Robert Plant/Jimmy Page: Rocken bis zur Rente
Was treibt zwei alte Helden zu neuen Ufern? Das Geld kann's kaum sein. Denn davon besitzen Robert Plant und Jimmy Page auch heute noch reichlich. Und so liegt der Gedanke nah, daß die Heavy-Haudegen von einst nur noch einmal vom Ruhm der Zeit mit Led Zeppelin zehren möchten. Denn vor dem Verlangen, ganz vorn zu stehen, sind nicht mal reife Rocker gefeit. Selbst wenn ihre Musik nur noch ansatzweise an den satten Sound vergangener Tage erinnert
Das Ganze hat fast schon einen tragischen Zug. Da bemühen sich, nach MTV-Maßstäben gemessen, zwei alte Männer vor einem Millionenpublikum um die Gunst der Tekkno-Generation und merken nicht einmal, daß Ruhm kein beliebig oft reproduzierbares Gut ist. Der eine, Jimmy Page, feierte am 9. Januar dieses Jahres seinen 50. Geburtstag. Der andere, Robert Plant, wurde am 20. August 46. Mit Led Zeppelin schrieben die beiden von 1969 an gut eine Dekade lang Rockgeschichte.
In dieser Zeit wurden Page, der genialische Gitarrist, und Plant, der charismatische Sänger, wie auch Drummer John Bonharn (erlag dem Rock’n’Roll-Leben am 25. September 1980) und Bassist John Paul Jones zu Idolen ihrer Zeit. Mit ihrer metallischen Mischung aus Blues und Rock setzten Led Zeppelin Ende der 60er Jahre zu einem Höhenflug am Rock’n’Roll-Firmament an, wie ihn die Popgeschichte bis heute nur in Ausnahmefällen erlebt. Jahr für Jahr gingen Millionen Platten über die Ladentische, fahr für Jahr ging auch ein warmer Geldregen auf die beteiligten Musiker nieder. Selbst heute noch verkaufen Led Zeppelin mehr Musik als manche ihrer gefeierten Enkel.
Was also, wenn schon nicht das Geld, treibt die reifen Rocker Page und Plant noch einmal auf die Bühne? Klar, beide waren seit dem Ende der Zeppelin-Ära mit Solo-Projekten immer wieder mal präsent. Als Duo aber mieden die Giganten von einst die Öffentlichkeit, wann immer es ging. Und es ging meistens. Denn eines schien Plant & Page nach dem Tod von Drummer John „Bonzo“ Bonham kaum vorstellbar: die Neuauflage von Led Zeppelin. Wenn auch die Berliner Mauer fiel – eine Wiedervereinigung der Überlebenden Luftschiffer bot allenfalls Stoff für immer neue Spekulationen. Und nun also doch. Oder doch nicht? Tatsache ist, daß weder Plant noch Page im Umfeld des spektakulären MTV-Auftritts und Ihrer aktuellen Plattenveröffentlichung mit dem Namen Led Zeppelin konfrontiert werden wollen. „Mit dem Led-Zep-Tier“, so Robert Plant kategorisch, „möchte ich nichts mehr zu tun haben.“ Hat er aber doch. Wie sonst würde alle Welt von einer Mini-Reunion der legendären Kapelle sprechen? Und das auch in Anwesenheit der ach so sensiblen Altrocker. Wer solches wagt, läuft allerdings Gefahr, kurzerhand an die Luft gesetzt zu werden. Dies jedenfalls widerfuhr einem Journalisten aus Österreich, der zu einem Gespräch mit Page und Plant eigens ins schöne aber ferne Paris gebeten worden war.
Vorsicht ist also geboten, wenn man mit den lebenden Legenden kommunizieren möchte. Läßt man sie walten, ist Robert Plant mit Blick auf die sogenannte Wiedervereinigung von Led Zeppelin zumindest dieses Statement zu entlocken: „So gern ich mich in meinem eigenen Glanz suhle, konnte ich mir nicht vorstellen, ohne Jimmy (Page) auf den Bildschirmen der Welt zu erscheinen.“ Eine Äußerung, die den Blick auf Plants Seele freigibt. Nein, nicht das Geld war ausschlaggebend für die Reunion der alten Helden – in ihren Fällen ist die Rente tatsächlich sicher. Page und Plant geht es vielmehr darum, noch einmal vom Ruhm vergangener Tage zu kosten.
Mit ihren Einzelprojekten eher mäßig erfolgreich, ist das gemeinsame Tandem ein ideales Vehikel, um die Namen Plant und Page wieder in das Bewußtsein einer breiten Öffentlichkeit zu rücken. Auch wenn es sich bei den beiden Genannten nur um die Hälfte von Led Zeppelin handelt. Was zählt, ist ihr Legenden-Bonus. Und der verdoppelt sich nun mal, wenn gleich zwei Mitglieder einer großen Band von einst wieder auf der Bühne stehen. Der dritte Led-Zep-Überlebende, Bassist John Paul Jones (siehe Kasten), steht dem Unternehmen seiner Weggefährten aus ruhmreichen Tagen mit kritischer Distanz gegenüber: „Ich verstehe sie nicht und habe auch immer weniger Lust, es zu versuchen.“ Ein paar gute Wünsche will sich Jones, der Kollege von einst, aber dann doch nicht ersparen: „Ich wünsche ihnen viel Glück.“
Das werden Plant und Page auch brauchen. Denn ihr MTV-Auftritt fiel, zumindest zeitweise, ausgesprochen gewöhnungsbedürftig aus – Ethnosounds aus Arabien statt erdigem Rock’n’Roll. Ein Klang aus dem Kasten, der etliche TV-Zuschauer und Alt-Fans von Led Zeppelin heftig verstört haben dürfte. Keine Frage, arabische Elemente fanden auch schon in den seligen Siebzigern Einzug in die metallische Musik der britischen Heavy-Heroen. Aber in dieser Form?
Immerhin: Auf dem gemeinsamen Album von Plant & Page, benannt nach ihrer alten Hymne „No Quarter“, finden sich neben vier neuen Songs zehn alte Lep Zeppelin-Titel. Aber auch dieses Material zeugt – mal mehr, mal weniger – von Jimmy Pages Hang zum Klang Nordafrikas: „Ich hatte immer einen Draht zu Marokko. Die Musik des Landes berührt mich, weil sie so hypnotisch und schön ist. Dort wird Musik nicht benutzt, um Verkaufsrekorde zu erzielen, sondern weil Feste zu feiern sind wie Hochzeiten oder Beschneidungen.“ Wohl wahr. Mit dem Sound der Seventies ist der Ton arabischer Städte kaum zu vergleichen.
Dennoch: Um sich inspirieren zu lassen, flogen Plant und Page nach Marrakesch. Ihr Equipment installierten sie mitten auf dem Marktplatz. Dort entstanden im Zusammenspiel mit einheimischen Musikern vom Stamm der Gnawa und mit singenden Berberfrauen drei neue Songs. Musik, die vor allem den Gitarristen Page auch spirituell in andere Sphären versetzte. Sänger Robert Plant hockte derweil mit wallendem Blondhaar auf einem handgeknüpften Teppich und vermittelte den Eindruck, als trauere er längst vergangenen Hippie-Jahren nach. Einer Zeit, in der die Klamotten ebensobunt waren wie die Musik. Die ist, dank ethnischer Elemente, zwar heute nicht minder abwechslungsreich, Flowerpower-Träume jedoch vermag sie nicht mehr zu wecken. Ein Eindruck, dem Plant, auf sich bezogen, im Gespräch widerspricht: „Ich bin heute wahrscheinlich weit mehr Hippie als früher. Damals war ich damit beschäftigt zu verstehen, was um mich herum passierte. Die Erfahrungen der Zeppelin-Zeit prasselten nur so auf mich herab. Und diese Erfahrungen waren nicht immer idyllisch und sanft.“
Heute dagegen will man es im Hause Led Zeppelin zumindest zeitweise ruhiger angehen lassen. Reflexion statt Rock, Ethnotöne statt druckvoller Heavygitarren. Den kraftvollen Klang der Vergangenheit hören die alternden Helden mit der Distanz von Dekaden. Jimmy Page: „Ich hatte eigentlich vor, mit Jaz Coleman nach Kairo zu gehen und dort mit einem Orchester zu spielen.“ Und auch Pages Kumpel Plant stellte sich seine Zukunft als Kreativer bis zu jenem denkwürdigen Moment, als 50 Prozent von Led Zeppelin wieder zusammenfanden, anders vor: „Mit ein paar irischen und walisischen Musikern hatte ich mir bereits meine eigene kleine Künstlerwelt aufgebaut. Ich wäre glücklich gewesen, überall für das britische Institut für kulturellen Austausch zu spielen.“ Denn: „Für das Ego eines Rockstars gibt es keinerlei Bedarf mehr.“ Dem zweiten, wenn auch veränderten Erscheinen von Lep Zeppelin auf der internationalen Bühne steht Plant dennoch völlig vorbehaltlos gegenüber: „Die Musik, die wir jetzt machen, ist ganz einfach großartig. Sie funktioniert. Und kein Arschwackeln dieser Welt wird sie ändern.“