Rock vs. New Wave
Ritchie respektiert Blondie - und doch tobt Anfang der 80er ein Glaubenskrieg.
The Clash sind keine schlechte Band. Kommen zwar vom Punk, kennen sich aber aus in der Rockhistorie, das hört man, und sie beherrschen ihre Instrumente. Aber auch über die Talking Heads lässt sich sagen: interessanter Stoff, da ist was dahinter. Soll keiner sagen, der Rockfan sei den neuen Entwicklungen nicht aufgeschlossen. Doch was zu viel ist, ist zu viel. Zu viel ist: Plattenrezensionen über bedeutende Supergroups, die mit einem einzigen Bewertungsstern abgefertigt werden – während eine Band wie die von Malcolm McLaren im Galopp verlorenen Adam & The Ants für KINGS OFTHE WILD FRON-TIER die Höchstwertung “ Gier! Lechz! Hechel!“ verliehen bekommt! Zu viel ist: die B-52’s mit der Auszeichnung „Platte des Monats“ in einem Monat zu belohnen, in dem BACK IN BLACK von AC/DC erscheint! Und müssen es denn gleich mehrseitige Artikel über die Specials, Der Plan, Heaven 17 und sogar ein DAF-Titel sein, obwohl schon seit Monaten kaum mehr etwas von Supertramp, ELO und Thin Lizzy zu lesen war?! Rolf U. aus Essen ist wahrlich nicht der erste Leser, der sich darüber beschwert, dass das Neue dem Alten, Guten, Bewährten Platz und Bedeutung wegnimmt. In seinem Leserbrief, der im Januar 1982 erscheint, seufzt er jedoch mindestens einer ganzen Generation aus der Seele: „Bin ich denn wirklich der Einzige auf der Welt, der gerne Rockmusik hört und den Wunsch nach ein oder zwei Berichten pro Heft hat?“
Ist er nicht. Auch Ritchie Blackmore (damals Gitarrist bei Rainbow) findet es „eine Schande“, was die Zeitenwende mit sich bringt, wie er dem ME im Februar 1982 zu verstehen gibt: “ Diese Punk- und New-Wave-Bewegung versucht verzweifelt, die Oberhand zu gewinnen – aber sie schaffen’s nicht. Die wirklich großen Bands heute haben nichts mit Punk oder New Wave zu tun abgesehen von Blondie, falls man die dazurechnet. Aber die respektiere ich auch. “ Es muss wohl erst einer kommen wie Lynden Barber vom britischen Melody Maker, einen Essay für den ME (im Apri! 1982) über die „musikalischen Glaubenskämpfe“ dieser Zeit schreiben und darin mit scharfer Klinge auf beiden Seiten austeilen. Die Hüter des heiligen Rockgrals bezeichnet er als „alte Fürze“, deren „Vorurteile in einem selbstgefälligen Mittelschicht-Ethos mit unbewusst rassistischen Untertönen wurzelt“ und denen „Musikalität‘ nichts anderes bedeutet, als die Leicht-zu-Beeindruckenden zu beeindrucken“.
Und er schimpft kaum weniger laut über die „Mode-Hipster“ der „neuen Generation, die sich grundsätzlich weigert, die Existenz hörenswerter Musik vor der großen Trennung (durch den Punk – Anm. d. Red.) anzuerkennen, und außerdem auf jedes Trittbrett springt, das sich gerade in Reichweite befindet.“
Ob das was bringt? Leserbriefe – zumindest bringt es viele neue Leserbriefe!
Ritchie und Rolf werden sich auf jeden Fall noch umschauen: Vielleicht ja nicht die großen, aber auf jeden Fall die erfolgreichen Bands der nächsten Jahre heißen Duran Duran, Culture Club, Eurythmics usw. Und der ME wird sie und viele andere breit featuren, fast so breit wie die Supergroups der 70er Jahre. Die meisten dieser Acts werden bald wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. So ist es immer. Das wird die neuen Ritchies und Rolfs jedoch nicht davon abhalten, ihre Helden der 80er gegen all den neuen Kram zu verteidigen, der da so kommen wird. Und das wird richtig heftig. Wir sagen nur: Hiphop, House und Hair-Metal. Haltet durch!