Robert Plant
Und noch eine Legende meldet sich zurück. Robert „Percy“ Plant, Sexsymbol der späten 60er und Überlebender des Led Zeppelin- Absturzes, möchte es mit 40 Jahren noch einmal wissen. Mit Led Zep-Material — aber ohne Kompagnon Jimmy Page — kehrt er in diesen Tagen auf die Bühne zurück. Denn die vielbeschworene Reunion, so verrät er im Interview, wird es mit sicher nicht mehr geben.
ME/SOUNDS: NOW AND ZEN heißt dein neues Album. Spricht da der Philosoph, oder machst du dich mit dem Wortspiel gerade über zuviel Tiefsinn lustig?
PLANT: „Der Titel entstand während der Arbeit im Studio. Wir hörten zwischendurch viel Musik der 60er und 70er. vor allem aus San Francisco —- und plötzlich war da eine Atmosphäre wie ’68 im ,Sommer der Liebe‘. Und ich redete wieder so tiefschürfenden Schwachsinn wie zu der Zeit, als wir uns pausenlos ganz ernsthaft über heiße Luft unterhielten. Insofern ist der LP-Titel schon eher ironisch gemeint, wie ein augenzwinkerndes Erinnern an damals. Früher war alles halt viel naiver, wir machten unsere Musik spontaner und unbewußter; irgendwann war plötzlich ein Song fertig.
Die Arbeit an meiner neuen Platte war ähnlich, allein schon wegen der jungen Musiker, die daran beteiligt waren. Es war die ideale Verbindung von Technologie und Unschuld. Ungeschliffenheit und Computertechnik. Mir hat lange nichts mehr so viel Spaß gemacht.“
ME/SOUNDS: Eine Wiederbelebung von Led Zeppelin steht also nicht mehr zur Diskussion?
PLANT: „Nie! Das wird nie passieren!!“
ME/SOUNDS: Es gibt ja eine Art LedZeppelin-Revival, insofern ah Gruppen wie The Cult, The Mission, Sisters Of Mercy offensichtlich bei euch Anleihen machen. Was hältst du davon?
PLANT: „Nun ja. es wird Zeit fürs Original, nicht wahr? (Lacht). Wir wurden damals dummerweise in einem Atemzug mit Bands wie Deep Purple, Black Sabbath oder gar Jethro Tüll genannt — ekelhaft! Was uns mit all diesen Dumpf-Bands angeblich verband: Wir waren die unnahbaren Rockgötter, die nichts mit ihrem Publikum am Hut hatten. So ein Schwachsinn! Wenn du gut bist, kannst du meinetwegen vom Mars kommen!
Ich habe zwar fünf Jahre lang so getan, als hätte es Led Zeppelin nie gegeben, aber ich werde die Band letztlich immer in Schutz nehmen. Die Leute, die uns damals nicht erleben konnten, mußten uns irgendwann einfach selbst entdecken. Jimmy Page hat die wundervollsten Gitarren-Riffs der Rockgeschichte gespielt; okay, die Texte sind an manchen Stellen reichlich fragwürdig, besonders wenn Tolkien durchklingt. Was soll’s? Ich hab‘ sie gesungen.
Das Revival entstand sicher auch, weil die Popstars der letzten Jahre ein Produkt der Plattenfirmen und der Computertechnik sind. Es gibt keine Persönlichkeiten mehr, und wenn es welche gab, dann haben sie eben diese Persönlichkeit an der Tür zum großen Erfolg abgegeben. Nach ein paar Jahren beschließt die Firma: ,Das war’s, vielen Dank. Der Nächste bitte!“ Vielleicht berufen sich deshalb wieder einige Bands auf uns, wegen des Bandgefühls. Und weil wir eine Monster-Band waren.“
ME/SOUNDS: Die Musiker in deiner neuen Band sind ja nun einige Jahre jünger als du. Gibt das Probleme?
PLANT: „Mein Gitarrist muß um 11 ins Bett, deshalb müssen wir uns immer etwas beeilen. (Lacht). Nein, Doug (Boyle) ist 24. Der Schlagzeuger Chris (Blackwell) ist 30. Phil (Johnstone) an den Keyboards auch. Und ich bin 32, hahaha.
Es ist schon komisch, mit so einem winzigen Gitarristen auf der Bühne zu stehen, der dir dauernd vor der Nase rumhopst und gleichzeitig so aussieht, als sei er Sid Vicious.
Ich war bei den ersten Gigs mit der neuen Band total verblüfft über die Reaktion des Publikums. Phänomenal! Die Leute wissen heute ja nicht mehr, was sie von mir erwarten sollen. Spielt der nun wieder diesen Honeydrippers-Mist oder Zeppelin-Songs oder alte Blues-Nummern? Es ist mir gelungen, die Leute komplett zu verwirren.
Ich hatte eigentlich immer nur das Bedürfnis, anders als die anderen zu sein. Wenn ich mir heute bei meinen Konzerten die ersten Reihen anschaue: 18jährige, die Pogo tanzen, toll! Ich hab‘ keine Ahnung, wo die herkommen, aber sie geben mir das Gefühl, noch nicht zum alten Eisen zu gehören.“ ME/SOUNDS: Bewundern dich auch die Jungen in der Band? Gibt’s da keine Hemmungen?
PLANT: „Ich werde selbst heute noch vor Auftritten nervös. Da war die Band reichlich perplex, daß selbst ein Oldtimer wie ich immer noch Lampenfieber hat, noch so verletzlich sein kann. Ich habe Millionen Platten verkauft, bin seit über 21 Jahren dabei, da sollte man doch annehmen, daß ich die Spielregeln in- und auswendig kenne. Wenn ich mich vor einem Konzert aber nicht flau fühlen würde, wenn mir nicht mehr das Hemd flattern würde -— ich würde nicht mehr auftreten.“
ME/SOUNDS: Fällt es dir denn nicht schwer, die gleiche Energie und Begeisterung aufzubringen wie deine jüngeren Kollegen?
PLANT: „Warum sollte ich? Ich versuche doch nicht, mit irgendjemandem mitzuhalten. Ich muß niemandem etwas beweisen. Ich mache das, was ich schon immer gemacht habe, und wenn mein Publikum heute halb so alt ist wie ich — wunderbar! Ich denke nicht mit Schrecken: .
,Hilfe! Da unten steht meine Tochter!‘ Sie steht übrigens tatsächlich häufig da. Alter hat überhaupt nichts mit der Qualität zu tun. Ich bin Entertainer, und wenn ich einem jungen Publikum etwas zu bieten
habe, habe ich meinen Job getan. Altwerden ist einfach, weil es unvermeidbar ist. Man muß nur aufpassen, wann es tatsächlich mit der Jugend vorbei ist. Das ist schwer zuzugeben. Was mich allerdings irritiert, ist die Tatsache, daß das Älterwerden so rasend schnell geht.
Ich weiß nur eins: Ich werde in diesem Jahr 40, und wer will das schon? Es ist aber unvermeidlich. Also versuche ich ständig rauszukriegen, was wichtiger im Leben sein kann, was ich wirklich will.“
ME/SOUNDS: Und was wäre das?
PLANT: „Journalistinnen z. B. (Strahlt). Aber im Ernst: Ich fühle mich im Moment wie nach einer Wiedergeburt, ganz entspannt und so wohl wie seit Jahren nicht mehr. Früher habe ich gar nicht mitbekommen, wer ich eigentlich bin. Und, ehrlich gesagt, ist es mir heute auch egal, wer ich damals war. Ich finde es heute viel spannender, die optimistischen und positiven Seiten an mir zu entdecken.“
ME/SOUNDS: Man sagt dir nach, der Pionier aller Macho-Posen zu sein, ob mit oder ohne Mikrofon …
PLANT: (Lacht) „Jaja, der König des Cock-Rock, der dadurch in die Rockgeschichte einging, daß er Millionen Frauen ins Schlafzimmer zaubern konnte. Und dann plötzlich schluchzt: ,Come with me lo the sea of love‘ -— also wirklich!“
ME/SOUNDS: Die Models in deinen Videos scheinen ja ausschließlich nach unübersehbaren Vorzügen ausgesucht zu sein…
PLANT: „Einen großen Busen braucht man doch nicht zu verstecken! Ich glaube, einer der Gründe, warum sich jemand entschließt. Rockstar zu werden, ist die Freudsche Übersetzung vom Tier im Manne. Mit uns allen stimmt wahrscheinlich irgendetwas nicht, da fehlt irgendein wichtiger Baustein in der Persönlichkeit. Und dieser Mangel wird wohl dadurch kompensiert, in regelmäßigen Abständen total im Mittelpunkt des Interesses stehen zu wollen.“
ME/SOUNDS: Das behaupten manche Politiker von sich auch.
PLANT: „Sicher, nur haben Rockstars ein angenehmeres Leben. Zunächst einmal muß man als Rockstar nicht sonderlich intelligent sein; Politiker müssen wenigstens so tun. Zweitens würde ich all diese wunderbaren Busen vermissen, die es bei uns nun mal häufiger zu sehen gibt. Frauen in der Rockszene sind nun mal attraktiver als anderswo.“
ME/SOUNDS: Du rauchst nicht mehr, trinkst nur noch in Maßen, hast keine Frauengeschichten mehr …
PLANT: „Was?? Wieso keine Frauengeschichten? Das wüßte ich aber! (Lacht). Mir geht es gut, das stimmt. Rauchen habe ich aufgegeben, weil ich exzessiv geraucht habe und nicht einfach weniger rauchen kann. Entweder ganz oder gar nicht.“
ME/SOUNDS: Wie fühlst du dich heute, wenn du auf der Bühne stehst?
PLANT: „Wunderbar, aber ich sag’s dir gleich: Ich singe heute nicht, um jemanden ins Bett zu kriegen. Ich fand es neulich im Konzert schon komisch, als ein paar Mädchen ganz eindeutige Angebote machten. Nach zwei Jahren Bühnenabwesenheit scheint man das vollkommen zu vergessen. Heute mache ich mir ernsthaft Gedanken, was ich so einem Mädchen wohl sagen würde. Wirklich merkwürdig.“
ME/SOUNDS: Das klingt wirklich anders als der Robert Plant bei Led Zeppelin. Augenzeugen zufolge sollst du sogar die endlosen Schlagzeug-Soli zu amourösen Episoden genutzt haben …
PLANT: (Grinst) „Meist bin ich nur zum Bühnenrand gegangen und hab‘ gemütlich eine Zigarette geraucht. Es gab aber auch Konzerte, wo eine schöne Frau in meiner Garderobe auf mich wartete, und Bonzo mußte seine Drum-Soli so lange strecken, bis ich schließlich wieder auftauchte.“
ME/SOUNDS: Gibt es eigentlich irgendetwas, was deine Selbstsicherheit erschüttern kann?
PLANT: „Das kann ich dir wirklich nicht beantworten. Doch, es gibt etwas. Es ist für mich als Musiker ziemlich hart, unter dem übermächtigen Schatten von Led Zeppelin weiter zu arbeiten. Es gefällt mir nicht, aber ich muß damit leben. Ich bin stolz auf das, was die Band mal bedeutet hat und vielleicht noch bedeutet. Aber ich weiß auch, daß ich mich allein nie auch nur annähernd an der Größe und der Einmaligkeit von Led Zeppelin messen kann. Ich denke auch nicht drüber nach. Dazu habe ich später immer noch Zeit.“
ME/SOUNDS: Hast du eigentlich schon mal mit dem Gedanken gespielt, gänzlich aufzuhören? Gibt es für dich so etwas wie eine Altersgrenze, an der unwiderruflich Schluß ist?
PLANT: (Überlegt) „Hm, darauf kann ich nur mit einem Beispiel antworten. Nimm‘ doch nur mal einen Mann wie Eric Clapton. Der wird wahrscheinlich auch noch mit 70 Jahren einen Song wie ,Lay Down Sally‘ spielen können, ohne dabei irgendwie peinlich zu wirken. Man wird nun mal älter, was soll man sich darüber aufregen?“
Es dürfte allerdings weitaus schwieriger sein, wenn ich, sagen wir mal mit 50, noch versuchen würde, ein Led Zeppelin-Stück wie .Trampled Underfoot‘ zu spielen. Dann schon eher ,Sea Of Love‘ von den Honeydrippers, obwohl ich den Song inzwischen auch schon nicht mehr hören kann.“
ME/SOUNDS: Anläßlich des Live-Aid Konzerts 1985 bist du nach langer Zeit wieder gemeinsam mit Jimmy Page aufgetreten; und schon dachten die Leute, das sei der Beginn eines möglichen Comebacks von Led Zeppelin,..
PLANT: „Erst einmal zum Auftritt selbst. Der war unter aller Sau. Ich war vollkommen heiser, und auch Pagey lag komplett daneben. Wir hatten keine Monitore auf der Bühne, standen sprichwörtlich nackt da.
Am schlimmsten aber war dieses Gefühl, diese Erinnerung an frühere Led Zeppelin-Zeiten. Alles, was ich jemals an dieser Band gehaßt habe, war plötzlich wieder da: das Ganze wirkte auf mich wie ein Hund, der total die Orientierung verloren hat und dauernd versucht, sich in den eigenen Schwanz zu beißen.
Jimmy brachte auf seiner völlig verstimmten Gitarre nicht ein einziges Solo richtig zustande und irrte zudem noch ziemlich albern auf der Bühne herum, während ich mich krampfhaft am Mikrofon festhielt. Das Ganze war ein Witz!
Doch die Leute standen da und hatten vor lauter Rührung Tränen in den Augen. Sie fanden es einfach toll. Ich hoffe nur, daß mir sowas nie wieder passiert. Denn: Dieses Trauerspiel Abend für Abend miterleben zu müssen, ist das Peinlichste, was ich mir überhaupt vorstellen kann.“
ME/SOUNDS: Doch was ist nun mit Led Zeppelin? Gibt es konkrete Pläne für eine Wiedervereinigung, oder sind alles nur Gerüchte?
PLANT: „Manchmal muß ich mich schon wundern, was gewisse Leute so alles in die Welt setzen. Für die scheint es nicht die Bohne von Interesse zu sein, was ich in den letzten Jahren überhaupt gemacht habe. Soll ich etwa hier und heute das Gelöbnis ablegen, daß sich Led Zeppelin reformieren werden? Wenn den Medien nichts Neues einfällt, zieht man eben mal schnell obskure Meldungen aus dem Zylinder: Noddy Holder von Slade habe gerade das Trinken aufgegeben. Oder besser noch: Led Zeppelin wollen endlich wieder zusammen spielen. Einfach lächerlich! Das ganze Gerede über eine mögliche Reformation von Led Zeppelin ist völliger Schwachsinn.“
ME/SOUNDS: Gibt es unter Sängern deines Kalibers eigentlich so etwas wie Futterneid, irgendwelche Eifersüchteleien?
PLANT: „Früher schon, so zum Beispiel mit Mick Jagger…“
ME/SOUNDS: … und was ist mit David Coverdale, der in seiner ganzen Art, sich auf der Bühne zu bewegen, doch stark an dich erinnert?
PLANT: „Von wem sprichst du? Von Coverdale? Ach, der. Im Ernst, ich habe viel Zeit damit verbracht, so zu tun, als sei ich nicht der Sänger von Led Zeppelin gewesen. Derweil habe ich ausgiebig David Coverdale beobachtet und mich dabei gefragt, wer ich eigentlich war. Ich sagte mir: .Was ist das doch für ein Wi… Das würdest du jederzeit genauso gut bringen. Und tatsächlich, ich bringe es wirklich! Das bin ich und sonst keiner. Ich möchte mein Geld zurück haben.‘ Und sollte ich ihm einmal über den Weg laufen, werde ich unter Garantie mein Geld zurückfordern!
Andererseits sollte man über sowas lachen. Im nächsten Jahr wird er vermutlich Paul Rogers sein.“
ME/SOUNDS: Gibt es irgendetwas in deinem Leben, was du heute bereust?
PLANT: „Ja. ich wäre zum Beispiel lieber zu Hause geblieben anstatt auf Tournee zu gehen, als mein Fußballverein 1975 ein Super-Saison hatte. Und ich wünschte, 1977 nicht auf Tour gegangen zu sein, als mein Sohn in meiner Abwesenheit starb. Auch einige Songs, die ich geschrieben habe, bedauere ich aus heutiger Sicht, weil sie in meinen Ohren doch verdammt albern klingen.
Ansonsten macht es mir nichts aus. hin und wieder auf alte Songs zurückzugreifen, auch wenn ich dazu erst mal die alten Platten rauskramen muß, um mir die Texte einzuprägen. Im Grunde bediene ich mich immer hemmungsloser bei dem alten Material, wie man auf Tall Cool One‘ unschwer hören kann. Da ist reichlich Zeppelin-Material gesampelt.“
ME/SOUNDS: Man sagt dir nach, nicht gerade sonderlich einfach zu sein, als Mensch wie auch als Musiker.
PLANT: „Mit mir zu arbeiten, ist überhaupt kein Problem. Ich bin immer geradeaus, ehrlich, recht geduldig und ausgesprochen rücksichtsvoll. Sonst hätten die Jungs in meiner Band gewiß nicht so reibungslos mit mir zusammengearbeitet.
Emotional ist es etwas anderes, da dürfte es schon schwieriger sein, mit mir klarzukommen. Leider, kann ich da nur sagen. Darauf bin ich keineswegs stolz. Für mich ist die Beziehung zu einer Frau nun mal so etwas wie ein wilder Strom, wie ein reißender Wasserfall. Eine Minute lang ist alles furchtbar und unerträglich — im nächsten Augenblick schon wieder wunderbar. Bei der Liebe gibt es kein Mittelmaß und keine Kompromisse.“
ME/SOUNDS: Du hast einmal behauptet, das einzige Motiv, das dich bewege weiterzumachen, sei die Suche nach einem Ziel.
PLANT: „Das ist doch gerade die Krux im Leben: Du erreichst dein Ziel nie! Es kann nur relativ besser werden. Ich habe heute zum Beispiel eine weitaus bessere Beziehung zu meinen Kindern als je zuvor. Meine 19jährige Tochter lebt mittlerweile in der Wohnung unter mir. Wir sind sehr offen und ehrlich zueinander. Mit meinem Sohn wiederum gehe ich des öfteren zum Fußballspielen. Diese Gemeinsamkeiten sind mir kostbarer als alles andere auf der Welt.
Nur eines ist und bleibt komisch: Ich kann mir einfach nicht vorstellen, je wieder mit einer Frau zusammenzuleben.“