Robert Smith


Es gab eine Zeit, da plagten den kreativen Kopf der CURE heftige Alpträume und genauso unheilschwanger klang die Musik. Auf dem neuesten Album KISS ME, KISS ME, KISS ME ist der Psychoterror einer zwar immer noch schrägen, doch ungleich leichter verdaulichen Pop-Gangart gewichen. Nur der Haarschnitt erinnert noch an „gruftige“ Zeiten. Robert Smith auf dem Weg zum „Normalo“? Teddy Hoersch fragte nach.

ME/Sounds: Roben Smith, hast du jemals erwartet, daß aus dem Easy Cure-Trio, 1976 von drei Schulfreunden gegründet, die Band würde, die jetzt mit dem Doppelalbum Kiss Me Kiss Me Kiss Me Superstar-Status erreicht?

SMITH: „Hm, ehrlich gesagt: nein! Ich machte mir wirklich nie Gedanken über die Zukunft, nicht einmal über den nächsten Tag. Wer denkt schon mit 16, 17 daran, was er mit 27 macht?! Manchmal habe ich nicht einmal geglaubt, daß ich so lange lebe.

Ich bin eigentlich nicht überrascht, daß es uns noch gibt. Ich bin eher überrascht darüber, daß man The Cure ganz offensichtlich braucht, daß niemand unseren Platz einnehmen kann.“

ME/Sounds: Mit anderen Worten: The Cure sind einzigartig?

Smith: „Ja, je länger wir bestehen, desto einzigartiger werden wir. Wenn ich mich so umschaue, sei es in der kurzen Geschichte der Popmusik oder in der Gegenwart, dann stelle ich fest: Es gibt nichts, was sich mit The Cure vergleichen ließe. Mag sein, daß wir vor drei, vier Jahren ähnlich geklungen haben wie diese oder jene Band. Aber zur Zeit kann ich nichts entdecken, was auch nur annähernd wie The Cure klingt.

Wenn ich heute Sänger werden wollte, mich umschauen würde bei allen in Betracht kommenden Bands, dann würde ich bei The Cure einsteigen wollen.“

ME/Sounds: Wie ernst war es dir, als du einmal sagtest, die Band würde aufgelöst, sobald sie erfolgreich ist?

Smith: „Das habe ich so nie gesagt. Ich sagte nicht. The Cure würden aufgelöst, wenn sie erfolgreich, sondern wenn sie akzeptiert sind. Das ist ein himmelweiter Unterschied. Wenn die Hörer wissen, was sie von uns zu erwarten haben, wenn wir sie nicht mehr überraschen können, dann wär’s für mich das Ende. Wenn wir akzeptiert würden wie irgendeine x-beliebige Mainstream-Truppe, dann wäre es an der Zeit, etwas ganz anderes zu tun. Ich möchte nämlich nicht mit Curiosity Killed The Cat in Wettstreit treten.“

ME/Sounds: Machen wir einen Sprung über den großen Teich; Überrascht es dich nicht, daß The Cure im Pop-Biederland USA 600.000 Platten verkaufen?

Smith: „Tja, Amerika ist ein schwieriger Fall, ein gefährlicher Ort. Wenn eine Band dort erfolgreich ist und diesen Erfolg genießerisch auslebt, dann ist das meistens der Anfang vom Ende. Denn das amerikanische Publikum ist notorisch dumm wegen dieser Hypothese: Eine Formation, die zehn Jahre lang Platten macht, muß ja gut sein. Das ist jedoch in den allermeisten Fällen ein Trugschluß. Selbst Fleetwood Mac machen heute noch Platten und sind schon seit Jahren erschreckend schlecht, flacht) Amerikaner neigen dazu, aus einer Popband eine Institution zu machen, wenn sie nur lange genug besteht.

Um auf deine Frage zurückzukommen: Wir verkaufen in den USA Platten, weil man unseren Namen lange genug gehört hat. ,Achja, das ist diese Ctire-Tnippe.‘ Das macht sie neugierig. Einen harten Kern von Cure-Anhängern gibt es schon seit Jahren in den Staaten. Diese Gefolgschaft besucht unsere Konzerte. Doch zwischen der Käuferschicht und dem Live-Publikum besteht schon zahlenmäßig ein großer Unterschied. Wir verkaufen zwar eine halbe Million Platten, aber spielen ,nur‘ vor etwa 100.000 bis 200.000 Leuten. Man hört uns auch nicht besonders oft im Radio, sieht uns selten auf MTV. Unsere Platten verkaufen durch Mundpropaganda.“

ME/Sounds: Du hast es gerade erwähnt und man weiß es: The Cure haben wirklich ein nibelungentreues Fan-Heer. Glaubst du als intelligenter Mensch eigentlich nicht, daß die Rolle des Popmusikers, sprich auch deine, maßlos überschätzt wird?

Smith: „Wenn man logisch über die ganze Sache nachdenkt, dann scheint mir die ganze Branche sinnlos zu sein. Als ich so 13,14 Jahre alt war, verehrte ich Alex Harvey von der Sensational Alex Harvey Band. Ich schwänzte die Schule, folgte ihm quer durchs Land und besuchte mit meiner Freundin all seine Konzerte. Das dauerte ungefähr anderthalb Jahre. Ich erinnere mich, daß ich gerne Alex Harvey gewesen wäre, weil ich ihn so gut fand. Diese Perioden macht man als Jugendlicher einfach durch. Man bewundert und verehrt jemanden, von dem man glaubt, daß er was Tolles macht, sei es ein Fußballer, ein Musiker, wer auch immer. In meinem Fall kam nach Alex Harvey J. D. Salinger („Fänger im Roggen“) und dann nur Schriftsteller und keine Musiker mehr.

Aber deswegen bin ich nicht der Sänger von The Cure. Mir geht es nicht darum, als Idol, als Held dazustehen. Aber wenn die Jugendlichen schon jemanden brauchen, den sie bewundern, dann besser eine Band, die nachdenkt über das. was sie tut. Und wenn wir’s nicht wären, dann wär’s jemand anderes. Ich bin zwar nicht so populär wie Simon LeBon, aber darauf verzichte ich auch gerne.“

ME/Sounds: Stichwort: Literatur. In deiner Biografle findet man unter der Rubrik „Vorlieben“ den Hinweis „Schlafen“ und „Lesen“, unter „Lieblingsschriftsteller“ die Namen Camus, Kafka, Peake, Cocteau, Salinger, Thomas usw. Was liest du zur Zeit?

Smith: „Ich habe gerade zwei sehr seltsame Bücher über die 20er Jahre gelesen. Eines hieß .Wahnsinn und Verblendung‘ und handelte von periodisch auftretendem Massenwahn: Nazitum. Hexenjäger im Mittelalter, heidnische Rituale. Sehr interessant. Es ging darum, eine Erklärung für diese immer wieder auftretenden Massenhysterien zu finden. Mich faszinierte daran vor allem die Querbeziehung zu Popkonzerten, die ja nicht selten etwas von Massenwahn und -hypnose haben.“

ME/Sounds: Schlafen und Lesen – das ist eine sehr ungewöhnliche Kombination. Flucht? Vergessen?

Smith: „Ich nehme an, beides! Es kommt sehr selten vor, daß ich ein Buch, seinen Autor und sein Thema längere Zeit im Kopf behalte. Ich lese in der Hauptsache aus dieser Lust, in die Gedankenwelt eines anderen Menschen zu fliehen. Ich habe — ganz im Gegenteil zu anderen Leuten — kein Gedächtnis für das, was ich gelesen habe. Ich lese und vergesse. Ich habe keinen großen Zitatenschatz parat. Es gibt ja Leute, die alle Apercus draufhaben und ihren Shakespeare hervorholen können. Kann ich nicht. Dennoch habe ich in den letzten Jahren — so glaube ich — das Lesepensum bewältigt, das ich bewältigen sollte und wollte. Oft lese ich ein Buch auch zweimal, und es kommt vor, daß die Wirkung eine ganz andere ist. Beim ersten Mal hasse ich es, beim zweiten Mal liebe ich es.“

ME/Sounds: Zurück zur Musik: Bei Kiss Me Kiss Me Kiss Me wird die gesamte Cure-Truppe als verantwortliches Songwriter-Team angegeben, während die vorhergehenden Alben nur mit deinem Namen gezeichnet waren. Ist The Cure wieder eine intakte Band?

Smith: „Um genau zu sein — auf dem Plattencover heißt es Musik: The Cure, Texte: Robert Smith. Musikalisch gesehen war Kiss Me wieder eine Angelegenheit der ganzen Band, wenn auch in dem einen oder anderen Fall diese Autorenangaben nur dastehen, um die finanzielle Aufschlüsselung zu vereinfachen. Anderenfalls gingen die übrigen nämlich leer aus. Leider war es die letzten zweieinhalb Jahre so, daß ich allein für alles zuständig war. Ich mußte die anderen geradezu zwingen, mit Vorschlägen rauszurücken. Denn sie bildeten sich ein, daß ihre Songvorschläge nicht gut genug seien.

Drei Stücke gehen diesmal ganz auf das Konto von Porl (Thompson), zwei auf das von Simon (Gallup). Boris (Williams) entwickelt Rhythmen und Beats, so z.B. für „The Kiss“. Lol (Tolhurst) hat mir hier und da bei den Texten geholfen. Kurzum: Die ganze Band hat sich kreativ an dem Projekt beteiligt. Ich käme nie auf die Idee, mir etwas gutzuschreiben, was ich nicht getan habe. In der Vergangenheit kam halt alles von mir und die Band war ausführendes Organ. Diesmal haben sich die Songs während und durch die Aufnahmen entwickelt, so daß im Grunde jeder an dem Endresultat beteiligt war.“

ME/Sounds: Ein Schlüssel-Song scheint „How Beautiful You Are“ zu sein. Dort heißt es gegen Ende: „And this is why I hate you/And how I understand/That no-one ever knows or loves another“. Formulierst du dort ein Grundgeföhl deines Lebens?

Smith: „Jaja …! Das ist zumindest vom Text her einer der besten und fertigsten Songs, die ich jemals geschrieben habe. Ich habe das Motiv für diesen Song schon vier Jahre lang mit mir rumgetragen: Man kann einen Menschen jahrelang kennen, gut, intim … und plötzlich geschieht etwas und man bemerkt, daß man jahrelang einer Täuschung aufsaß. Daß man sein Gegenüber im Grunde überhaupt nicht kennt. Es bedeutet nicht, daß man sich selbst verändert hat, sondern daß man in einer Art jähen Erkenntnis feststellt, daß man den anderen nicht kennen kann.

Als ich dann eine Kurzgeschichte über Baudelaire las, tauchte dieses Motiv wieder auf. Dorther stammt auch das Bild des Mannes und des Kindes. Das beschreibt auch ganz gut meine Arbeitsweise. Ich erfinde nichts, sondern entdecke Themen wieder, die mich beschäftigen. Aus den Einzelteilen, die ich hatte, und dem wiederkehrenden Motiv entwickelte sich dann die Story des Songs.“

ME/Sounds: Ist diese Figur, die glaubt, niemanden kennen und niemanden lieben zu können, ein typischer Robert Smith ?

Smith: „Die Tragödie des Songschreibens — und jeder, der schreibt, weiß das — ist, daß man anfängt nachzudenken, zu reflektieren. Notwendigerweise. Man betreibt Innenschau — und dann sieht es so aus, als sei man ein selbstmordgefährdeter Dunkelmann. Obwohl ich meist nur in depressiven Phasen schreibe, bin ich auch nur so glücklich bzw. unglücklich wie jeder, den ich kenne. Im allgemeinen bin ich sogar sehr zufrieden. Die periodischen Tiefs erlebt wohl jeder. Zeig mir den, der von sich behauptet, permanent glücklich zu sein. Der Unglücksrabe!“

ME/Sounds: Wie stehst du denn zu den Etiketten, die diese Presse dir und der Band aufgeklebt hat: Grußes, Fürst der Finsternis, Prince Of Paranoia, Mister Miserable, usw.? Ist da was dran?

Smith: „Im Grunde haben wir darüber gelacht oder sagen wir gelächelt. Es gab nur eine Phase in der Cure-Geschichte, wo die Etiketten mit dem Inhalt übereinstimmten — und das war zu der Zeit von Pornography. Damals waren wir wirklich ein trauriger Haufen von Vollidioten. Aber selbst damals wollte ich mit meinem Zustand nicht kokettieren. Darum legte The Cure nach Pornography auch eine Pause ein. Ich war total unzufrieden, mit dem was passierte, hatte aber auch keinerlei Lust, aus meiner Misere Kapital zu schlagen oder mich weiterhin in der Öffentlichkeit zum Idioten zu machen.

Seitdem versuche ich Einfluß zu nehmen auf das Bild, das sich die Öffentlichkeit von mir und der Band macht. Ich bin aber auch glücklicher als vor vier Jahren. Wenn das damals so weitergegangen wäre, würde ich heute nicht mehr leben.“

ME/Sounds: Welche Gründe, welche Hinter-Gründe hatte der kreative Stillstand bei Pornography? Alkohol? Drogen? Persönliche Probleme?

Smith: „Ja. das ganze Paket! (lacht) Rückblikkend weiß ich jedoch, daß der übermäßige Drogenkonsum in direkter Beziehung zu den persönlichen Problemen stand. Das ist so der typische Teufelskreis: Man nimmt Drogen, weil man unglücklich ist — und je mehr Drogen man nimmt, um so unglücklicher wird man.“

ME/Sounds: Hast du jemals Drogen aus künstlerischen Erwägungen genommen, sagen wir wie der New Yorker Literat William Burroughs?

Smith: „Ja schon — aber ich habe einen sehr exzessiven Charakter. Exzessiv, nicht süchtig! Ich habe sowohl das Rauchen als auch die Drogen in derselben Nacht aufgegeben. Seitdem habe ich drogenmäßig nie mehr so richtig zugeschlagen. Aber wann immer ich etwas tue. dann extrem. Ich schaue, wie weit ich gehen kann. Das ist ganz schön blöd.“

ME/Sounds: Noch einmal die Frage: Warder Drogenkonsum auch ein Mittel, die notwendige Inspiration aufrechtzuerhalten?

Smith: „In gewisser Hinsicht ja. Nach Faith z.B. hatte ich keinerlei Ahnung, wohin und wie sich die Sache entwickeln würde, was ich eigentlich wollte. Ich war zutiefst verunsichert und hoffnungslos. Darum entschloß ich mich dazu, eine Zeitlang in einer anderen Welt zu leben.

Wie macht man das am leichtesten? Ich soff bis zur Besinnungslosigkeit und nahm alle Drogen, deren ich habhaft werden konnte. Ich verhielt mich immer seltsamer. Ich wurde immer kurioser. Was wohl jedem passiert wäre. Das konnte ich mir nur leisten, weil Lol und Simon immer um mich herum waren, um notfalls Stop zu sagen. Heute kann ich verstehen, warum sich einige Leute in einem solchen Zustand einschließen und nie wieder das Zimmer verlassen. Aber das hat Simon nicht zugelassen.“

ME/Sounds: Welche Drogen hast du benutzt? Kokain ? Heroin ?

Smith: „Alles eigentlich! Welche Drogen das war im Grunde egal. Zum Glück war ich jung genug, um mich zu erholen von all dem, was ich da eingeführt habe. Wenn ich das heute noch einmal versuchen würde, würde ich sterben. Rein körperlich könnte ich das nicht mehr ab. Mein Körper hat mir auch irgendwann befohlen aufzuhören.“

ME/Sounds: Sind deine Texte eigentlich in Worte umgesetzte Träume?

Smith: „In gewisser Hinsicht ja. Ich träume viel und heftig. Aber das tut wohl jeder. Die einzige Erfindung, die ich mir von . der Technologie wünsche, ist eine direkte Umsetzung von Träumen in Bilder. Stell dir vor, man könnte sein Hirn an einen Fernsehbildschirm anschließen, um exakt die Vorstellungen und Bilder zu projezieren, die dort entstehen. Das wäre wirklich irre. Dann würde es mir nicht mehr passieren, daß ich aufwache und versuche, Mary zu erklären, welches langsam verblassende Bild da in meinem Kopf ist.

Ich habe zur Zeit sehr normale Träume. Zu der Zeit, als THE TOP entstand, hatte ich viele Alpträume, sehr unzusammenhängendes, wildes Zeug. Ich wachte auf und war in Schweiß eebadet.“

ME/Sounds: Hältst du dich für „normal“? Wie würdest du dich selbst beschreiben?

Smith: „Das ist sehr schwer. Meine Vorstellung von normal ist sehr farbig. Aber ich halte mich schon für normal. Ich reagiere vermutlich genauso auf Personen und Situationen, wie eine normale Person reagieren würde. Aber ich lebe in einer unnormalen Situation, darum weiß ich es nicht so genau. Ich halte die meisten Menschen um mich herum für normal. Aber wenn ich ihre Welt mit meiner vergleiche, dann … Glaubst du (schaut aus dem Fenster ), daß der Schiffer da unten auf seinem Kahn normal ist? (Das Interview fand auf Schloß Rheinfels, nahe der Loreley statt. — Anm.

d. Red.) Das Ganze ist auch ein sprachliches Problem. Wenn nicht normal, so bin ich doch zur Zeit sehr viel vernünftiger als früher, ansprechbarer, angepaßter, freundlicher. Ich war zeitweise sehr nervös.“

ME/Sounds: Welche Musik hörst du, um dich zu entspannen? Kann es sein, daß ich da gestern abend aus deinem Zimmer Disco-Töne hörte?

Smith: „Ja (lacht), das war — soweit ich weiß — Evelyn Champagne King. Ich war sehr betrunken. Nein — eigentlich höre ich klassische Musik, wenn ich mich entspannen will und allein bin.“

ME/Sounds: Bestimmte Komponisten?Mahler?

Smith: „Nein, eher die weicheren Sachen: Debussy. Chopin … Mein Favorit ist Khatschachurian. Und dann Dramatisches wie Prokofieff und Beethoven. Es ist schade, daß Klassik als elitäre Musik gilt, denn manches ist verdammt gut. Da kommt zeitgenössische Musik selten mit. Nur wenige Gruppen haben auf mich denselben Effekt. Die allerwenigsten haben soviel Feuer. Magie und Leidenschaft wie die Klassiker. Joy Division und die Cocteau Twins haben Platten gemacht, bei denen ich etwas fühle. Aber vergleiche nur mal Bach und Lionel Richie…“

ME/Sounds: Hältst du überhaupt etwas von populärer Musik?

Smith: „Wenig! Ich kenne mich auch nicht besonders gut aus. Gut, ich werde der Top Fifty ausgesetzt, wenn im Auto das Radio läuft oder in einem Club. Aber es interessiert mich nicht. Ich habe den Eindruck, daß da eine Verschwörung im Gange ist: Seit Jahr und Tag machen diese Leute mit denselben Melodien immer wieder ,neue‘ Songs.“

ME/SOUNDS: Um auf den Anfang unseres Gespräches zurückzukommen: Gibt es nicht trotz der mal angenommenen Einzigartigkeit von The Cure Rückverweise, Querverbindungen, Zitate von Neil Young bis Fmk Flovd auf Kiss Me Kiss Me Kiss Me?

Smith: „Sicherlich, es gibt unheimlich viele Dinge, die ich mir im Laufe der Jahre angehört habe, soviel unterschiedliche Musik, die die einzelnen Cure-Mitglieder hören und verarbeiten. Wie schon erwähnt mochte ich die Sensational Alex Harvey Band. Ich bin aufgewachsen mit Pink Floyd, Jimi Hendrix und Captain Beefheart. Simon hört gerne Kate Bush und andere stimmungsvolle, melodische Sachen. Porl steht immer noch auf Physical Graffitti von Led Zep. Lol mag Run DMC und die Beastie Boys. Das bedeutet: Es gibt ungeheuer viele Einflüsse. Das machte es anderen auch immer schwer, The Cure irgendwo einzuordnen. Bei uns ist alles drin. Wann immer in den letzten 20, 30 Jahren irgend etwas von Bedeutung erschienen ist — sei es auf musikalischem oder literarischem Sektor —, dann kenne ich das. Ich muß es nicht gut finden, aber ich habe mich damit auseinandergesetzt. Ich mache meine Erfahrungen gerne aus erster Hand.

Der Einflüsse gibt’s also viele und die meisten werden zufällig verarbeitet, spontan.“

ME/Sounds:: Es heißt, daß dich mit Simon eine starke Haßliebe verbindet. Stimmt das?

Smith: „Ja. Man kann sich schwerlich zwei Menschen vorstellen, die sich näherstehen als wir. Mit dieser Nähe ist gleichzeitig auch immer eine Spannung verbunden. Wir kennen uns so gut, daß wir bei gewissen Ereignissen gar nicht miteinander sprechen müssen, um zu wissen, was der andere denkt. Die Spannung hat sich gelegt, die Wogen haben sich geglättet. Zeitweise waren wir beide sehr stolz: es bestand ein ungeheurer Wettbewerb zwischen uns.“

ME/Sounds: War das einer der Gründe, warum Simon die Band verlassen hat?

Smith: „Ja, ganz genau. Aber nach anderthalb Jahren vermißte er meine Gesellschaft und umgekehrt. Wir gingen wieder zusammen aus, zusammen trinken. Es schien das Natürlichste von der Welt, ihn zu fragen, ob er nicht wieder einsteigen wollte. Egal, ob er Ja oder Nein gesagt hätte, wir wären Freunde geblieben.“