Roachford Get Ready


Auf den ersten Blick wirkt das Rock & Soul-Konzept von Roachford fast schon hausbacken und traditionell. Aber dafür offenbaren die Songs auf dem zweiten Album der englischen Gruppe eine geradezu visionäre Kraft.

Vor allem im Vergleich mit anderen musikalischen und optischen Trendsettern wie beispielsweise Terence Trent D’Arby, mit dem zusammen Roachford vor Jahren auf Tournee ging, sind diese Jungs um den singenden Keyboorder Andrew Roachford allesamt zwar sympathische, aber eher unauffällige Typen: der einfallsreiche Gitarrist Hawi Gondwe, der solide Bassist Derrick Taylor und der kraftvolle Drummer Chris Toylor. Diese Band war nie imagegeil, hol nie nach Trends geschielt, wollte nicht um jeden Preis zu den modischen Hip-Brüdern zählen. Dafür konzentrierte sich das Quartett vom Beginn an ausschließlich auf die Musik — und das zahlt sich mehr noch als auf dem Debütalbum jetzt auf GET READY aus, das mit profunder Spielfreude und immensem Feeling überzeugt. Einen Virtuosen-Trip mit hohler Instrumental-Artistik vermeidet Roachford. Stattdessen schaffen die Musiker immer die richtigen Grooves, Harmonien und Stimmungen, damit der Chef mit seiner ausdrucksstarken Stimme, deren angenehmes Timbre viel zur Wirkung der Gruppe beiträgt, seine Song-Stories mit Nachdruck erzählen kann.

Während sich Terence Trent D’Arby mittlerweile mit seinen schrägen Ideen selbst ins kommerzielle Abseits manövrierte, bleibt Roachford mit dem zweiten Album GET REA-DY am Ball. Mit souligen Melodien, harten Rock-Grooves und einprägsamen Songs, die bisweilen an die Klassiker des Crossover-Souls von Sly & The Family Stone erinnern, vermag er Anhänger der härteren Rock-Gangart ebenso anzusprechen wie aufgeschlossene Soul-Brüder. Und diese mustergültigen Rock & Soul-Nummern offenbaren bisweilen eine visionäre Kraft, die anderen Vertretern des Black-Rock-Blocks und der Heavy-Metal-Soul-Fraktion — wie Living Colour, Stevie Salas oder Bad Brains — weitgehend fehlt.

Andrew Roochford, der visionäre Traditionalist, wird zwar nie Prince und anderen Funk-Neutönern direkte Konkurrenz machen. Aber wer weiß‘ Vielleicht könnte der dezente Entertainer mit der klassischen Soulsnouter-Kurzhaarfrisur stattdessen irgendwann einmal dos Erbe von Marvin Gaye weiterführen. Gaye hatte schließlich ebenfalls, bevor ihn sein Vater im Streit erschoß, mit dem Album MIDNIGHT LOVE einen eigenen, neuen Weg des Soulund Rock-Crossovers eingeschlagen.

DIE VORBILDUNG

Andrew Roachford (26) wuchs in einer musikalischen Familie auf. Sein Onkel, ein Jazz-Saxophonist, begeisterte den Neffen schon sehr früh für die Musik: Schon mit 14 spielte Andy in der Band des Onkels Klavier. In der Badewanne fielen dann seine stimmlichen Talente auf: Da sang er jedesmal aus Leibeskräften. Das führte dazu, daß ihm sein Onkel während der regelmäßigen Auftritte schließlich eine Solonummer einräumte. .So sang ich dann ,Blueberry Hill‘ in irgendwelchen Bars in Soho“, erinnert sich Roachford. Es gab zwischendurch zwar noch ein kurzes Intermezzo auf der Musikhochschule. Aber das Studium brach er ab, weil ihn Beethoven und Konsorten doch nur langweilten.

Die harte Schule in den Pubs, das Spielen von Jazz- und Blues-Standards, prägte hingegen den jungen Musiker und stellte seine eigenen Ambitionen auf gesunde FüBe. Und so blieb Andrew immer auf dem Teppich; er gründete relativ spät, im Jahr 1987, zusammen mit einem Schulfreund seine eigene Band, und erst nach einer ausgedehnten Ochsentour durch die britischen Clubs faßte er überhaupt die Möglichkeit eines Plattenvertrages ins Auge. 1988 erschien dann das Debütalbum, von dem alleine in den USA 100000 Kopien verkauft wurden; im folgenden Jahr plazierten sich die Singles „Cuddly Toy‘ und »Family Man* in den britischen Charts.

Die ersten Aufnahmen zum zweiten Album gingen in den Paisley Park Studios von Prince in Minneapolis über die Bühne; in den Londoner Air Studios wurde das Werk schließlich vollendet. Vor allem aber freut sich Roachford auf die kommenden Live-Konzerte: „Ich glaube, die Musik wird in den 90er Jahren die Studios mit ihrer Technologie hinter sich lassen; Uve-Musik wird ein Comeback erleben. Und darauf freuen wir uns.‘ Kein Zweifel: Da macht sich die Nähe zum Publikum bemerkbar, die er während seiner langen Lehr- und Wanderjahre pflegte, und die sich heute für den Sänger wie für die Band Roachford auszahlt. Mit seiner ungetrübten Kommunikationsfreude erobert er sich immer mehr Fans — nicht nur in Großbritannien, sondern zunehmend auch in Deutschland.

DIE VORBILDER

Dan er in Großbritannien aufgewachsen ist, empfindet Roachford als großen Vorteil. Denn anders als in den USA gab es auf den britischen Inseln nicht die strikte Trennung zwischen weißer und schwarzer Musik. .Ich gehörte einer neuen Generation an, die in den 60er und 70er Jahren autwuchs und vor allem das Programm von Radio One hörte‘, betreibt Roachford Ursachenforschung. .Deshalb Ist unsere Musik viel offener im Umgang mit verschiedenen Stil-Elementen.‘ Es läßt sich nicht überhören: Andrew hat seine Soul-Lektionen der Kapitel Tamla Motown, Stox und Atlantic gelernt. .Und natürlich Hebe ich auch den frühen Stevie Wonder und James Brown“, unterstreicht er. .Aber genauso wichtig war für mich Jiml Hendrix, wie mich auch die Doobies Brothers, Hall & Oates oder Linie Feat beeinflußt haben. Ich glaube, Hendrix und Stevie Wonder wären wunderbar miteinander klargekommen. Und es mag vielleicht überraschen — aber ich kannte auch viele schwarze Kids, die auf die Musik der Gruppe Free abfuhren.“

Für Roachford gelten die gängigen Kategorien der verschiedenen Genres ohnehin nicht mehr: ‚Unsere Musik hat schwarze Wurzeln‘ In der Vergangenheit gab es viele Sehwarze, die Rock-Gitarren strikt ablehnten. Mittlerweile haben sie erkannt, daB eine gute Rockgitarre gar nicht so übel ist. Wir haben in dieser Hinsicht einige Barrieren abgetragen, und ich hoffe nur, daß sich dadurch auch andere Bands mit unterschiedlichen Vorlieben ermutigt fühlen, neue Wege zu gehen.“ Und auch typische Schwarz-Weiß-Malerei darf man von einem aufgeklärten Briten wie ihm nicht mehr erwarten: .Was wir machen, ist neu für die britische Musikszene, und am Anfang haben manche Leute vielleicht gar nicht so recht kapiert, worauf wir hinauswollten. Es gibt sicher auch noch immer das eine oder andere Stirnrunzeln. Aber so leisten wir unseren Beitrag dazu, daß in der Black Music ein Umdenkprozeß stattfindet.‘