Sammelleidenschaft
Sampler oder Compilations sind die neuen Renner. Bei Verkaufszahlen in Millionenhöhe springt auch was für die Künstler raus.
Die Jungs von Six Was Nine haben gut lachen. Obwohl ihre ersten beiden CDs zusammen gerade mal 30.000 Stück verkauften, fließt die Kohle trotzdem ganz schön flott in die Kasse. Auch die Rentnerband Smokie verdient heute mehr als in ihren besten Tagen. Der Grund für dieses Phänomen sind „Compilations“ – CDs, die als Interpreten „Diverse“ angeben und dem Kunden viel Hit für’s Geld bieten wollen. 1993 war das Jahr des Durchbruchs für die Samplers mit flauschigen Titeln wie „Bravo Hits“, „Kuschelrock“ oder „Sahnestücke“. Die Hit-Mixturen verkaufen sich wie geschnitten Brot, die „Diversen“ lassen Solo-Megaseller wie Bon Jovi, Ace of Base oder Roxette arm aussehen. Witzigerweise tauchen die erfolgreichen Sammelsurien in den regulären Hitparaden gar nicht auf. Dafür sorgt die für die Charts zuständige Media Control, die – wieder einmal klarstellt: „Longplayprodukte qualifizieren sich entweder für die TOP-100-Charts oder für die TOP-20-Diverse-Interpreten-Charts“. Für die TOP-100 kommen nur Produktionen in Frage, die Titel von bis zu zwei Künstlern bzw. Gruppen aufweisen. Platten mit mehreren Interpreten müssen entweder „für den Endverbraucher erkennbaren Projektcharakter“ haben (z.B. ein Festival wie das Freddy Mercury-Tribute) oder Soundtracks sein, bei denen die Hälfte der Titel tatsächlich im Film gespielt werden. Der Rest, die nun schon bekannten „Diversen“, landen in den Top-20-Charts. Da haben die Solo-CDs aber noch mal Glück gehabt, denn glaubt man Dieter Perschen (Special Marketing bei der deutschen EMI in Köln), hat vor allem die Serie „Bravo Hits“ neue Maßstäbe gesetzt. Das Joint Ventura von EMI (incl. Electrola), WEA (incl. eastwest) und Virgin erscheint viermal im Jahr und verkauft seit der 4. Kopplung im Schnitt locker im siebenstelligen Bereich. Die Konkurrenz schaudert: „Drei solche Firmen garantieren tolles Repertoire und haben den dreifachen Werbeapparat im Rücken. Da kann man schon mal erschrecken“.
sagt Uwe Lerch, Special Marketing-Mann bei Sony und damit zuständig für die Frankfurter Kollektionen. Im letzten Jahr war „Bravo Hits 4“ bester Sampler und belegte Platz 15 in der Gesamtabrechnung. „Hits 5“ und 6 schlugen auf den Positionen 29 und 31 ein. Dieter Peschen bringt es auf den Punkt: „Das Ding muß voller Hits sein. Wir bringen nur Hits und verzichten auf Füller“. Auf „Bravo Hits 7“ sind von 38 Titeln 25 in den Charts, davon sechs in den TOP-10. Zehn Tage nach Veröffentlichung waren 500 000 Exemplare verkauft – bevor noch die Werbekampagne angelaufen war! Uwe Lerch von der deutschen Sony stellt den anderen Millionenseller der Deutschen Koppler-Branche, „Kuschelrock“, zusammen und geht dabei auf Nummer Sicher: „Es ist nicht so, daß wir einfach wahllos Schmusenummern aneinanderpappen. Wir machen ein halbes Jahr vorher intensive Marktforschung, so daß uns der dauernde Erfolg der Serie nicht besonders überrascht“. Lerch
schätzt, daß im Fahrwasser der Veröffentlichung jeder neuen „Kuschelrock“ alle Vorgänger jeweils noch einmal mit hunderttausend Stück unter die Leute gebracht werden können. Kein Wunder, daß die Compilations für die Jahresbilanz der Firma immer wichtiger werden. „Für viele Companies sind die Samplec ein wichtiges Standbein, teilweise sogar überlebensnotwendig“, sagt EMIs Peschen. Insider schätzen den Anteil der Sampler am 4,5 Milliarden Mark großen CD-Gesamtumsatz auf satte 50 Prozent. Deshalb engagieren die Macher von „Bravo Hits“ die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), um anhand von demographischen Kriterien zu ermitteln, wer die Käufer ihrer Produkte sind.
„Erstaunlicherweise sind ein Drittel unserer Käufer über dreißig Jahre alt, so daß unsere Zielgruppe sich zwischen 10 und 45 Jahren bewegt“, gibt Dieter Peschen preis.
Die Erfolgsformel der Sampler ist denkbar simpel: „Je mehr Chart-Hits, desto besser verkauft sich das Ding“.
meint Stefan Weikert vom Massen-Mischer edel-company. Die Zusammenstellung erfolgt dabei meistens nach praktischen Erwägungen: Welcher Titel ist für welches Geld verfügbar. „Neben den Hit-Samplern gibt es die KonzeptKopplungen, die entweder eine Musikrichtung featuren oder sich um ein bestimmtes Thema drehen, etwa .Kuschelrock‘ oder – zugegebenermaßen etwas abwegig – unser .Gute Zeiten, schlechte Zeiten‘. Da haben uns die Leute anfangs noch ausgelacht“
Soviele lachen nicht mehr. Selbst Led Zeppelins „Stairway To Heaven“, auf das die Frankfurter Kuschelrocker sieben verflixte Jahre warten mußten, stand am Ende doch noch für die Samm(p)ler zur Verfügung, was der Akzeptanz bei Künstlern hilft, die wie Michael Jackson oder Grönemeyer bei Samplern sonst ablehnen.
Sonys Uwe Lerch: „Für ,Kuschelrock 7′ war es die schnellste Zusage. Die Herren haben begriffen, daß sie durch einmal Handheben satt sechsstellig abkassieren können, ohne Tour- oder Studiostreß.“
Was uns zu unseren Freunden von Smokie und Six Was Nine zurückbringt, für die ein Beitrag auf „Bravo Hits 7“ auch wie ein Lottogewinn ohne Einsatz ist: pro verkaufte CD kassiert man je nach eigenem Marktwert zwischen 10 und 30 Pfennig – Kleinvieh, das aber bei Umsatzzahlen bis zu einer Million einen prächtigen Misthaufen in der Hausbank hinterläßt. Und dazu kommen dann noch die GEMA-Pfennige für die Urheber, da bewegen sich selbst vorsichtige Verkäufer schnell in der Gewinnzone: Six Was Nine können demnach mit einem einzigen Titel auf der richtigen Kopplung zur rechten Zeit locker soviel verdienen wie in ihrer ganzen Karriere. Da sage noch einer, koppeln lohne sich nicht.