Rough Diamond – Premiere eines Rock-Diamanten
Aufgetrennten Wegen kommen sie besser voran, die Band Uriah Heep und ihr ehemaliger Sänger David Byron. Heep-Organist Ken Hensley und Byron erklärten in Interviews mit dem Musik Express übereinstimmend, daß der große Knall vom vergangenen Jahr sie sozusagen aus einer Zwangsjacke befreit habe. Neue Platten unterstreichen diese Aussagen: Byron stellte sich mit seiner neuen Gruppe Rough Diamond – deren Name zeitweise gefährdet war, weil eine andere englische Gruppe namens Rough Diamonds mit gerichtlichen Schritten drohte – ein kraftvolles, energiegeladenes Album auf die Beine. Und auch bei Uriah Heep gibt es musikalische Fortschritte: „Firefly“, mit den neuen Mitgliedern John Lawton (voc) und Trevor Bolder (b) eingespielt, enthält wieder differenziertere Musik anstelle des nervtötenden Klangbreis, der die Band mehr und mehr in Verruf gebracht hatte.
Zur Einführung von Rough Diamond hat man keine Kosten und Mühen gescheut: David Byron’s neue Vertragsfirma Island Records ließ Mitte Februar Journalisten aus ganz Europa zu einer großen Pressekonferenz nach Amsterdam einfliegen, wo die buntgemischte Schreiberschar zunächst einheitliche Jakkets (blaue Seide mit glitzerndem Aufdruck ,Rough Diamond‘) verpaßt und anschließend das dazugehörige LP-Produkt mit Video-Aufzeichnungen aus dem Plattenstudio vorgeführt bekam. Natürlich war auch Rough Diamond höchstpersönlich angereist, mit einem gutgelaunten David Byron vorneweg. Der kam beim Gespräch mit dem ME auch gleich zur Sache: „Es stimmt, daß ich bei Uriah Heep rausgeflogen bin – aber heute bin ich richtig froh, daß es so gekommen ist.“ „Die ganze Situation“, erklärte Byron „war einfach unmöglich: kaum noch eine Kommunikation innerhalb der Gruppe, kein Spaß mehr an der gemeinsamen Musik, nicht die Spur von einer Weiterentwicklung – nur noch Pflichtübungen, Hetze und Leckmich-am-Arsch-Gefühle. Dabei wurden die Plattenumsätze schlechter und schlechter. In einigen Ländern waren es erst 120.000, dann 80.000, später nur noch 40.000 und dann immer weniger. Da muß doch etwas faul sein. Aber wenn ich das Thema bei den andern anspach, kam keine Reaktion. Ich habe immer wieder versucht, etwas dagegen zu tun, doch – Ihr werdet es kaum glauben – damit habe ich mich nur unbeliebt gemacht.“
Auf diese Weise kam David Byron zu seinem Ruf als ewiger Querulant und wurde nach seiner Entlassung von Uriah Heep in der Presse als „Troublemaker“ dargestellt. „Man hat mir sehr viel Schlechtes nachgesagt“, ärgert sich der Ex-Heep-Sänger, „und das wurde veröffentlicht, bevor ich mich selbst dazu äußern konnte. So etwas finde ich ausgesprochen unfair, und möchte nur eines dazu sagen: Natürlich hat jeder in seinem Leben einmal eine Periode, wo er sich öfter mal etwas danebenbenimmt, aber ich gehöre nicht zu denjenigen, die Hotelzimmer zertrümmern oder ähnliches. Wenn es jedoch darum ging, meine Unzufriedenheit mit den Zuständen bei Uriah Heep auszudrücken, habe ich mich nicht zurückgehalten – wenn man es so versteht, dann war ich allerdings sehr wohl ein Troublemaker.“
Byron, so scheint es, fühlte sich irgendwie für die Zukunft der Gruppe verantwortlich und wollte die notwendigen Veränderungen im Zweifelsfall selbst in die Hand nehmen. Aber da stieß er auf den Widerstand von Ken Hensley, der seine eigene Sonderstellung bei Uriah Heep verteidigte. Ken legte Davids Ambitionen als „unerträgliches Stargehabe“ aus und bemängelte in zunehmenden Maß auch dessen Leistungen. Dazu David: „Natürlich war meine Stimme völlig überstrapaziert, aber das lag an den überhöhten Phonzahlen, gegen die ich ständig zu kämpfen hatte. Ich kann mich an viele Konzerte erinnern, wo wir wegen der immensen Lautstärke auf der Bühne noch nicht einmal die einzelnen Instrumente richtig heraushören konnten. Es war fürchterlich! Jeder spielte seinen Scheiß vor sich hin, und ich stand dazwischen und habe mir die Seele aus dem Leib geschrien. Ja, da fragte ich mich doch, ob man das auf die Dauer noch vertreten kann. Es gab eigentlich nur zwei Möglichkeiten für einen Ausweg: Entweder wir wären mit der Lautstärke etwas heruntergegangen oder ich hätte meiner Stimme zumindest eine Zeit lang Ruhe gönnen müssen. Das habe ich dann auch zur Sprache gebracht, aber den anderen war das völlig egal – die wußten ja sowieso nicht, wie es weitergehen soll!“
Die Zukunft von Uriah Heep liegt allein in den Händen von Manager Gerry Bron, der schon seit Jahren alle Verhandlungen führt und seinen „Schützlingen“ auch die wichtigsten Entscheidungen abnimmt. Außerdem spielt Mr. Bron bei den Plattenfirmen von Uriah Heep selbst den Produktions-Chef und nimmt damit direkten Einfluß auf die Entwicklung der Gruppe. Das ist wieder ein Punkt, gegen den David anzukämpfen versuchte: „Ich bin der Meinung“, sagt er, „ein guter Manager müßte wie ein weiteres Gruppenmitglied sein, ein Typ aus den eigenen Reihen, der sich auch in die Musik und die Probleme seiner Leute hineindenken kann. Aber jemand wie Gerry Bron – ein Mann mit einem Super-Büro und ‚zig Angestellten, eigenem Flugzeug und Plattenstudio – dürfte sich nicht Manager schimpfen. Wenn man bei solchen Leuten unterschreibt, ist man verraten und verkauft. Dann kommt plötzlich eine Platte von dir raus, und du hast sie vorher selbst noch nicht einmal gehört!“
„Ich habe es am eigenen Leib erfahren, wie das manchmal so läuft: Als ich wegen der ganzen Probleme zu Bron wollte, war der große Chef einfach nicht zu sprechen. Da wurde ich dann von seinen Bürohengsten in dem wunderschönen großen Office herumgeschickt, und am Ende wollten sie mir vormachen, für diese Angelegenheiten wäre niemand von ihnen zuständig. Leider..,“
Kein Wunder, daß David hocherfreut war, als man ihn aus diesen Vertragsbindungen entließ. Jetzt hat er seinen eigenen Manager und eine neue Plattenfirma.
Leidensgenossen
„Eigentlich wollte ich erst einmal ein Solo-Album machen“, erklärt er, „aber dann rief Geoff Britten bei mir an. Wir kennen uns schon seit Jahren, und ich wollte ihn früher auch schon als Drummer für Uriah Heep gewinnen. Aber da die Sache mit Heep für mich inzwischen gelaufen war und Geoff nach seiner Zusammenarbeit mit Paul McCartney fast zwei Jahre pausiert hatte, war die Gelegenheit günstig für uns, gemeinsam eine neue Gruppe aufzubauen.“
Ein paar Tage später meldeten sich Ex-Humble-Pie-Gitarrist Clem Clempson und Organist und Pianist Dämon ,Butch‘ Butcher. Die beiden hatten Steve Marriott auf dessen Solo-Tournee durch die Staaten begleitet und anschließend ebenfalls beschlossen eine eigene Band zu gründen. Natürlich fehlte ihnen noch ein guter Sänger, und den suchten sie zuerst einmal ,back home‘ in London. „Clem hatte ähnliches durchgemacht wie ich“, erklärt David Byron, „denn mit Humble Pie war er auch an den Punkt gekommen, wo er musikalisch einfach nicht mehr weiterkam. Außerdem hat man den armen Clem in Amerika geschäftlich ganz schön über’s Ohr gehauen, und so war er plötzlich finanziell in einer sehr miesen Situation. Aber ich konnte ihm aus der Patsche helfen.
Keine Ego-Trips David Byron und Geoff Brittton wurden mit Clem Clempson und ,Butch‘ Butcher schnell einig, und kurz darauf war auch ein geeigneter Bassist gefunden – Willie Bath. „Wir haben uns gleich vom ersten Moment an alle sehr gut miteinander verstanden“, freut sich David, „und wir sind auch musikalisch sehr schnell zusammengewachsen. Deshalb möchten wir aber nicht als künstlich erstellte Gruppe mißverstanden werden, die nur kurz absahnen will.“
„Ich hoffe auch, daß keiner darauf kommt, die Band als „David Byron’s Rough Diamond“ einzustufen. Denn wir haben alle aus den Fehlern von früher gelernt, und in dieser Gruppe ist kein Platz mehr für Star-Trips – dafür aber umso mehr Raum zur freien Entfaltung. Jeder soll gleichberechtigt seinen Anteil zu der gemeinsamen Musik beitragen.“
AU diese guten Vorsätze haben David Byron, Clem Clempson, ,Butch‘ Butcher und Geoff Britton nun auch tatsächlich verwirklicht. Bei den Studioaufzeichnungen für das erste Album, „Rough Diamond“, entstanden innerhalb von knapp zwei Wochen neun Eigenkompositionen von David und Clem: prächtige Hardrock- und Rhythm & Blues-Titel mit langgeschwungenen Gitarrenfiguren und kraftstrotzendem Rhythmus, unterbrochen von Orgel- und (teils klassisch inspirierten) Pianopassagen. Darüber liegt David Byrons typischer Gesang. So energisch und energiegeladen wie hier hat er bislang allerdings bestenfalls in den frühen, noch fruchtbaren Uriah Heep-Jahren gesungen. Sieht man den Wandel bei ihm und auch in der neuen Uriah Heep-Formation (siehe nebenstehenden Bericht), so liegt der Schluß nahe, daß der große Knall bei Heep viel, viel zu spät kam.