Roxette: Joyride für die ganze Familie
DORTMUND. Kann denn Liebe Sünde sein? Diese reine, unverdorbene, naive Begeisterung von 16.000 Kids, die das Rund der Westfalenhalle bevölkern? Die sich die Hände heiß klatschen, den Schweden einen festlichen Empfang bereiten, und die — Unterhaltung ohne Reue — dann auch die erwartete Hit-Packung erhalten? Kann diese Liebe Sünde sein?
Alles stimmte an diesem langen Abend. Die gelungene Mischung aus musikalischer Pflicht und spielerischer Kür. Nicht zuviel, nie zuwenig. Reduktion statt Materialschlacht. Understatement als der wirkliche Luxus: Fünf im Halbkreis angeordnete Lichtsäulen begrenzen den Bühnenraum, drei Quader zerteilen ihn. zwei Showtreppen führen zu einer Galerie, Parcours für die agile Frontfrau. Auf den Podesten agiert die Hintermannschaft: links der Keyboarder, in der Mitte das Schlagzeug-Bollwerk, rechts perkussive Verfeinerung und chorische Verstärkung. Gitarre und Baß schützen die Flanken. Im Sturm: die stimmstarke Marie Frederikson und als Regisseur Per Gessle. Lässig läßt er — ganz hero ofthe Iow hanging guitar — sein Instrument baumeln und zeigt Breaks durch eine knappe Geste an.
Klar: Roxette offerieren musikalische Massenware. Mittelmäßigkeit als Message. Klischees, wohin man hört. Metal-Riffs leiten über zu melodischem LaJala, Texte mit dem Tiefgang eines Schlauchbootes, clevere Lügen, die sich als Soul tarnen. Aber so banal sie auch sein mögen: Roxette sind auf ihre Weise absolut stimmig. Per schreibt Ohrwürmer, Marie verstrahlt die verschämte Erotik einer Folk-Suffragette. die auf Domina macht.
Und das Publikum liebt sie: Teenies in Begleitung der Eltern, ein Gemisch aus Zahnspange und dritten Zähnen. Der weihnachtliche Vorrat an Wunderkerzen geht komplett drauf. Mit routinierter Verzückung halten Marie und Per das Mikro in die Menge: Chorprobe mit 16.000, die — für Sekunden geeint — Refrains gröhlen: Comejoin thejoyride …/Roxette sind sympathisch und nett bis zur Unkenntlichkeit. Eigentlich braucht das keiner, aber manchmal muß es einfach sein.