierte Freunde zu haben, freaky people lhat kick ass.“ Zum Beispiel Mark Lanegan und Martin Barren von den ScreamingTrees (bei denen Homme nach dem Kyuss-Split 1995 für zwei lahre anheuerte), Chris Goss (Masters Of Reality) sowie Pete Stahl und Wendy Rae Moan (Earthlings?), um nur einige zu nennen.
Für das Debüt-Album „Queens Of The Stone Age“ hatte Homme 1998 noch rasch die neue Schublade Robot Rock aufgezogen, in der die Mantras der frühen QOTSA-Songs kosmische Kleinwirbel erzeugten. Eher eine Zustandsbeschreibung als ein griffiger Terminus zur Musiktrennung? Josh segnet das ab: „Es hatte mit Trance zu tun – nimm ein Riff, wiederhole es, bis daraus ein Trance-Groove wird, und dann lass‘ es laufen und laufen und laufen. Als Kind liebte ich die Chuck Jones-ZeichentricJ-serie, in der immerzu vom ‚Heim von morgen‘, von Laut und schmutzig
futuristischen Wohnungsausstattungen die Rede war: Wenn man etwas verschüttet, kommt sofort ein als Hausmädchen aufgeputzter Roboter angewieselt und wischt auf. Aber zuletzt gehen die Roboter immer kaputt und putzen, räumen und wischen ständig das Falsche. Mit diesem Bild vergleiche ich unsere Musik: Defekte Roboter, die unablässig das Haus putzen.“ Damit kein falscher Eindruck entsteht: allzu sauber und aufgeräumt kommen die Songs der Queens nicht daher. Die Kelle Schmutz, der gesammelte Bodensatz der Rock-Tradition sind ausdrücklich erwünscht. Zum Beispiel auf einer gegen Ende 2000 erschienenen EP., die neben der bereits legendären Drogenverherrüchungs-Hymne „Feel Good Hit Of The Summer“ einige Cover-Versionen enthält: „You’re So Vague“, eine Interpretation in Anlehnung an Carlie Simons „You’re So Vain“; „Never Say Never“ der obskuren Spät-70er-Postpunker Romeo Void sowie das Kinks-Stück „Who‚ll BeThe Next In Line“.
Nick freut sich diebisch über diese Songs. „Wir wollten den Kinks-Song machen, weil wir ihr Zeug wirklich lieben; sie sind roh und punkig und treten einem in den Hintem. Den Romeo Void-Song haben wir uns vorgenommen, weil er eine gewisse Verkommenheit im Refrain aufweist. Vielleicht könnte ich dich besser leiden, wenn wir miteinander schlafen würden‘ – ich finde, darum geht es im Rock. Dieses Enthemmte, Losgelassene. Ich hasse die Musik der neunziger Jahre für das, was sie dem Rock angetan hat, nämlich ihm das Schmutzige und Verkommene zu nehmen. Es geht um Sleaze, um Freiheit! ‚Lass uns high werden und ficken und uns eine Rockband anschauen!‘ Das ist Rock. Was zur Hölle ist mit der schönen Sittenlosigkeit passiert, die überall im Rock’n’Roll war, als ich aufgewachsen bin? Dass es kantig ist, war ein Grund, das Stück zu covern; der andere Grund war sein Stooges-mäßig verlotterter Inhalt.“ Nachdem die Lanze für den Schmutz gebrochen ist, zitiert losh nun noch den pädagogischen Wert dieser speziellen Cover-Versionen herbei: „Wir haben uns auch dafür entschieden, weil keiner sie von uns erwartet hat. Perfekt! Wenn mich jemand fragen würde, warum wir nichts von Sabbath covern, könnte ich nur zurückfragen, ob ich ihm nicht gleich noch ein paar aufs Maul geben soll. Und auf diese Weise fliegt das Etikett Stoner Rock auch zur Tür hinaus.“
Auf dem Klappcover von „Rated R“ tummeln sich gut gebaute und leicht bekleidete Menschen (es sind überwiegend Menschinnen) im Rock’n’Roll-Gomorrha der Queens. Natürlich wird hier bis zum Lidkrampf mit den Augen gezwinkert, aber ist das die einzige Ebene, auf der Frauen ins Spiel kommen? Auch die bandeigene Webseite lässt tief blicken und grüßt die Internet-Surfer mit gut geschnittenen Damenschenkeln. Ist Sexismus, mit dem plakativ gespielt wird, am Ende keiner mehr? „Wir versuchen, im Publikum ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis zu erzielen“, meint losh, „bei unseren Konzerten kommen Jungs und Mädchen zu gleichen Teilen. Wenn nur Jungs kämen, wäre das mies. Aber so weit wir das beurteilen können, stehen mindestens so viele Frauen auf unsere Musik wie Typen.“ Wenigstens der Name der Band ist eine Geste wider den exzessiven Machismo – die Vorstellung, wie homophobe Rednecks eher Kröten schlucken würden, als von den Queens Of The Stone Age, den Steinzeitschwuchteln, zu sprechen, erheitert die beiden Hauptdarsteller heute noch. Ihr House Of Rock hat nun einmal viele Zimmer – das schmuddelige Untergeschoss inklusive. Cnädig konzediert losh: „Mir ist jede Bezeichnung für uns recht, die einen dreckigen Aspekt hat – auch ’schmuddelig‘. Das geht okay für mich. Ich falle gerne mit dem Gesicht zuerst in die Gosse.“ Im Augenblick projizieren Homme und Oliveri ihre schmutzigen Gelüste in Ermangelung von Alternativen wieder auf die anwesenden Schokoriegel. Homme eilt seinem Freund zur Hilfe: „Komm 1 , ich mache ihn dir auf. Ich mach‘ ihn dir essfertig. Mmrah, schöner Karamelschlabber.“ Sie sollten ihre unappetitlichen Essgeräusche sampeln und einen Song daraus machen.
Doch dem technischen Budemauber haben QOTSA nicht erst mit der aktuellen Schaffensphase abgeschworen. Ihr Co-Produzent Chris Goss, Sänger und Gitarrist der Masters Of Reality, musste sich dieser Realität während der Aufnahmen zu „Rated R“ stellen. Goss, der auch die Kyuss-Alben „Blues ForThe Red Sun“ (1992) und „Sky Valley“ (1994) produziert hat, zählt seit langem zum Freundeskreis der Band – und ist als HiFi-Freak bekannt. Josh erinnert sich: „Abgesehen davon ist er wie wir gestrickt und weiß, aus welcher Ecke wir kommen, aber da ich eher ein LowFi-Typ bin, mussten wir uns in der Mitte treffen.“ – „Also MedFi?“, schnorchelt Oliveri, dem noch die Reste einer Erkältung in den Schleimhäuten hängen. „Nein, eher MedFly“, orakelt Homme, „Chris hat ein fantastisches Ohr für Melodien. Ich wusste von vornherein, dass ‚Rated R‘ eine komplizierte Platte werden würde, und wenn man mitten in den Aufnahmen steckt, schwindet die Kritikfähigkeit. Wir waren auf ein Ohr angewiesen, dem wir vertrauen konnten. Er hat uns den Weg in völlig andere Richtungen gewiesen, in die wir prompt losgerannt sind, bis wir ausser Atem waren – was bei uns recht schnell passiert.“
Das Album ist komplett auf analogem Equipment eingespielt worden, auf zwei 16-Spur-Maschinen („Fetter ist analog gar nicht möglich“ -Josh). Ein Umstand, der heute schon wieder hip ist, und der KlangÄsthetik der Queens Of The Stone Age nach nur folgerichtig. Das Soft Clipping, die harmonische Verzerrung als erwünschtes Merkmal von kontinuierlich überbelasteten Röhrenverstärkern etwa, lässt Nick Oliveris Augen glücklich glänzen: „Dieser weiche Ton. Du bekommst mehr von dem, was wirklich aus deinem Verstärker kommt. Für mich hat digital zuviel Klirren im Overdrive, wenn du dich im roten Bereich bewegst. Zu viel High-End, das. Ich mag zwar viele Platten, die digital aufgenommen wurden, aber meine ewigen Lieblingsscheiben sind analog produziert; wenn ich Musik höre, acJite ich nun mal auf die Klangfarbe. Lind die ist analog schöner.“ Ist am Ende der exzessive Röhrenmissbrauch die wahre Droge der Band? Kein Wunder, dass international die Preise für audiophile Antiquitäten anziehen. „Wir stehen wirklich auf Röhren,“ schwärmt losh, „bei uns sieht es aus wie bei den Rolling Stones 1972 der ganze Aufbau besteht aus Ampeg-Zeug (klassische, historische Röhren-Verslärker; d. Verf.), und das ist so verdammt cool – wir brauchen diesen Sound zum Leben.“ Lind das Auge isst auch mit, findet Nick: „Eine heiße Röhre hat so etwas Warmes.“ Josh grient: „Wie clever! ‚Eine heiße Röhre ist irgendwie warm.‘ Klasse. Du bist und bleibst doch mein kleines Genie.“ Nick: „Du weisst schon, was ich meine, die haben etwas Warmes, Organisches an sich. Wie schön Röhren aussehen, wenn sie so stimmungsvoll vor sich hin glühen…“
Das analoge Element macht Queens Of The Stone Age-Platten zwar nicht perfekter, aber direkter. Dieser spezielle Sound ist mit keiner Software der Welt zu erzielen, Patzer sind kaum korrigierbar. „Wir ziehen es vor, unsere Fehler auf den Platten zu belassen“, zuckt Homme die Achseln, „Fehler sind cool. Ich war immer der Ansicht, dass Musik etwas Organisches ist. Also darf sie auch so klingen. Überhaupt finde ich, Rock’n’Roll gehört auf Band. Für mich ist es das geeignetste Medium. Ein gutes Bild dafür ist ein Feuer, das auf dem Band brennt. Im Grunde passiert nichts anderes: Das Band reagiert, es atmet, und um es zu verzerren, nimmst du es in die Hand, drehst auf. Wenn du digital verzerrst, dann musst du diesen Effekt aus unbekannten Quellen herausholen.“
Keine technischen Mätzchen also, erdig geht die Welt zu Grunde – da drängt sich das Klischee von den „Wüstenrockern“ aus allen Kyuss-Tagen auf. Immer noch und immer wieder wird es zur Steigerung der Dramatik bemüht. Man fühlt den rollenden Donner in der Feme, Gewittergrollen an einem vor Hitze flirrenden Tag… und hier kommen unsere Flelden, in einem 68er-Monsterschlitten über die Bergkuppe, nähern sich über schnurgerade, von tumbleweed gesäumte Straßen, die unter der Sonne Blasen werfen… Gähn. „Naja, es ist nur eine Stadt, Palm Desert, aus der wir zufällig kommen“, gähnt auch )osh. „Klar gehen da einige coole Sachen ab, und etwas davon nimmt man mit. Andererseits ist es nur ein Etikett. Aber mir ist Wüstenrock auf jeden Fall noch lieber als Stoner Rock.“ Und natürlich hatte diese musikversessene Jugend im abgelegenen Palm Desert, California, in den 8üem auch ihr Gutes. Die Leute, die heute bei den Queens, Unida (Kyuss-Sänger lohn Garcia und Bassist Scott Reeder) und Fu Manchu (der erste Kyuss-Drummer Brant Bjork) ihr Bier verdienen, waren dort weitgehend auf den eigenen Erfindungsreichtum angewiesen und nicht Teil einer definierten Szene Eine splendui isolation, wie losh Homme findet: „Wenn du in Berlin oder LA. aufwächst, wird dein erster Gig vor einem richtigen Publikum stattfinden; du wirst dich mit Promotern rumschlagen müssen, die dir erzählen, dass dich das Publikum hasst – wir haben Jahre lang nur auf Parties und unter Freunden gespielt, nur zum Spaß, in einem Umfeld, wo dich keiner anmacht, wenn du nicht wie AC/DC oder der Trend des Monats klingst.“
In den Jahren 1991 bis 1995 waren Kvuss zwar Kult, ihre Popularität sprengte den Rahmen der eingeschworenen Fangemeinde aber erst nach dem Split. Zeitgleich mit dem Auftritt des Begriffs Stoner Rock trat die dafür relevanteste Band von der Bildfläche ab. Josh Homme hat für diese Form von Musikgeschichtsschreibung wenig Geduld: „Warum kann man sich Roy Orbison immer noch anhören? Seine Platten sind zeitlos, ohne Verfallsdatum. Ich mag auch Björk, Johnny Cash, Black Flag, Leute, von denen ich meine, dass sie ihr eigenes Ding durchziehen. Ich bin der Meinung, dass alle, die ihren Ansatz nur von einer Band, einer Sparte oder Epoche ableiten, über diesen Rahmen nie hinauswachsen werden. Gute Musik, was ist das? Eine wenig greifbare Sache. Wir versuchen, Musik zu machen, die auch in zehn Jahren noch Sinn ergibt und die ich mir später noch anhören kann. Das Jetzt interessiert mich herzlich wenig; als Kriterium ist es zu kurz gefasst, um wirklich aussagekräftig zu sein.“
Als „Metal Velvet Underground“ wurden Kyuss – und nun auch die Queens – gern bezeichnet, ein angenehm nostalgisches und doch zukunftsträchtiges Signet, das auch ausreichend Distanz herstellt zu den muskelbepackten Vorturnern der amerikanischen New Metal-Welle, die mit Limp Bizkit, Papa Roach, Korn & Co. neue Maßstäbe für geringe Halbwertzeiten setzt. „Hey, komm“, tönt Homme jovial, „dieses Limp Bizkit-Album! Ich meine, das wirst du noch in zehn lahren rausziehen und sagen ‚Mein Gott, was bin ich froh, dass es diese Platte gibt!‘ Das Creed-Album? Ehrfurchteinflößend!“ Homme und Oliven schlagen ein, geben sich fünf und gestikulieren so lange mit wütenden Gang-Zeichen, bis sie haltlos lachend von den Stühlen rutschen. Vor nichts graut ihnen mehr als vor dem Mainstream. Und mit New Metal walzt sich eine weitgehend inhaltsfreie Mainstream-Maschine nun auch durch ihr, das Hardrock-Territorium. Wohl ist ihnen dabei nicht. „Ich mag das Zeug nicht“, brummelt Oliveri und rauft sich den Ziegenbart. „Scheinbar lieben die Kids das Zeug. Ich hege für diese Sachen keine großen Gefühle Nicht, dass ich sie hasse. Dazu sind mir meine Energie und meine Zeit zu wichtig. Ich hake sie unter ‚Trend des Monats‘ ab und lasse sie links liegen – in fünf oder zehn lahren wird davon ohnehin nichts übrig sein. Und Gott sei Dank dafür.“
Joshs Lachen gerinnt schlagartig auf die Frage, ob sich die Queens im Gegensatz zu ihren erklärten Antibildern – eine politische Dimension zusprechen. Böse Frage. Aber sie stellt sich für eine Band wie QOTSA, die aus einem kreativ-anarchischen Umfeld hervorging und vor lauter Underground-Ethik früher Angst vor dem Schritt auf den Markt hatte. Eine Band, deren Umgang mit den Rock’n’Roll-Insignien Drogen und Sex durchaus ironisch gebrochen ist. Oliveri quittiert die Frage mit spontanem Abmarsch auf die Toilette, während Homme abwiegelt: „Historisch gesehen hat nicht jede Art von Punk Rock eine politische Komponente. Viele Bands, die ich damals mochte, waren in der Hinsicht ein bisschen schwach auf der Brust, die Descendents etwa. Als ‚Milo Goes To College‘ rauskam, liebte ich diese Platte genau dafür, dass sie keinen politischen Ansatz hatte. Aber ich mag auch die Subhumans, und denen ging es nie um irgendetwas anderes als englische Politik. Ich halte uns in keiner Weise für eine politische Band. Wir kommentieren heutige Zustände, aber wir sagen nicht: ‚Wählt Gore oder Bush‘.“ Oliveri kann es sich nicht mehr verkneifen, den Kopf zur Klotür herauszustrecken: „Ich glaube, politische Botschaften datieren deine Musik. Ich mag die politischen Punk-Bands der Achtziger immer noch sehr, aber es bringt nichts, sich heute Texte über Reagan anzuhören. Wir möchten vermeiden, wegen so was irgendwann überholt zu klingen.“ Dieser Gefahr begegnen QOTSA weder textlich noch musikalisch – aber mit den Cover-Versionen ihrer unwahrscheinlichen Helden haben sie sich bereits in die Gefilde einer Kulturkritik bewegt, in der „Content“ mit „Attitüde“ einhergeht. Und das steht ihnen gut. Eigentlich sind sie hemmungslose Nostalgiker: „Die Zeiten, sie verändern sich, oh Nick.“ – „Verdammt, losh. Ich will, dass sie gleich bleiben. Für immer.“ Quatsch.