Riders on the Storm


Tod, Trauer und ein Festmahl mit dem Teufel - U2 haben turbulente Zeiten hinter sich. In Dublin und Südfrankreich enthüllen sie die Dramen hinter dem neuen Album,

bono sieht aus, als hätte er einen Schlaganfall. Er torkelt herum, kopfschüttelnd, die Augen fest zugekniffen, singt: „Hello, hello“, stupst mich bei jedem Wort mit dem Finger an, „we ‚re at a place called Vertigo.“ Es ist der 1.Juli, wir sitzen im Esszimmer der Hanover Quays Studios in Dublin. „Vertigo“, die erste Single von U2S neuem Album, dröhnt aus einem Lautsprecherpaar an der Wand. Bono hat keinen epileptischen Anfall, sondern er tanzt – ohne irgendeinen Bezug zum Rhythmus. Wie viele Männer seines Alters – man denke an Peter Maffay – ist er von Kopf bis Fuß in Jeans gekleidet. The Edge sitzt am langen Esstisch, stochert in einem Lachssalat herum und nickt. Gegenüber sitzen Larry Müllen und Adam Clayton und verfolgen, wie Griechenland die Tschechen aus der Fußball-Europameisterschaft kickt. Keiner schenkt dem Sänger auch nur die geringste Aufmerksamkeit. 18 Monate nach Beginn der Arbeit sind U2 dabei, ihr elftes Studioalbum überpünktlich zu beenden. HOW TO DISMANTLE AN atomIC bomb erscheint im November. Nicht alles ist planmäßig verlaufen; es wäre kein U2-Album, wenn das nicht so wäre. Vergangenes Jahr zu Weihnachten verwarf die Band die Arbeit eines ganzen Jahres und ersetzte den ursprünglichen Produzenten Chris Thomas (der immerhin für never mind THE bollocks und Pulps different class verantwortlich war) durch Langzeit-Studiopartner Steve Lillywhite. Schwierig bleibt die Einigung über den Ablauf des Albums. Bono und The Edge haben jeweils ein Tracklisting erstellt, keiner war mit dem des anderen einverstanden. Jeder der beiden wird sich im Lauf des Abends an mich heranschleichen und darauf insistieren, dass seine Version die bessere ist. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Version von The Edge funktioniert“, sagt Bono. „Ich habe ihm erklärt, warum sie absurd ist: Du kannst keinen langsamen Song an die zweite Stelle setzen.“

Das auf einer Sandbank des River Liffey gelegene, zweistöckige Hanover Quays könnte wie eine Jugendherberge wirken, wären da nicht die ungeheuren Berge von teurem elektronischem Equipment. Das Gebäude wird nächstes Jahr abgerissen, um dem Flussausbau Platz zu machen. Mit freundlicher Genehmigung der irischen Regierung ziehen U2 in einen Turm im Canary-Pier-Stil um, eine Meile flussaufwärts. Im Obergeschoß gibt es eine Küche, ein Esszimmer und eine Lounge mit einem Sofa und einem Hutständer, der ausschließlich für Bonos zahlreiche Stetsons reserviert ist; eine Fensterfront verläuft über die ganze Breite der Wand. Draußen sind ein paar verdreckte Boote festgemacht. Die Band hat sie gekauft, um Ausflügler abzuschrecken, die ständig am Kai herumsegeln, um die Band zu begaffen. Unten ist ein Proberäum, ein Fernsehzimmer und zwei Studios. Im kleineren davon haben U2 die meisten ihrer Alben aufgenommen. Letzte Nacht brachte Bono zwei der Fans, die draußen vor dem Studio Wache standen, nach Hause – unter der Bedingung, dass sie sich verschiedene Mixe der neuen Songs in seinem Auto anhören und ihre Favoriten nominieren. Steve Lillywhite erzählt, Bono habe dasselbe mit einem Postboten gemacht, der ins Studio kam. „Solche Gelegenheiten nutzt Bonogerne“, sagt The Edge. „Daheim legt er alle möglichen Stücke auf und schaut, was beim Staubsaugen am besten ankommt. Wir sind dafür bekannt, dass wir buchstäblich jeden ausquetschen.“

Heute Nacht spiele ich Mauschen bei U2.

Geplant ist, zu Abend zu essen und bei einer Flasche Wein fünf neue Songs anzuhören. Es läuft darauf hinaus, dass U2 mir das komplette Album vorspielen, ohne bestimmte Abfolge. Bono begleitet seine krampfartigen Zuckungen mit Kommentaren zu jedem Track – eine „great bassline“ hier, ein „terrible rhyming couplet“ da. Mein erster Eindruck ist, dass dieses Album seit the joshuatree am meisten nach U2 klingt. Es hat dessen epische Breite, knüpft aber auch an frühere Karrierehöhepunkte wie the unforgettable fire und war an. U2 kehren zu großen Hymnen und großen Gesten zurück und setzen damit den auf dem 2000er Album all that you can’t leave behind eingeschlagenen Weg fort. Mit diesem Album hatte die Band ihr Selbstbewusstsein wiedergewonnen und die Verwirrung aus der Mitte der goer-Jahre – die plötzliche Entdeckung von Ironie, Dance Music und gigantischen Zitronen – hinter sich gelassen. Im Dezember 2001, mit dem Ende der „Elevadon“-Tour – die 143 Millionen Dollar einspielte -, war klar, dass U2 wieder da sind.

Als die anderen sich verzogen haben, schlägt Bono vor, das Album in seiner bevorzugten Reihenfolge zu hören (zwei schnellere Tracks, zwei langsamere und so weiter). Er verhört mich regelrecht: Was könnten die Singles sein? Ist dieser Mix besser als der andere? „Ich bin nicht unaufrichtig“, beharrt er. „Ich möchte lediglich eine andere Perspektive bekommen. Die Arbeit hier ist wie auf einer Ölbohrinsel ausgesetzt zu sein. Wir sind völlig von allem abgeschnitten.“

Thom Yorke macht so was nicht. Aber im Gegensatz zu U2 bemühen sich Radiohead auch nicht, die breite Masse zufriedenzustellen. Thom Yorke würde niemals verkünden, seine Band strebe danach, die beste der Welt zu sein. Genau das aber war Bonos Vorgabe für ALL THAT YOU CAN’T LEAVE BEHIND. Und dieses Mal? „Es geht nie darum, mit anderen Bands zu konkurrieren „, sagt er und zündet sich eine Zigarette an. „Wir messen uns an uns selbst, an dem Anspruch, keinen Mist zu produzieren, wie das viel andere tun. Denn der einzige Weg, ein Leben wie dieses zu rechtfertigen – mit tollen Häusern und ohne Geldprobleme -, ist mit Sicherheit, keinen Müll zu produzieren.“

Wahrend Bono seine CD zum zweiten Mal laufen lässt, kommen Adam Clayton und Steve Lillywhite zurück. Zweiterer will Bono zur letzten Aufnahme für das Album abholen. Er sieht ihn rauchen und lächelt. „Das ist mal was Neues für Adam und mich, über Bonos schlechte Gewohnheiten zu wachen“, sagt er. „Wenigstens sind meine Gewohnheiten legal“, erwidert Bono und steht auf. Adam Clayton ist das schwarze Schaf der U2-Familie; berühmt wurde er unter anderem durch seine kurzzeitige Verlobung mit Naomi Campbell 1993 und dadurch, dass er einen Gig in Sydney verpasste, weil er zu betrunken zum Spielen war. Er sagt, er habe seit sechs Jahren keinen Alkohol mehr angerührt. Heute ist seine Vorstellung von einer perfekten Nacht, um halb zwölf im Bett zu sein. Mit seinem ergrauten Haar, seiner Lesebrille und dem leicht lispelnden Home-Counties-Akzent wirkt Clayton eher wie ein Erdkundelehrer als wie ein Rockstar. Er hat etwas Verletzliches an sich und behauptet, er habe keine Ahnung, was er der Band bringt. „Bassspielen“, sagt er, „ist auf den letzten beiden Alben viel einfachergeworden. Davor war es so kompliziert. Ich versuchte immer, der beste Bassist aller Zeiten zu werden. Wenn man sich selbst so unter Druck setzt, bringt einen das nicht unbedingt weiter.“ Hast du dich wegen deiner Position in der Band unsicher gefühlt? „ja. Es gab eine Zeit, in der ich mich nicht wohlfühlte. Ich weiß nicht, woran das lag.“

Es ist ein Uhr morgens, als mich The Edge bittet, seine Version des Albums auch noch anzuhören. Während die CD läuft, erklärt er mir mit weicher, beschwingter Stimme, warum er einen Song vor oder hinter den anderen gesetzt hat. Dann zieht er seine unverzichtbare Wollmütze über die Augen, sitzt da und nickt vor sich hin. The Edge hat et was von einem durchgedrehten Professor. Das Magazin Q schrieb kürzlich, er habe 39 Millionen mögliche Reihenfolgen für das neue U2-Album errechnet (Bono bemerkt dazu: „Mädchen neigen dazu.die besten DJs zu sein.und seien wir doch mal ehrlich – The Edge ist ein Mädchen mit einem Schnurrbart“). Franz Ferdinands Single „Take me out“ war der letzte Song, von dem er überhaupt Notiz nahm. „Das wird live auf der Bühne grofiartig! sagt er zum Höhepunkt des „All because of You“-Gitarrensolos. Werden Zitronen dabei eine Rolle spielen? „Wenn ich mich recht erinnere, war die Zitrone ein ziemlich lausiges Forbewegungsmittel. Vor kurzem wurde das Ding bei Ebay versteigert, aber ich glaube, es gab keine Gebote.“

Es dammert. Larry Mullen Sitzt im Fernsehzimmer und zappt durch die Kanäle. Er scheint seit 20 Jahren offenbar nicht zu altern und sich erst so richtig entspannen zu können, wenn das Band des Interviewers ausgeschaltet ist. Er erzählt, viele seiner Freunde seien „Bauarbeiter und Klempner“. Als U2 1997 das ziemlich tuntenhafte Video zu der Single „Discotheque“ veröffentlichten, stellten die Stammgäste in Larry Mullens Stammkneipe die Szene mit dem Drummer als discotanzendem Cowboy in Dauerschleife auf die Video-Jukebox. U2S Versuchen, uns zum Lachen zu bringen, trauert er nicht hinterher: „Ich war schon immer derMeinung:]e weiter wir uns von dem entfernten, was uns ausmachte, desto mehr gerieten wir in Gefahr, uns selbst zu verarschen „, meint er. „Ich käme nicht damit klar, als großkotziger Trottel bezeichnet zu werden.“ hono betritt den Raum, um uns eine gute Nacht zu wünschen. Draußen ist es immer noch dunkel, aber er trägt eine Sonnenbrille. „Hat dir Edge seine Version vorgespielt?“ fragt er. „Gefallt dir seine besser oder meine?“ – „Siehst du, mit was wir uns herumschlagen müssen?“ fragt Müllen mit einem langen, müden Seufzer.

Es ist Mitte Juli, U2 verbringen ihren jährlichen Sommerurlaub in Südfrankreich. Seit der Fertigstellung von the joshua tree kommen sie hierher. Larry Müllen und Adam Clayton haben Häuser an der Küstenstraße nach Nizza. The Edge, Bono und ihre Familien teilen sich eine Villa in der gleichen Gegend. „Bono wollte, dass wir alle zusammenziehen“, erzählt Müllen. „Ich sagte ihm: Ich komme jederzeit gerne hierher … aber ich wohne nicht mit dir in einem Haus.“

Bono hat ein Treffen in einem Restaurant namens Africa Queen arrangiert, fünf Meilen von Nizza entfernt, mit Blick auf den Hafen und eine Flottille funkelnder Privatyachten. Es regnet in Strömen, doch Bono trägt immer noch seine Sonnenbrille, ein Stroh-Stetson bedeckt sein Haupt. Er wechselt ein paar Worte auf französisch mit dem Besitzer. Bono sieht schlanker aus als noch vor einiger Zeit, als er sich von einer Rückenverletzung erholte. Die, sagt er, habe ihn davor bewahrt, zuviel zu arbeiten. Er fügt hinzu, er sei etwas gehemmt, was sein Gewicht angeht: „Ich sehe Fotos von mir und denke: Oh Gott!“ stöhnt er. „Ich kann aussehen wie ein Rockstar. Aber ebenso wie ein pummeliger Politiker.“ Er bestellt zwei Gläser Rose und erzählt ganz beiläufig, wie ihn Robert de Niro überredete, eine Rede beim Tribeca-Filmfestival 2003 zu halten. Er erzählt weiter, wie er fünf Jahre zuvor den Papst traf:

„Er trug rostbraune Slippers. Ich weiß noch, wie Quincy Jones sich zu mir drehte und meinte. Check… out… the … shoes! The cat is wearingpimp shoes! – Ich bin ein furchtbarer Angeber“, fügt er mit einem Lächeln hinzu. „Aber das Recht, mich lächerlich zu machen, bedeutet mir sehr viel.“ (Larry Mullen behauptet, immer wenn er von Fremden in Dublin dumm angeredet werde, gehe es um Bono: „Ich gehe in eine Kneipe, und ein alter Mann kommt daher und sagt: Larry, dein Bono da, der ist doch der letzte Depp. „) Morgen wird sich Bono in der Radio-4-Sendung „Today“ zu Finanzminister Gordon Browns Ankündigung einer beträchtlichen Erhöhung der britischen Ausgaben für Entwicklungshilfe äußern. Bono ist einer der Gründer der 2002 entstandenen Organisation DATA („Debc, Aids, Trade, in Africa“), die zu eben diesem Zweck Lobbyarbeit bei den Regierungen der reichen Länder der Welt betreibt. Browns Rede hat er live in seiner Villa verfolgt. Es war, sagt er, „ein erstaunlicher Moment“. Vor zwei Jahren stand er neben George W. Bush, als der US-Präsident eine Steigerung der Hilfe für Afrika um fünf Milliarden Dollar verkündete. „Mein Leben „, sinniert er, „wird immer surrealer.“

Zusätzlich zu öffentlichen Treffen mit Bush und Tony Blair hat Bono den Erz-Republikaner Jesse Helms (jenen 82-jährigen Ex-Senator, der Homosexuelle als „schwache, moralisch kranke Schweinehunde“ bezeichnet hat) wegen Spenden für seine Anti-Aids-Initiative hofiert. „Bono ist sehr gut darin, herauszufinden, was er will und wie er es erreicht“, sagt Adam Chy ton. „Er widmet sich seinen Zielen mitvollkommener Hingabe. Es gibt bestimmte Dinge, bei denen man sich sagt, es wäre besser für ihn, sie zu lassen; aber er ist erwachsen.“ Es gab Gerüchte über Frustrationen im U2-Lager über Bonos Zeitaufwand für seine Kampagnen. Das sei nicht wahr, sagt The Edge. Er erklärt, Bonos Abwesenheit habe es ihm ermöglicht, alleine am neuen Album zu arbeiten, was der Sache sehr gutgetan habe. Zwar hat er Bono gebeten, von einem Treffen mit Bush abzusehen, er glaubt aber auch, dass der Zweck die Mittel heiligt.

Bono Selbst meint, er würde auch mit dem Teufel zu Mittag essen, um an Spenden zu kommen. „Bei einigen Leuten, die ich getroffen habe,ist mir regelrecht schlecht geworden“, sagten „Ich kann dir keine Namen nennen, weil ich trotzdem weiterhin mit ihnen zusammenarbeiten muss. Aber ich habe auch viele konservative Menschen sehr schätzen gelernt. Ich finde, ihre Unverblümtheit kann erfrischender sein als meine liberalen Freunde, die mir immer erklären, alles sei möglich, aber manchmal keine Taten folgen lassen.“ Es wäre leicht, Bonos Engagement als typisches Verhalten eines ruhmsüchtigen Rockstars darzustellen… Ja, und du würdest damit nicht daneben liegen. Es ist eine sehr zwiespältige Angelegenheit, wenn sich ein reicher Rockstar mit armen, hungrigen Kindern fotografieren lässt. Ich kann niemandem Vorwürfe machen, wenn er daraufzynisch reagiert. Ich bin mir sicher, dass das nicht alles pure Menschenfreundlichkeit ist. Ein wenig Egoismus ist zweifellos dabei. Und eine Art Pflichtgefühl. Außerdem bin ich der Typ, der glaubt, für alles eine Lösung zu finden.“

Bono sagt, die Atombombe, auf die sich der Albumtitel bezieht, sei er. Am 21. August 2001 saß er am Sterbebett seines Vaters Bob Hewson. Das Thema behandelt er in zwei der besten Songs auf dem Album „Sometimes You Can’t Make It On Your Own“ und „One Step Closer“. Auf ersterem singt er: „lt’s you when I look in the mirror /It’s you when I pick up the phone.“ Bono spricht nur sehr stockend über seinen Vater; es ist das einzige Mal, dass er Augenkontakt vermeidet. „Ab mein Papa starb, war es, als ob eine Bombe explodierte, und ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte, „sagt er. „Offengestanden, bin ich die letzten zwei Jahre davor weggelaufen. Ich hab es immer genossen, zu trinken und auszugehen, aber ich stellte fest, dass ich viel mehr trank als sonst. Ich flog für einen Drink nach Bali. Setzte mich in ein Flugzeug, blieb zwei Tage dort, kam zurück. Als ich da in einer Strandbar saß, dachte ich plötzlich: Was mache ich hier? In den letzten Wochen spüre ich immer mehr das Bedürfnis, die Dinge auf sich beruhen zu lassen.“Vor drei Tagen hat Bono in einer kleinen Kirche in der Nähe seines französischen Hauses eine Kerze für seinen Vater angezündet. Bob Hewson war nach allem, was man hört, ein rauher, aber herzlicher Mann, der nicht gerne seine Gefühle preisgab. Bono ist nach jeder Show der letzten U K-Tour nach Hause geflogen, um bei ihm zu sein. „Ich glaube, wir haben am Ende Frieden geschlossen “ sagt er, „aber auf sehr irische Weise. Wir waren wie zwei Männer, die in einem irischen Pub sitzen und nicht miteinander reden. Er liebte Shakespeare, also las ich ihm vor. Ich zeichnete ihn im ScMa/“ Was war das letzte, was du zu ihm gesagt hast? „Ich kann mich nicht erinnern. Ich kann mich an das letzte erinnern, was er zu mir sagte. Ich saß an seinem Bett, und er schreckte aus dem Schlaf hoch. Ich fragte ihn, ob er okay sei, und sein Mund bewegte sich. Alles, was er noch konnte, war flüstern. Ich musste mein Ohr an seinen Mund legen. Undersagte: Fuck off! Dann sagte er: Dieser Ort ist ein Gefängnis, bring mich nach Hause.“Was vermisst du am meisten an ihm? „Manchmal vergesse ich, dass er nicht mehr hier ist. Ich will ihn anrufen. Es gibt jede Menge Fragen, die ich ihm stellen wollte, aber nie gestellt habe.“

Ein weiterer roter Faden, der sich durch das Album zieht, ist das Wesen der Ehe. Der Protagonist in „A Man And A Woman“ etwa sinniert über „forever faith, sex and fear and all the things that keep us here“ und kommt zu dem Ergebnis: „Never take a chance on losing love to find romance.“ Bezieht Bono sich da auf sich selbst? „Ja, es ist persönlich „, sagt er, „ich kann dir aber nicht genau erklären, um was es in dem Song geht. Er hat jedenfalls etwas Verzweifeltes. Es schüttelt mich, wenn ich ihn singe. Offensichtlich trifft er einen Nerv.“

Bono und seine Frau Ali waren Klassenkameraden und haben vier Kinder zwischen drei und 15 Jahren. Bono beschreibt seine Frau als selbstsicher, gelassen und smart. In dieser Hinsicht, sagt er, sei sie The Edge sehr ähnlich: „Weil Ali und ich uns kennen, seit wir Kinder waren, sind wir wie Kumpels. Seit Jahren versuchen Leute, unsere Ehe zu verstehen. Dabei ist es so einfach. Beziehung brauchen ein Management, und Ali ist eine sehr gute Managerin. Es gibt immer noch viel, was ich nicht über sie weiß. Sie ist ein Mysterium für mich. Manchmal denke ich, ich bin nicht gut genug für sie… Ich liebe sie“, sagt er, während er austrinkt. Bono gibt zu, dass er seinen älteren Kinder als Vater immer peinlicher wird, besonders seiner 13jährigen HipHop-begeisterten Tochter Eve. Er erzählt, wie ihn Jay-Z und Beyonce Knowles dieses Jahr in Irland besuchten. Während das Vorzeige-HipHop-Paar da war, bekam Bono zufällig mit, wie Eve ihren Freunden erzählte, ihr Vater langweile seine Gäste bestimmt mit seinen Geschichten über Afrika zu Tode.

Heute Abend hält Bono Hof in einer kleinen Strandbar, die Straße runter, unweit von seinem Haus. Wir sitzen auf der Veranda und blicken in das mediterrane Mondlicht, während Bono Geschichten von Bob Geldof und Bob Dylan erzählt. Er ist in der Tat ein fürchterlicher Namedropper. Hat er es nicht manchmal satt, Bono zu sein? „Hörzu „, sagt er, „ich bin Bono, und ich habe ihn satt, wirklich! Aber es gibt viele Bonos. Manche nerven mich mehr als andere. „Das letzte, was wir von ihm sehen, ist, wie er den Kiesstrand entlangläuft, hinaus in die Nacht. Er nimmt seinen Stetson ab, winkt einmal damit und ist weg.

Ende August ruft mich Bono zu Hause an. Er genießt es, Urlaub zu haben und seinen Kindern beim Herumtoben zuzusehen. Dr. Dre kommt nächste Woche zu Besuch. Bono will wissen, ob er irgend jemanden in Verlegenheit gebracht hat, als wir das letzte Mal miteinander sprachen. „Ich habe die furchtbare Angewohnheit, andere Leute reinzureiten.“ Seit unserem letzten Treffen ist er nach Omaha geflogen, um beim Begräbnis der Frau des Millioneninvestors und DATA-Mitglieds Warren Buffett „All 1 Want Is You“ zu singen, und das Uz-Album wurde gestohlen. Oder zumindest die Kopie von The Edge, die er in seiner Tasche gelassen hatte, während die Band für Fotos posierte. „Ich war so froh, dass esseine war“, sagt Bono. „Das sind so Sachen, die normalerweise mir passieren. Aber es ist offenbar alles gut ausgegangen, bis jetzt ist das Album noch nicht überall aufgetaucht.“ Bono hat Kopien des Albums an Rick Rubin, Michael Stipe und den Vize-Vorsitzenden von Interscope Records, Jimmy Iovine, geschickt. Man ist allgemein der Meinung, dass U2 ihre beste Platte gemacht haben. „Ich hab sie gestern das erste Mal seit langer Zeit wieder gehört, und sie hat mich umgehauen“, sagt er. „Es ist so ein persönliches Album. Weißt du, es ist vielleicht wirklich unser Bestes. Um das festzustellen, braucht man eine gewisse Distanz. Aber jetzt sieht es tatsächlich so aus, als wäre das die Platte, die wir seit 25 Jahren machen wollen.“ Du sagtest letztes Mal, dass es viele Bonos gibt. Welchen davon habe ich getroffen? „Mehrere, würde ich sagen “ Kurze Pause am Telefon. „Hab ich das wirklich gesagt?“ Tragt er dann. „Menschen, die über sich selbst in der dritten Person sprechen, sollte man unbedingt aus dem Weggehen. Dass ich das tue, macht mir jetzt echt Sorgen.“ Hast du sonst noch irgendwelche Erklärungen abzugeben? „Schuldig im Sinne der Anklage“, sagt er schließlich, „und noch mehr für das, was ich dir nicht erzählt habe.“