Rock im Fernsehen: Mattscheibe?
Seit dem „Beatclub“ vor nun 15 Jahren eine wahre Pioniertat auf dem Gebiet „Rockmusik im Fernsehen“ gelang, ist außer den Rocknächten des WDR nichts Nennenswertes in diesem Bereich gelaufen – Regional-Programme einmal ausgenommen. Das ZDF versuchte 1978, das spärliche Angebot mit „RockPop“ zu beleben. Ein gutgemeintes Bemühen, das aber nicht nur aufgrund einer mißratenen Moderation oft wenig erfreulich war.
Am 3. Oktober nun geht die letzte Sendung über den Bildschirm. Nach drei Jahren wird „RockPop“ wegen mangelnder Resonanz eingestellt. Damit stirbt die neben den regelmäßigen Rocknächten einzig auf Rockmusik eingestellte überregionale Sendung. Wenn ich allerdings mir recht überlege, welchen Stellenwert „RockPop“ hatte, ist es eigentlich nicht so furchtbar schade drum. Christian Simon präsentierte da – in recht amateurhafter Weise – ein konzeptionsschwaches Nummernprogramm, das vor sachunkundigen, dafür klatschfreudigen Fernsehtouristen in einem langweiligen Bühnenbild ablief. Wer sich einen Querschnitt durch die aktuelle Rockszene versprach, mußte mehr und mehr mit einem begrenzten Angebot Vorlieb nehmen, das wohl mehr auf Zufall denn auf Planung fußte. Bands, die gerade auf Deutschland-Tournee waren,wurden ins Studio geladen und durften ihre neuesten Singles zum Besten geben.
Zugegeben: Auf diese Weise kamen Gruppen ins deutsche Fernsehen, die für einzelne Auftritte wohl kaum aus den USA angereist wären. Über Geschmack zu streiten, ist an dieser Stelle ohnehin müßig. Anzuerkennen ist auf jeden Fall das Bemühen der betreffenden Redakteure, überhaupt ein Rockprogramm auf die Beine zu stellen. So ist der Abschied von „RockPop“ unterm Strich ein zwiespältiger. Denn was bleibt ist ein Loch auf überregionalem Gebiet – vor allem für Rockfreunde in der großen Provinz-Einöde.
Es wird weiter einen Ilja Richter geben, in dessen dümmlichen Zirkus, sei’s nun „Disco“ oder „Musikpalette“, sich hin und wieder mal eine rockartige Gruppe verirrt; Desiree, die den Kindern rockverwandtes näherbringen soll – und schließlich Leckebuschs „Musikladen“, die perfekteste, sehenwerteste, aber leider nur allzu selten rockmusikalisch ergiebige Musikshow. Fazit also: dürftig. Insofern war „RockPop“ fast schon wieder eine Perle im sonst so Schlager-verhunzten TV-Programm.
Weitergeben wird es allerdings, so war von „RockPop“-Redakteur Thomas Stein zu erfahren, „RockPop in Concert“. Nach einem durchaus gelungenen Start im vergangenen Winter soll demnächst die zweite ZDF-Rocknacht in Dortmund aufgezeichnet werden. Am 18./19. Dezember finden die Aufnahmen statt, am 9.1’82 dann ist zu nächtlicher Stunde die Ausstrahlung. „Rock Pop in Concert“ soll auf jeden Fall populärer sein, als das eher anspruchsvolle „Rockpalast“ -Programm.
Rockmusik ist für einen großen Teil der Jugend wesentlicher Teil ihrer Freizeit, Fernsehen gehört für viele Rockfreunde sicherlich ebenso dazu. Warum das Zusammenspiel von beiden in unseren Landen nur so kläglich funktioniert, ist nicht einzusehen. Einzig die „Rockpalast“-Redaktion ist zumindest seit dem Start ihrer Rocknächte durch Umfang und musikalischer Konsequenz dem Freizeitanspruch gerecht geworden.
Daß das Programm der Rocknächte nicht einmal unbedingt der Erfolgsfaktor der Sendung ist, zeigen sowohl die Einschaltquoten zu später Stunde, als auch die Wochen vorher ausverkaufte Halle. Wohlgemerkt vor Bekanntgabe des Programms. Ganz offensichtlich spielt hier die Konzeption einer Sendung die entscheidende Rolle. War „RockPop“ eine typische Fernsehshow mit Hitparadencharakter, Playback und einer populären Ausrichtung, also leicht konsumierbar, so präsentiert sich der „Rockpalast“ mit Konzert-adäquater Live-Atmosphare, fast anspruchsvoll, seriös um Information bemüht, manchmal schon am Rand des Lehrbuchhaften.
Doch Maßstäbe oder gar Wunschformen für Musiksendungen liefern beide überregionale Sendungen nur sehr bedingt. Denn der bis dato fehlende Konkurrenzdruck und die nichtkommerzielle Ausrichtung unserer Fernsehanstalten ermöglichen es, einmal Erprobtes auch bei vergleichweise niedrigen Einschaltquoten immer noch als erfolgreich hinzustellen und ohne Korrektur länger als nötig durchzuziehen. („RockPop“ immerhin drei Jahre!) Im Fall „Rockpalast“ wird z.B. gern der kostenlose Eurovisions-Einkauf durch europäische Länder, die Sendungen dieser Art und Dimension nicht produzieren, als Erfolgsargument herangezogen, daß Vielfältiges möglich ist, zeigt ein Blick in die Dritten Programme. Denn fast jedes Dritte bedient seine jugendlichen Zuschauer regelmäßig mit Rockmusikalischem. Und das in durchaus kreativer Weise – wie man feststellen wird, wenn man in der glücklichen Lage ist, entsprechende Programme zu vergleichen. Am besten wohl haben es da die Norddeutschen, denen gleich drei regional produzierte Rocksendungen angeboten werden. Hin und wieder „Rockpalast“, regelmäßig „Beatclub“ und neuerdings – sehr zu empfehlen – „Dr. Mambos Musikjournal“. Bayern 3 bietet seinen Kunden „Pop Stop“. Die anderen Südsender und Hessen bedienen sich aus dem obigen Angebot.
Der „Rockpalast“ ist in seiner wöchentlichen WDR-Ausgabe wesentlich vielschichtiger, d.h. unter anderem auch trendbewußter als in seinen Rocknächten. Bayerns „Pop Stop“ konzentriert sich auf ein, zwei neue Gruppe, die im Studio auftreten und zeigt Videos. Neu im Angebot der Nordkette, wie schon erwähnt, „Dr. Mambos Musikjournal“. Die bisher überzeugendste Art eines Rockmusik-Magazins. Aktuell, bunt, informativ und witzig. Der „Beatclub“ greift wie „Pop Stop“ eine Komponente auf, die andere Redaktionen unverständlicherweise als heißes Eisen betrachten: Das Industrie-Video. Diese von Schallplattenfirmen produzierten Videos sind in der Regel äußerst aufwendig, ausgefallen und witzig gemacht – und vor allem kostenlos.
Typisch für alle Sendungen ist, daß sie sich, da sie aus etablierten Funkhäusern kommen, mit unabhängigem, alternativem Rock furchtbar schwertun. So fand Punk im Femsehen zunächst überhaupt nicht statt. Erst als die Bewegung zu Ende ging, lief z.B. in der ARD Wolfgang Bülds ambitionierter Punk-Film; New Wave, Afterpunk oder wie man es nennen mag, wird indessen zum Glück nicht völlig ignoriert. Die Talking Heads in der „RockPop“-Nacht oder DAF in „Bananas“ und bei „Bio“ sind dafür das beste Beispiel.
Klar, daß diese Tröpfchen auf den heißen Stein der neuen Musik in keiner Weise gerecht werden. Rockmusik im Fernsehen ist und bleibt wohl auf absehbare Zeit ein dürftiges Kapitel. Dürftig in Präsenz und Präsentation. Was fehlt im deutschen Femsehen, ist eine Sendung, die Rockmusik fernsehgerecht anbietet und sich nicht als Konzerthallen-Ersatz versteht. Als mögliche Lösung böten sich die schon oben erwähnten Videos an. Playbackbewußt und ohne falsche Scham eingesetzt perfekte, maßgeschneiderte Kulissen, Vielfalt und Kreativität. Die Videos liegen wie Perlen auf der Straße und warten darauf, gesammelt zu werden. Thematische Zusammenhänge zu bringen, aktuelle Hitparaden, Porträts und und anders wäre möglich. Schon längst Warum fängt keiner damit an?