Rock am Fließband


Immer mehr Firmen lassen für ihre Angestellten Popgrößen aufspielen.

Nein, wie ein normales Rock-Publikum sehen sie nicht gerade aus. Männer in den besten Jahren, allesamt mit Anzug, Krawatte und Namens-Schildchen am Revers. Und trotzdem spielt oben auf der Bühne in dem festlich geschmückten Saal auf Hawaii die Band ihre Show mit dergleichen Kraft (und Lautstärke), als stünde sie im Stadion-Rampenlicht. „Pepsi Cola“ hatte seine erfolgreichsten Regionalleiter zu einer netten Party geladen – 3.500 nicht-zahlende Gäste, viergängiges Menü, Champagner und eine nette Live-Band namens Rolling Stones.Jncentive“ nennt man das, mit „Mitarbeitermotivierung“ nur holprig einzudeutschen. Ohnehin sind die Amerikaner uns auch in dieser Nische zeitgemässer Entertainment-Vermarktung ein gewaltiges Stück voraus. Wenn eine US-Firma ihre Spitzenkräfte bei einer Party von Bob Dylan oder den Eagles, den Bee Gees oder Jewel musikalisch unterhalten lassen will, bucht sie diese Künstler einfach über eine von mehreren Dutzend Agenturen, die sich auf die Organisation von Firmenfeiern im ganz grossen Stil spezialisiert haben. Während hierzulande Costa Cordalis, Roberto Blanco und Jennifer Rush angeheiterte Staubsaugervertiebsleiter anheizen, kennen in den USA beide Seiten-Firmen und Künstler-kaum Berührungsängste. Warum auch-solange die Kasse und die Stimmung stimmt. Das Geld darf für die Veranstalter dabei natürlich keine Rolle spielen. Wenn „Applied Materials“, Amerikas grösster Hersteller von Computer-Gehäusen, zum Beispiel für die Firmenfeier Bob Dylan erstmals dazu bewegt, sich auf der Bühne von der Band seines Sohnes (The Wallflowers) begleiten zu lassen, muss das Unternehmen dafür einen ähnlich deutlich siebenstelligen Dollarbetrag auf den Tisch legen wie „Pepsi für die Rolling Stones. Die Gagen sind stets höher als bei regulären Konzerten, die exakten Summen bleiben jedoch meist Geheimsache. Für die spezialisierten Booking-Agenturen wie die „Creative Artists Agency“ (CAA) in Beverly Hills rollt der Rubel vor allem durch die diskrete Vermittlung:“Das ist ein ultraheisses Geschäft“, grinst der CAA-Booker Christopher Dalston. Er vermittelt Künstler wie Bob Dylan, Jewel, Stevie Winwood oder Santana an interessierte Industriefirmen. Michael Krudewig mit seiner Krefelder Agentur „Krudewig-Entertainment“, einer der führenden deutschen Incentive-Booker, backt deutlich kleinere Brötchen. Er vermittelt für Galas, wie „corporate gigs“ bis heute bei deutschen Künstlern heissen, Acts wie Geier Sturzflug, Black Föös,die Flippers und die Abba Revival Band. Internationale Künstler sind für deutsche Unterneh men als Stimmungsmacher nur dann interessant, wenn sie in geschmacklicher Hinsicht den kleinsten gemeinsamen Nenner von Sekretärin und Vertriebsleiter repräsentieren: Chris Rea, Bob Geldof oder Chris de Burgh stehen auf der Liste des Agenten Heinz S.Weiss. An internationalen Spitzenstars spielten einzig die Rolling Stones in Wolfsburg vor den versammelten Volkswagen-Mitarbeitern, Teil eines Multimillionen-Toursponsoring-Deals. In Amerika dagegen kommen die einschlägigen Agenturen kaum mit der Bearbeitung der Anfragen hinterher. Jüngere Unternehmen wie „Nintendo“fragen sogar schon nach angesagteren Bands. CAA-Mann Christopher Dalston: „Erst vorhin hat wieder einer angerufen. Er wollte irgendwas Radikales. So was wie Marilyn Manson.“