Satin Whale
Amerika lockt: Genau wie vor ihnen Lake und Randy Pie peilen jetzt auch Satin Whale die USA an. Zwar gibt es drüben bislang noch keinen festen Vertragspartner für die Kölner Gruppe, doch immerhin haben drei Firmen Interesse bekundet. Bassist und Produzent Thomas Brück hat in den Staaten vor einigen Wochen erste Kontakte geknüpft und zugleich auch den dortigen Markt sehr genau studiert.
Die Firmen, so berichtet Brück, seien zwar an Satin Whale, nicht aber an den bisherigen Platten der Band interessiert. Und das hat die Musiker in der Aussicht bestärkt, daß sie ihr Material zukünftig noch stärker in übersichtliche Songform bringen müssen. Die jüngste LP, „As A Keepsake“, war ein erster Schritt, die Ideenfülle besser im Zaum zu halten. Beim nächsten Produkt sollen die Erkenntnisse, die Thomas aus den USA mitbrachte, bereits konsequent verarbeitet sein.
„In der jetzigen Form ist unsere Musik in Amerika nicht zu verkaufen.“ Zu diesem Ergebnis kam Thomas, nachdem er die amerikanische Rundfunkberieselung am eigenen Leibe erfahren hatte. „Die Texte sind drüben ungeheuer wichtig, so banal sie auch manchmal klingen. Mit unseren Texten können die drüben gar nichts anfangen, weil sie zu sehr auf die deutsche Mentalität gemünzt sind. Ich habe einige Themen mitgebracht,die man ganz gut verarbeiten könnte.“ Auf jeden Fall, darüber ist sich auch der Rest der Gruppe einig, müssen die Texte in Zukunft stärker abstrahiert werden, bildhafter und emotionaler ausfallen, um das Produkt internationaler zu gestalten.
Die Bereitschaft von Satin Whale, Musik wie auch Textmaterial noch einmal zu überdenken, sollte jedoch nicht als banaler Anpassungsprozess verstanden werden, sondern eher als konsequenter Lernvorgang. Angefangen hat die Band 1971 — wie zahlreiche andere Gruppen eben auch — mit kompromißlosem Engagement. Sänger, und Bassist Thomas Brück sowie Keyboardmann Gerald Dellmann sind die einzigen „Ur“-Mitglieder. Dieter Rösberg (Gitarre, Saxophon, Flöte) kam später dazu, wirkte aber bereits auf der ersten LP „Desert Places mit. Drummer Horst Schöttgen ging im November 1974. Der zuletzt hinzugekommene Wolfgang Hieronymi lockerte die „verbissene Ernsthaftigkeit der Band“ (Pressetext) schon spürbar auf; entsprechend fiel auch die zweite Satin Wahle-LP „Lost Mankind“ aus, die – von Frank Dostal produziert -1975 herauskam. Trotzdem wadie Kölner noch nicht zufrieden. Sie hatten noch immer mit dem Problem zu kämpfen, spontanere Live-Atmosphäre auf Platte zu bannen. Als Anfang 1977 „As A Keepsake“ erschien, waren sie zwar einen beachtlichen Schritt weiter gekommen, dafür aber von der Live-Szene verschwunden.
Um musikalisch auf einem grünen Zweig zu landen, hatten sich die Satin Whale-Leute nämlich für eineinhalb Jahre vom Tourneegeschäft zurückgezogen. Im Gegensatz zu vielen anderen deutschen Gruppen, die auf tödliche Provinztingelei angewiesen sind, um finanziell über die Runden zu kommen, hatten alle vier genügend Studiojobs, um sich diesen Luxus leisten zu können. „Unser Problem war immer, daß wir zu viele Ideen in unsere Produktionen hineinbringen wollten,“ erklärt Thomas, „und das müssen wir eben abbauen.“
Aus diesem Grunde war Brücks Amerika-Trip auch recht lehrreich. „Die Leute brauchen irgendetwas zum Mitsingen. Das muß nichts Primitives a la Hitparade sein. Es reicht, wenn sich eine bestimmte Grundthematik im Song wiederholt und für den Zuhörer nachvollziehbar ist.“ Die Demo-Bänder für die nächste LP der Kölner Band gehen nun in diesen Tagen an die Interessenten in Amerika. Vielleicht treffen sie den richtigen Nerv. Außerdem sieht sich Satin Whale gerade nach einem neuen Sänger um. „Ich habe nicht gerade eine sehr überzeugende Stimme“, gibt Thomas Brück zu. „Außerdem wollen wir mehrstimmigen Gesang nicht nur auf Platten, sondern auch auf der Bühne bringen.“ Bleibt abzuwarten, ob sich bis zum Beginn der ersten Satin Whale-Tournee seit 18 Monaten (3. bis 18. November) noch ein neuer Mann finden läßt.
Bevor sich die Gruppe wieder auf Konzertreise begibt, arbeitet sie noch zusammen mit dem Schauspieler Hans Clarin an der Kinderschallplattenserie „Amphi“ (siehe auch ME 8/77). Nebenbei konzentrieren sie sich noch auf ihren Musikverlag „Sereno“, der sich nicht nur die Rechte an der „Amphi“-Serie gesichert hat, sondern auch ein Stimmchen namens Daisy Door und eine Sängerin namens Diana betreut, die mit ihren Liedern „zwischen Janis Ian und Joan Baez liegt.“ Die Produktionsabteilung der Firma kümmert sich derweil um die hannoversche Gruppe „Lady“, oder einfach ausgedrückt: Thomas Brück produziert sie — wie übrigens auch Satin Whale selbst seit „As A Keepsake“.
Sollte sich jedoch ein amerikanischer Vertragspartner für Satin Whale finden, wäre Brück begeistert, wenn er diesen Zusatzjob an einen erfahrenen Studio-Fuchs abtreten könnte. Auch die Arrangements für die neue LP wurden diesmal schon an Profis vergeben. „Die haben schließlich das Gehör für die wesentlichen Dinge.“ Und immer noch beeindruckt von seinem US-Trip, erklärt Thomas: „Ich rate jedem deutschen Musiker, mal für zwei Wochen in die USA zu gehen und sich dort bewußt umzuschauen, anstatt sein Geld für einen Spanienurlaub oder einen Englandtrip auszugeben. Die Leute in den Clubs sind so aufgeschlossen, daß sie einem immer mit irgendwelchen Tips weiterhelfen!“