Robert Palmer


Der „schönste Mann der Rockmusik wurde seinem Ruf gerecht: „Fotos bitte nur von dieser Seite“, mahnte er unseren Fotografen. „Auch wenn’s nur Schwarz-Weiß-Bilder sind: Ein Pickel bleibt ein Pickel.“ Und lachte dazu.

Nicht nur schön ist er, sondern auch schnell. Seine Kommentare zu den 10 ausgewählten Titeln kamen wie aus der Pistole geschossen, kaum daß die ersten Takte verklungen waren. Allerdings ist Palmer, der zur Zeit die neue LP von Flock Of Seagulls produziert, auch durchaus ein kompetenter Kritiker und über Platten-Neuheiten wohlinformiert. Hemmungen, an den Produktionen seiner Kollegen notfalls auch herbe Kritik zu üben, besitzt er nicht. „Schließlich bin ich auch selbst mein härtester Kritiker. „

Alan Vega: „Goodbye Girl“

„Der Sänger ist nicht gerade mein Bier. Was singt der da: ‚It’s baba, dear, ü’s baba?!‘ Ich mag die Snare-Drums, exzellenter Sound. Alan Vega ist das? Wirklich?! Ich mag eine ältere Nummer von ihm: , Diamonds And Furcoats‘; die war phantastisch, aber das hier haut mich nicht um. Der Gesang ist irgendwie schräg und daneben. Die nächste bitte.“

Talking Heads: „Moon Rocks“

„Talking Heads, ich kenne die Platte. In diesem Falle bin ich ein wenig vorbelastet, weil ich die Bandmitglieder gut kenne. Aber trotzdem: Das ist die beste Platte, die sie seit geraumer Zeit gemacht haben. Sie haben einfach eine gute Balance gefunden: Einerseits sind sie intellektuell und künstlerisch faszinierend geblieben, andererseits machen sie den nötigen Druck und Drive.“

Comateens: „Get Off My Gase“

„Klingt gut. Rap-Platten langweilen mich zu Tode, aber die Nummer hat einen tollen Groove, großartige Nummer. Ich mag besonders den Rhythmus-Gitarristen, Egal, wer die Gruppe ist – das ist eine tolle Tanznummer. Comateens aus New York? Noch nie gehört.“

Waitresses: „Spin“

„Überproduziert. Besonders was die Sängerin angeht Sie klingt, als würde sie zu viel denken – anstatt zu singen. Die Waitresses? Oh! Ihre Nummer „I Know What Boys Like“ war ein Knüller. Die Sängerin hat prinzipiell eine überzeugende Ausstrahlung. Dieser Titel aber wirkt überladen.“

David Bowle: „China Girl“

„Klar, Bowie. Zu viele Posen für meinen Geschmack. Das haut mich nicht um. Nein, das ganze Album habe ich noch nicht gehört, das interessiert mich auch nicht sonderlich. Das ist Theater. Vielleicht bin ich auch eifersüchtig, weil mir diese Fähigkeit abgeht. Für mich ist es schon schwer genug, auf eine Bühne zu gehen, vor ein Publikum zu treten. Nicht daß ich nervös bin! Aber ich bin nun mal ein introvertierter Mensch. Und ich verspüre keinerlei Neigung, mich mit Posen auf der Bühne zu präsentieren. Vielleicht ist es sogar einfacher, auf der Bühne in eine Maske zu schlüpfen. Aber ich will es ja nicht einfach haben! Ich mag den Kitzel.“

The System: „You Are In My System“

The System. Was soll ich dazu schon sagen‘ Ich hörte die Nummer in einer Disco in Paris, wo der DJ immer Vorab-Pressungen neuer Platten spielt. Der Song gefiel mir so gut, daß ich spontan eine Cover-Version machte – an einem einzigen Tag war die Aufnahme im Kasten. Ich habe nur wenig geändert; statt des synthetischen Beats habe ich einen richtigen Schlagzeuger benutzt, damit es organischer klingt. Trotzdem finde ich ihre Version letztlich besser als meine.“

Police: „Walking In Your Footsteps“

„Walking In Your Footsteps‘ von Police. Ich habe das Band der LP schon seit einigen Monaten. Ich mag die Platte sehr, eine ihrer besten. Every Breath You Take, die Single von diesem Album, ist einfach einer der besten Lovesongs, die ich je gehört habe. Man braucht gar nicht zu wissen, von wem dieser Song kommt – er ist einfach hundertprozentig in sich stimmig.“

Prince Charles: „Big Chested Girls“

„Yeah, shake it, don’t brake it, 38 – 24 – 36, hey. Hahaha, das ist phantastisch, die bisher beste Nummer. Wer zum Teufel ist das? Prince Charles? Habe noch nie von ihm gehört. Toller sexy Beat. Eine Sex-Nummer, nicht mehr und nicht weniger. Ich habe nie viel mit Rap-Musik anfangen können. Das ist doch nur ein Gag,der zu einer ganzen Industrie aufgeblasen wurde. Aber diese Nummer ist eine Ausnahme.“

XTC: „The Great Fire“

(Schüttelt den Kopf) „Ich schaudere bei der Vorstellung, daß mir jemand die Drogen in den Kaffee schüttet, die diese Jungs offensichtlich nehmen. Eine englische Gruppe? Sind das etwa die Kinks? XTC?! Wirklich? Bisher hielt ich sie für eine gute Band, aber das … ist zu esoterisch für mich.“

Ministry: „Work For Love“

„Das hat überhaupt keinen Charakter, läßt mich völlig kalt. Kein Rhythmus, keine Melodie, nichts. Mechanisch, keine Seele, Nonsens. Keine Persönlichkeit. Ich benutze zwar auch Drum-Maschinen, wenn ich Songs schreibe – aber dann hole ich mir Menschen ins Studio, die das auch umsetzen.“ „Prince Charles und die Talking Heads sind meine beiden Favoriten dieser Auswahl. Was ich sonst noch an neuen Platten höre? Ich mag Icehouse. Was ich nicht mag, ist diese ganze synthetische, unpersönliche Musik wie etwa Heaven 17. Bei all den obskuren Tanz-Maxis, die zur Zeit aus New York kommen, ist der synthetische Rhythmus ja noch erträglich. Sonst aber auch nicht. Ich höre lieber einen schlechten Schlagzeuger als einen Drum-Computer. Deshalb höre ich nach wie vor auch gerne afrikanische Musik. Mag sein, daß das Thema Afrika in letzter Zeit von den Medien etwas gehypt wurde. Aber wenn eine Musik Substanz hat, wird sie auch den Hype überleben. Es ist eine solch überwältigende positive Energie, die diese Musik ausstrahlt. Lieber ist mir, diese Musik wird von den Medien gepusht als irgendwelcher Schrott. Jemand, den ich ebenfalls sehr schätze, ist Paco de Lucia. Egal, was er spielt – er ist einfach beseelt. Im Gegensatz etwa zu Al Di Meola. Der spielt nur ein Instrument, aber Paco ist selbst das Instrument.“