Rosenzüchter
Torsten Hartmann & Edgar Heckmann von Blue Rose sorgen dafür, daß die schönsten Blüten nicht im verborgenen blühen.
Abstatt ist ein denkbar unscheinbares Örtchen am Rande der Autobahn zwischen Stuttgart und Heilbronn. Im verschlafenen Gewerbegebiet, zwischen Möbelmarkt und Spedition, hat das Label Blue Rose sein Lager aufgeschlagen – und das ist wörtlich zu nehmen. Unter einem grauen Wellblechdach warten etwa 10.000 Tonträger darauf, eingetütet und verschickt zu werden.“Wir vertreiben mittlerweile einen großen Teil unseres Repertoires per Mailorder“, erklärt Torsten Hartmann, Geschäftsführer von Blue Rose, mit Blick auf die beeindruckende Sammlung. Beeindruckend vor allem dann, wenn man sich vor Augen hält, wie die ganze Geschichte einmal begonnen hat. Zusammen mit seinem Freund Edgar Heckmann betrieb Hartmann lange Jahre das Label Living Legend, das sich auf die Veröffentlichung rarer Liveaufnahmen konzentrierte. Doch das alleine konnte die beiden Musikbesessenen auf Dauer nicht begeistern. Also steckten sie ihr Know-how in das Metal-Label Massacre Records.“Blue Rose war ursprünglich als eine Art Auffangbecken für all jene Bands gedacht, die für unseren Metal-Zweig zu ,zahm‘ sind“, bekennt Hartmann, „wir folgten einfach unserer Leidenschaft und gründeten 1995 ein Label für Roots-Musik“. Country- und Gitarrenrock sollten darauf ebenso Platz finden wie talentierte Singer/Songwriter. Und die umtriebigen Schwaben wußten genau, wo sie mit ihrer Suche beginnen sollten: beim South By Southwest-Festival, einer Art amerikanischer PopKomm. mit angeschlossenem Musikfestival, das alljährlich in Austin/ Texas stattfindet – seither nie ohne Heckmann. Hier kann er wertvolle Kontakte zur dortigen Plattenindustrie knüpfen, zu relevanten Independent Labels und den Machern der Roots-Szene, mit denen man abends durch die Kneipen zieht. In den Clubs und Hallen schließlich, in denen das musikalische Rahmenprogramm über die Bühne geht, kann der schwäbische Musikfan vielversprechende Künstler persönlich unter die Lupe nehmen. Mit den Continental Drifters aus New Orleans wurde beim ersten Besuch 1995 gleich ein richtig „dicker Fisch“ unter Vertrag genommen. „Wir waren bisher jedes Jahr auf dieser Messe“, erzählt Hartmann nicht ohne Stolz, „und mittlerweile kommen die Musiker schon ganz von selbst auf uns zu. Es scheint sich inzwischen herumgesprochen zu haben, wofür Blue Rose steht.“ Mit Rough Trade konnte in Deutschland ein kompetenter und hervorragend eingespielter Vertrieb gefunden werden. Wobei es manchen natürlich irritieren mag,daß das Label mit vergleichsweise bodenständigem Material nicht nur Gewinne einfährt, sondern tatsächlich im Ruf steht, eine Bastion des guten Geschmacks zu sein. Heckmann wundert’s weniger: „Die Leute rennen massenhaft in Stones-Konzerte, schauen sich Joe Cocker an oder kaufen noch immer Platten von Neil Young. Warum? Weil diese Leute für gute, ehrliche, unverfälschte Musik stehen.“ Ebensolche hat Blue Rose auch im Programm-. mit Acts wie Elliott Murphy, Rieh Hopkins oder RussTolman, nicht zuletzt auch mit Kult-Künstlern wie Steve Wynn oder Iain Matthews. „Gute Musik, was immer das sein mag, wird heute immer noch gemacht“, betont Heckmann,“aber woher sollen die potentiellen Interessenten das wissen, wenn das komplette Musikbusiness gleichgeschaltet ist? Von VIVA? Von MTV? Oder aus dem Dudelradio, wo von morgens bis abends nur synthetische Konservenkost serviert wird?“ Weil allmählich die Plattenläden „um die Ecke“ gewaltigen Megastores Platz machen müssen, nutzt die Firma Blue Rose kurzerhand das Internet, um ihre Kunden fachgerecht zu beraten. Edgar Heckmann höchstpersönlich füttert die labeleigene Homepage mit den aktuellen Informationen über seine Musiker. Unter der Adresse www.bluerose-records.com können Neuerscheinungen und Platten aus dem Backkatalog bestellt werden. In diesem Fall vertragen sich moderne Kommunikationstechnik und musikalische Handarbeit ausnahmsweise mal aufs allerbeste.