Roxy Music


Die Art-Rock-Legenden leiden bei ihrem einzigen Deutschlandkonzert auf dem Bonner Museumsplatz unter dumpfem Stadtfestsound, wehren sich aber tapfer gegen die Vermutung einer Night of the Proms. Nur Bryan Ferrys Sohn nervt.

Es ist noch hell. Menschen in Windjacken und Freizeithemden spazieren Pommes essend auf dem Museumsplatz umher. Ein paar um die 50-Jährige haben es sich auf Decken und Klappstühlen bequem gemacht und trinken Kaffee aus der Thermoskanne. Irgendwie enttäuschend, wo doch gleich eine der stylischsten Bands der Popgeschichte auftreten wird: Roxy Music mit Bryan Ferry, dem stilvollsten Rocker der Siebziger und coolstem Popper der Achtziger, und den Gründungsmitgliedern Andy Mackay am Saxofon und Phil Manzanera an der Gitarre. Das letzte Studioalbum AVALON ist 28 Jahre her, aber seit 2001 spielen Roxy Music wieder ausgewählte Konzerte. Und zwar mit größtmöglicher Würde und ohne Night-of-the-Proms-Anbiederungen.

Um 20.15 Uhr spazieren elf Musiker auf die Bühne unter der offenen Zeltkuppel, vor 2.500 Zuschauern. Bryan Ferry verschwindet ohne viel Trara nach hinten ans Klavier und eröffnet mit „Re-Make/Re-Model“ vom 1972er Debüt. Der dumpfe Stadtfestsound sowie die stark dominierenden Instrumente trüben Ferrys entrücktes Crooning, für das man ihn so liebt. Aber immerhin gibt es erst mal genug anzuschauen: Die Musiker werden von vier Backgroundsängerinnen in weiß flankiert, an Geige und Keyboard wirbelt eine Schönheit im silbernen Catsuit. Als der 64-jährige Ferry schließlich freundlich lächelnd ans Mikro schlendert, um „Out Of The Blue“ anzustimmen, ist seine Strahlkraft enorm. Dabei ist er einfach nur Bryan Ferry: Grandios aussehend, der Scheitel liegt elegant wie 1985. Ein dezenter Hüftschwung, eine Hand schlägt sanft im Rhythmus auf den Oberschenkel. Wie viele New-Wave- und Shoegazer-Bands haben sich den Ferry-Style abgeguckt! Man spürt, dass es ohne das Roxy ’sche Gesamtkunstwerk aus Glam, Dekadenz und Avantgarde keine ABC und keine Duran Duran gegeben hätte, ja vermutlich nicht einmal Britpop.

Dennoch: Die AVALON-Hits „While My Heart Is Still Beating“ und „More Than This“ sind lasch; man muss sich das melancholische Seufzen dazu denken. Das liegt am verhaltenen Gesang und an der Szenerie. Diese bittersüßen Songs brauchen Dunkelheit, irgendeine magische Umgebung. Und es liegt daran, dass die Band, ganz besonders bei frühen Songs wie „Do The Strand“ und „Virginia Plain“, viel Raum einnimmt. Die Soli ziehen sich teilweise über acht Minuten hin. Mehr Ferry! Doch Roxy Music sind offensichtlich als Band und nicht als Anhang ihres Sängers hier. Der gibt eher den hart arbeitenden Musiker als die narzisstische Pop-Diva, als die er einmal galt. 80er-Nostalgiker, die ein kompaktes Popkonzert erwartet haben, müssen anerkennen, dass die Briten konsequent den Glamrock/Soul/Jazz spielen, der sich damals aus dem Rock-Fimmel Brian Enos und dem Pop-Herzen Ferrys ergab.

Als bei „Ladytron“ endlich dieses einzigartige Stakkato-Wimmern ins Rund hallt, nervt ein Brite mit Hooligan-Gesicht und Nike-Shirt mit lautem Gequatsche von links. Ein minutenlanger Disput folgt, inklusive eines beherzten „Shut the fuck up!“. Er entschuldigt sich letztlich und fragt: „Are you a fan?“ – „Yes, I am. How about you?“, „I have to be. He’s my dad.“ Und zeigt auf den Mann, der gerade während des instrumentalen „Tara“ neben dem Mikro steht und selbstvergessen in die Hände klatscht. Nach anderen Details aus seinem Leben (Alter 27, Jäger und Pferdezüchter in Yorkshire, musikalisch untalentiert) lädt Isaac Ferry ins Kölner Hotel „Excelsior“ zum Aftershow-Whiskey mit Papa ein. Schade, das verlockende Rendezvous passt leider nicht in den Zeitplan.

Die Sonne geht unter. Bryan Ferry hat die Krawatte abgelegt, schließt die Augen und trägt ein ergreifendes „A Song for Europe“ vor. Selbst Isaac schweigt. „My Only Love“ hält das Niveau. Alle wirken gelöster, das Publikum feiert jeden Song, jetzt kommen auch die Stücke schnittiger: „In Every Dream Home A Heartache“, „Editions Of You“, „Love Is The Drug“. Nach eineinhalb Stunden steht Ferry lachend am Bühnenrand und sieht gerade mal so angestrengt aus, als wäre er von einem kurzen Abendspaziergang zurückgekehrt.

www.roxymusic.co.uk