Santana – New York, Pier 84
Ich habe nicht vor, bis an mein Lebensende. Black Magic Woman‘ zu spielen“, sagte Carlos Santana zu ME/Sounds, als wir ihn vor einigen Monaten auf der gemeinsamen Tournee mit Jazz-Saxophonist Wayne Shorter sprachen. Nur einmal noch, bevor er sich anderen Projekten zuwende, wolle er die alte Santana-Besetzung zusammentrommeln, um gleichzeitig 20jähriges Jubiläum und Abschied zu feiern.
Die komplette Ur-Formation bekam er zwar nicht mehr zusammen, immerhin hatten sich mit Keyboarder Gregg Rolie, Percussionist „Chepito“ Areas und Drummer Michael Shrieve drei Stützen seiner 68er Formation zur „Farewell“-Tournee eingefunden. Kein Wunder, daß die Uralt-Fans der Latino-Rock-Legende begeistert auf den Blechstühlen der provisorischen Arena am New Yorker Hafen zweieinhalb Stunden ausharrten, um jeden Ton mit Kopf und Körper einzusaugen.
„Mandela“ war der Auftakt zu einem Jubiläums-Konzert, in das bewußt die Klänge und Ideen aus der Vergangenheit einflössen. Über dem saftigen Soundteppich der Orgel erhob sich der unverkennbare, stets leicht verzerrte Gitarrenklang von Carlos‘ Gibson, „Curandero“ und „Batuka“ wurden zu sessionartigen Zelebrationen des alten Santana-Sounds. Bewußt verzichtete Carlos auf neuere, stiloffenere Ansätze, die bei den Santana-Fans der ersten Stunde nie auf offene Ohren stießen.
Jubel und Szenen-Applaus rief stattdessen das unvergessene „No One To Depend On“ hervor, das Rolie mit dem aktuellen Santana-Keyboarder Chester Thompson sang. „Taboo“ und „Smooth Criminal“ leiteten in dem instrumental orientierten Konzert zu den Klassikern „Black Magic Woman/Gypsy Queen“ über, die durch improvisierte Soli und Gitarre/Keyboard-Passagen allerdings überlang gedehnt wurden. Dabei war Carlos zuweilen so in seine Musik versunken, daß er Allüren von Miles Davis kultivierte und dem Publikum lange den Rücken zuwandte.
Niemand nahm es ihm übel, schon gar nicht, als nach „Toussaint L’Ouverture“
das sehnlich erwartete „Soul Sacrifice“ folgte. Untrennbar mit liebevoll gepflegten Woodstock-Erinnerungen verbunden, zog sich die „Aufführung“ dieses Stückes über mehr als eine Viertelstunde hin. Nach dem Latin-Metal-Riff zu Beginn schnappte sich jedes Bandmitglied ein Perkussionsinstrument, bis nur noch der pure Rhythmus pulsierte. Drummer Mike Shrieve glänzte mit einem Solo, das die ganze Hitze mittelamerikanischer Rhythmen demonstrierte.
Hinreißend, wenn auch eigentümlicherweise nur lau vom Publikum aufgenommen, eine „Cacatina“ von Carlos, dessen klagende Gitarre hier nur dezent von der Band unterstützt wurde.
„Once It’s Gotcha“, „Europa“ und „Samba Pati“ waren die Zugaben für ein artiges Publikum, das gerührt genug war, um dem Santana-Abschieds-LP-Paket VIVA SANTANA zu einem kräftigen Sprung in die Charts zu verhelfen.